Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,0, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Institut für Geschichte), Veranstaltung: Kriminalitätsgeschichte - ein neues landeshistorisches Forschungsfeld, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Ziel der Revision des Unzuchts- und Bigamiefalles, der 1803 vor dem Patrimonialgericht in Brunn untersucht und verhandelt wurde, ist es, einen quellenfundierten Beitrag zur Erforschung der Lebensweise und der Lebensgewohnheiten niederer sozialer Schichten im ländlichen fränkischen Raum zu liefern. Da in der Regel aus diesem weitgehend analphabetische soziale Milieu so gut wie keine eigenhandschriftlichen Quellen vorhanden sind, ist es nötig auf schriftliche Quellengattungen auszuweichen, die von Schreibkundigen verfasst wurden, aber den Inhalt bzw. die Aussage der Analphabeten spiegeln. Diese Art von Quellen findet sich zumeist in Form von Protokollen in Untersuchungs- bzw Prozessakten, was zur Folge hat, dass die niedergelegte Aussage entweder von einem Delinquenten oder von einem Zeugen im untersuchten Kriminalfall stammt. Es besteht die Gefahr, dass die Meinungen, Verhaltensweisen und Bewusstseinsinhalte, die sich in einzelnen Protokollen straffällig Gewordener niederschlagen, übergeneralisiert und für ein ganzes Milieu als typisch oder zumindest als nicht unüblich befunden werden, obgleich die Aussage in einem atypischen Rahmen, nämlich vor Gericht, und von möglicherweise atypischen Personen gewonnen wurde. Es gilt also sorgsam abzuwägen, wie weitreichend eine allgemeine Aussage über ein Milieu oder über die rurale Volkskultur auf dieser Basis sein kann. Ganz sicher darf von einem isolierten exemplarisch wieder aufgerollten Fall – wie dies hier im Folgenden geschehen soll - kein revidierter Blick auf eine soziale Schicht erwartet werden. Trotzdem kann diese Revision von Gerichtsakten im Zusammenspiel mit anderen quellenfundierten Beiträgen und unter Abgleich mit bekannten Fakten ein wirklichkeitsgetreueres historisches Bild vom Leben eines schriftunkundigen Milieus liefern. Ein Problem anderer Art bildet die Interpretation der wieder aufgerollten Untersuchung. Der Interpret neigt absichtslos dazu, einen Fall in seinem Sinn, also innerhalb seiner bekannten Kategorien auszulegen. Kurz ausgedrückt: Er findet das, wonach er sucht. Und er übersieht womöglich, was darzustellen lohnend wäre. Er begibt sich in einen circulus vitiosus, bei dem in der Annahme auch schon der Beweis enthalten ist. Es scheint deshalb geboten, den im Folgenden wieder aufgerollten Fall möglichst präzise vorzustellen, um dem Leser selbst die Gelegenheit zu geben, die vom Verfasser gezogenen Schlüsse nachzuvollziehen oder, wenn nötig, bei der Lektüre zu anderen Schlüssen zu kommen.