"Wie Kafka nach einem guten Joint" Arno Frank, "Spiegel Online" "Wirklich jeder Satz ist amüsant [...] Werner scheibt so, wie es sich für eine "Titanic"-Redakteurin gehört: mit immenser Komikdichte. Gäbe es für jede Pointe einen Gongschlag, es klingelten einem nach der Lektüre die Ohren. [....] In "Der Untergang des Abendkleides" outet sie sich als Feministin von höchsten Komikgnaden" Thomas Andre, "Hamburger Abendblatt" "Man sollte sich, wie man es in den 90er Jahren mit Simpsons-Zitaten tat, in diesem Jahrzehnt bloß noch in Gags aus diesem Buch unterhalten." Linus Volkmann, musikexpress.de Kurz: "Ein wunderbar kurzweiliger Erzählband." Katrin Gottschalk, taz Für eine Frau jenseits der dreißig steckt die Gegenwart voller Fragen: Kann man jetzt noch eine Punkband gründen? Sind Viererbeziehungen nicht doch besser als Zweierbeziehungen? Wenn man dem Mann den Rücken krault, ist das schon unbezahlte Care-Arbeit? Und wann beginnt endlich die soziale Weltrevolution? Die Titanic-Redakteurin Ella Carina Werner gehört zu den besten Satiriker*innen Deutschlands. Ihr neuer Kurzgeschichtenband erzählt von Sextouristinnen in Hamburg, filmreifen Geburtserlebnissen und dem idealen Begräbnis. Witz und Aberwitz, Zwiegespräche über Frauenquoten und #MeToo, Komik und Haltung treffen aufeinander und beweisen: Ella Carina Werner ist eine ebenso warmherzige wie gewiefte Geschichtenerzählerin und eine der humorvollsten Kämpferinnen für den Feminismus.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Wiebke Porombka lacht sich scheckig mit Ella Carina Werners Erzählungen um renitente alte Tanten in der Hamburger U-Bahn und "kaurismäkihafte" Finnen, die die Erzählerin vergeblich in eine Diskussion über Atomkraft zu verwickeln sucht. Was an den Texten so besonders ist, ist laut Rezensentin aber nicht ihr Humor allein, sondern auch der Umstand, dass die Autorin sich bei allem Spott als Menschenfreundin erweist. Werners dezidiert feministische, linke Haltung kommt gut mit kleiner Geste aus, meint Porombka, und ganz ohne Selbstlob.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2021Finnisch im Fischgeschäft
Ella Carina Werner erzählt in "Der Untergang des Abendkleides" von Frauenbildern, Idealen und inneren wie äußeren Widersprüchen.
Es ist nicht ganz einfach zu entscheiden, ob die als "Danke, danke!" überschriebenen letzten gut zwei Seiten von "Der Untergang des Abendkleides" die traurigsten oder die lustigsten des Buches sind. Darin erinnert sich die "Titanic"-Redakteurin und Kolumnistin Ella Carina Werner an verschiedene Gelegenheiten, bei denen ihr ältere Herren, etwa nach einer Lesung oder per Mail, gönnerhaft und mitunter bass erstaunt attestierten, dass sie ja ganz schön lustig sei. Für eine Frau. Potzblitz.
Vermutlich ist das weder lustig noch traurig, sondern immer noch symptomatisch. Wirklich bemerkens- und bejubelnswert ist aber - bitte sehr - natürlich nicht die Kombination Frau/Humor, sondern allein Werners Humor selbst, der vollends ohne Häme oder billiges Ressentiment oder gar die Krücke zynischer Verpanzerung auskommt, obgleich ihre Geschichten unbedingt eine Haltung haben: feministisch, ökologisch bewusst, links. Dabei zugleich: undogmatisch. Verheiratet etwa ist Werners Alter Ego im Buch, eine Eigentumswohnung besitzen sie und ihr besserverdienender Gatte. Das entspricht vielleicht nicht dem Idealbild von Feminismus und Antibürgerlichkeit, dafür der Realität.
Dass Werner in ihren Erzählungen, die vorwiegend im Hamburger Alltag spielen, so wenig ätzt gegen Mitmenschen oder konträrere Lebensentwurfe, beruht der Autorin zufolge auf einem vermeintlichen Systemfehler. Werner - die in ihren Texten mit Klarnamen auftaucht, was natürlich noch lange nicht heißt, dass man alles glauben muss, was sie an Schoten und schrägen Episoden auspackt - mag Menschen. Oder jedenfalls gibt sie das recht überzeugend vor. Und weil Misanthropie- und Lustigkeitsfaktor angeblich in einem proportionalen Verhältnis zueinander stehen, stelle das natürlich ein Problem dar. "Gerne würde ich Menschen ein bisschen weniger mögen. Dann wären auch meine Texte lustiger. Zum Beispiel dieser. So lustig!"
