In "Der Ungehorsam als ein psychologisches und ethisches Problem" stellt Fromm die Fähigkeit und Notwendigkeit zum Ungehorsam systematisch dar. Er verbindet dabei die Fähigkeit zum Ungehorsam mit seiner Lehre vom humanistischen Gewissen. Dieses legitimiert den Ungehorsam und stellt eine Gegenkraft zur autoritären Charakterorientierung dar, für die Gehorsam eine Haupttugend ist. Fromms Plädoyer für den Ungehorsam richtet sich aber nicht nur gegen alle Formen des Autoritarismus. Es geht darum, auch gegen das, was als gesunder Menschenverstand und als "völlig normal" gilt, ungehorsam zu sein und als common non-sense und eine "Pathologie der Normalität" anzusehen. Heute werden beispielweise die Selbstregulation des Marktes, der Wettbewerb, die Gewinnmaximierung, das endlose Wachstumsstreben oder technische Lösungen bei menschlichen Problemen als "völlig normal" angesehen. Diesem common non-sense gegenüber gilt es ungehorsam zu sein, um den Menschen und das individuelle und soziale Wohl-Sein wieder zum Maßstab des wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Handelns zu machen.
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