Sie würde sich deshalb immer bemühen, schreibt Werner, ihre Einstellung zu ändern. Wie gern würde sie beispielsweise einmal eine "freche Polemik über Christian Lindner" schreiben - überflüssig zu erwähnen, dass sie es wenige Zeilen später in komprimierter Form macht, und dass Neoliberale in "Der Untergang des Abendkleides" ohnehin immer wieder gepiekst werden. Nur eben nicht mit großer Geste, sondern immer ein bisschen so, als wäre es vielleicht auch aus Ungeschicklichkeit passiert.
In Werners erklärter Menschenliebe liegt kein Systemfehler, sondern ein Prinzip. Ein anderes, daran gekoppeltes, ist das der Selbstverkleinerung, das sich aus der gesunden und absolut empfehlenswerten, leider aber wenig verbreiteten Fähigkeit zur Selbstironie einerseits speist, aus rhetorischer Guerillataktik andererseits. In ihrem Text über die tückische Sympathie für andere denkt Werner darüber nach, wie sie diese Bürde loswerden und Menschen weniger lieben könne: "Wenigstens ein paar, wenigstens alleinerziehende Witwen und Bioladenbetreiber mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, weil die eh schon jeder mag, weil die meine Sympathie gar nicht nötig haben. Wenigstens Schnaps-an-Kinder-Verkäufer, aber ich kenne keine Schnaps-an-Kinder-Verkäufer, auch wenn viele, zum Beispiel meine beiden Brüder, genau so aussehen."
Es gehen also zusammen, und zwar gleichzeitig, im Leben wie im Text: (politische) Unkorrektheit und der Glaube an das Ideal eines besseren, achtsameren Lebens. Empathie und Spott. Auch Spott über sich selbst. Ganz groß in dieser Hinsicht ist die Erzählung "Finnland, erwache", in der die Ich-Erzä[Caret]ist, um die Finnen davon abzubringen, auf Atomkraft zu setzen. Sieben Urlaubstage hat sie dafür Zeit und tritt ihre Aufklärungsarbeit, ein paar wenige Brocken zusammengegoogeltes finnisches Fachvokabular im Gepäck, in einem Fischgeschäft in Rauma an - im nahe gelegenen Olkiluoto wird gerade das größte Atomkraftwerk Europas gebaut. ",Moi!', rufe ich in die Runde. / Bleiche, hohläugige Trollschädel starren mich an. Kunden zucken zusammen. Ein altes Mütterchen im Pelzmantel umklammert ihre Einkäufe. Fremde Menschen einfach so grüßen, schon das gilt in Finnland als geisteskrank. / ,Moi!', wiederhole ich gnadenlos. Eine Silbe wie ein Peitschenhieb."
Die maximal alberne Karikatur einer Umweltaktivistin trifft auf die maximal alberne Karikatur kaurismäkihafter Finnen. Kaum vier Seiten Kauderwelsch-Diskussion braucht es, bis die Erzählerin ihr - im Kern knallernstes, in der Form unsinniges - Ansinnen aufgibt und den Salmiakki-Schnaps trinkt, der ihr gereicht wird. Nach zarten Abwiegelungsversuchen stapft man kurz darauf gemeinsam durch den verschneiten Tag zu "Samis Drinkin-Reikä" (Samis Saufloch).
Grandios auch die Episode mit der Tante, einer hanseatischen Grande Dame, wie sie im Buche steht. Wenn diese Tante in der abendlichen S-Bahn nach einer Vorstellung vom "König der Löwen" zunächst vollends ungebrochen und von der Nichte unwidersprochen über die dramaturgischen Mängel des Abends und Schwächen in der Figurenkonstellation schwadroniert, als handele es sich um eine Klassiker-Inszenierung am Thalia Theater, um schließlich von einem Kontrolleur als Schwarzfahrerin erwischt zu werden und einen burgtheatertauglichen Empörungsanfall aufs Parkett zu legen, dann ist wie so oft in diesem Buch vollkommen egal, wie viel Prozent der Geschichte stimmen (",Ich bin eine ehrbare Frau', ruft meine Tante. ,Ich bin belesen, kultiviert, konfirmiert und komplett epiliert.'"), dann ist das Auseinanderklaffen von Welt- und Selbstwahrnehmung einfach nur lustig. Und liebenswert.
Wie in der Finnland-Episode geht es natürlich jeweils - auch - um Ideologie. Um Umweltbewusstsein und Engagement oder den Wandel von Frauenbildern, Lebenseinstellungen oder auch Klassendenken. ("Woher weiß denn überhaupt ein kleiner städtischer Hilfsarbeiter wie Sie, was Beihilfe ist?", so die sich echauffierende Tante.) Aber Ella Carina Werner kommt eben nicht als verschnupfte Gesinnungsbeamtin daher und auch nicht in der bequemen Selbstgewissheit, ohnehin im Recht zu sein. Und vor allem nicht mit dem Stolz der immerzu Unbeugsamen und Konsequenten.
Werner lässt Gegensätze und Widersprüche aufeinanderrauschen, eigene und gesellschaftliche. Dabei entsteht kein Kollateralschaden, sondern ein Witz, der nicht gleich eine Revolution anstoßen mag - wie auch? -, aber ebenso erhellend wie verspannungslösend ist. Falls sich dieser Humor injizieren ließe: Es sollten bitte rasch allerorten möglichst viele Dosen davon verabreicht werden.
WIEBKE POROMBKA
Ella Carina Werner: "Der Untergang des Abendkleides". Geschichten.
Satyr Verlag, Berlin 2020. 176 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ella Carina Werner erzählt in "Der Untergang des Abendkleides" von Frauenbildern, Idealen und inneren wie äußeren Widersprüchen.
Es ist nicht ganz einfach zu entscheiden, ob die als "Danke, danke!" überschriebenen letzten gut zwei Seiten von "Der Untergang des Abendkleides" die traurigsten oder die lustigsten des Buches sind. Darin erinnert sich die "Titanic"-Redakteurin und Kolumnistin Ella Carina Werner an verschiedene Gelegenheiten, bei denen ihr ältere Herren, etwa nach einer Lesung oder per Mail, gönnerhaft und mitunter bass erstaunt attestierten, dass sie ja ganz schön lustig sei. Für eine Frau. Potzblitz.
Vermutlich ist das weder lustig noch traurig, sondern immer noch symptomatisch. Wirklich bemerkens- und bejubelnswert ist aber - bitte sehr - natürlich nicht die Kombination Frau/Humor, sondern allein Werners Humor selbst, der vollends ohne Häme oder billiges Ressentiment oder gar die Krücke zynischer Verpanzerung auskommt, obgleich ihre Geschichten unbedingt eine Haltung haben: feministisch, ökologisch bewusst, links. Dabei zugleich: undogmatisch. Verheiratet etwa ist Werners Alter Ego im Buch, eine Eigentumswohnung besitzen sie und ihr besserverdienender Gatte. Das entspricht vielleicht nicht dem Idealbild von Feminismus und Antibürgerlichkeit, dafür der Realität.
Dass Werner in ihren Erzählungen, die vorwiegend im Hamburger Alltag spielen, so wenig ätzt gegen Mitmenschen oder konträrere Lebensentwurfe, beruht der Autorin zufolge auf einem vermeintlichen Systemfehler. Werner - die in ihren Texten mit Klarnamen auftaucht, was natürlich noch lange nicht heißt, dass man alles glauben muss, was sie an Schoten und schrägen Episoden auspackt - mag Menschen. Oder jedenfalls gibt sie das recht überzeugend vor. Und weil Misanthropie- und Lustigkeitsfaktor angeblich in einem proportionalen Verhältnis zueinander stehen, stelle das natürlich ein Problem dar. "Gerne würde ich Menschen ein bisschen weniger mögen. Dann wären auch meine Texte lustiger. Zum Beispiel dieser. So lustig!"
Sie würde sich deshalb immer bemühen, schreibt Werner, ihre Einstellung zu ändern. Wie gern würde sie beispielsweise einmal eine "freche Polemik über Christian Lindner" schreiben - überflüssig zu erwähnen, dass sie es wenige Zeilen später in komprimierter Form macht, und dass Neoliberale in "Der Untergang des Abendkleides" ohnehin immer wieder gepiekst werden. Nur eben nicht mit großer Geste, sondern immer ein bisschen so, als wäre es vielleicht auch aus Ungeschicklichkeit passiert.
In Werners erklärter Menschenliebe liegt kein Systemfehler, sondern ein Prinzip. Ein anderes, daran gekoppeltes, ist das der Selbstverkleinerung, das sich aus der gesunden und absolut empfehlenswerten, leider aber wenig verbreiteten Fähigkeit zur Selbstironie einerseits speist, aus rhetorischer Guerillataktik andererseits. In ihrem Text über die tückische Sympathie für andere denkt Werner darüber nach, wie sie diese Bürde loswerden und Menschen weniger lieben könne: "Wenigstens ein paar, wenigstens alleinerziehende Witwen und Bioladenbetreiber mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, weil die eh schon jeder mag, weil die meine Sympathie gar nicht nötig haben. Wenigstens Schnaps-an-Kinder-Verkäufer, aber ich kenne keine Schnaps-an-Kinder-Verkäufer, auch wenn viele, zum Beispiel meine beiden Brüder, genau so aussehen."
Es gehen also zusammen, und zwar gleichzeitig, im Leben wie im Text: (politische) Unkorrektheit und der Glaube an das Ideal eines besseren, achtsameren Lebens. Empathie und Spott. Auch Spott über sich selbst. Ganz groß in dieser Hinsicht ist die Erzählung "Finnland, erwache", in der die Ich-Erzä[Caret]ist, um die Finnen davon abzubringen, auf Atomkraft zu setzen. Sieben Urlaubstage hat sie dafür Zeit und tritt ihre Aufklärungsarbeit, ein paar wenige Brocken zusammengegoogeltes finnisches Fachvokabular im Gepäck, in einem Fischgeschäft in Rauma an - im nahe gelegenen Olkiluoto wird gerade das größte Atomkraftwerk Europas gebaut. ",Moi!', rufe ich in die Runde. / Bleiche, hohläugige Trollschädel starren mich an. Kunden zucken zusammen. Ein altes Mütterchen im Pelzmantel umklammert ihre Einkäufe. Fremde Menschen einfach so grüßen, schon das gilt in Finnland als geisteskrank. / ,Moi!', wiederhole ich gnadenlos. Eine Silbe wie ein Peitschenhieb."
Die maximal alberne Karikatur einer Umweltaktivistin trifft auf die maximal alberne Karikatur kaurismäkihafter Finnen. Kaum vier Seiten Kauderwelsch-Diskussion braucht es, bis die Erzählerin ihr - im Kern knallernstes, in der Form unsinniges - Ansinnen aufgibt und den Salmiakki-Schnaps trinkt, der ihr gereicht wird. Nach zarten Abwiegelungsversuchen stapft man kurz darauf gemeinsam durch den verschneiten Tag zu "Samis Drinkin-Reikä" (Samis Saufloch).
Grandios auch die Episode mit der Tante, einer hanseatischen Grande Dame, wie sie im Buche steht. Wenn diese Tante in der abendlichen S-Bahn nach einer Vorstellung vom "König der Löwen" zunächst vollends ungebrochen und von der Nichte unwidersprochen über die dramaturgischen Mängel des Abends und Schwächen in der Figurenkonstellation schwadroniert, als handele es sich um eine Klassiker-Inszenierung am Thalia Theater, um schließlich von einem Kontrolleur als Schwarzfahrerin erwischt zu werden und einen burgtheatertauglichen Empörungsanfall aufs Parkett zu legen, dann ist wie so oft in diesem Buch vollkommen egal, wie viel Prozent der Geschichte stimmen (",Ich bin eine ehrbare Frau', ruft meine Tante. ,Ich bin belesen, kultiviert, konfirmiert und komplett epiliert.'"), dann ist das Auseinanderklaffen von Welt- und Selbstwahrnehmung einfach nur lustig. Und liebenswert.
Wie in der Finnland-Episode geht es natürlich jeweils - auch - um Ideologie. Um Umweltbewusstsein und Engagement oder den Wandel von Frauenbildern, Lebenseinstellungen oder auch Klassendenken. ("Woher weiß denn überhaupt ein kleiner städtischer Hilfsarbeiter wie Sie, was Beihilfe ist?", so die sich echauffierende Tante.) Aber Ella Carina Werner kommt eben nicht als verschnupfte Gesinnungsbeamtin daher und auch nicht in der bequemen Selbstgewissheit, ohnehin im Recht zu sein. Und vor allem nicht mit dem Stolz der immerzu Unbeugsamen und Konsequenten.
Werner lässt Gegensätze und Widersprüche aufeinanderrauschen, eigene und gesellschaftliche. Dabei entsteht kein Kollateralschaden, sondern ein Witz, der nicht gleich eine Revolution anstoßen mag - wie auch? -, aber ebenso erhellend wie verspannungslösend ist. Falls sich dieser Humor injizieren ließe: Es sollten bitte rasch allerorten möglichst viele Dosen davon verabreicht werden.
WIEBKE POROMBKA
Ella Carina Werner: "Der Untergang des Abendkleides". Geschichten.
Satyr Verlag, Berlin 2020. 176 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main