Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Romanistik - Lateinamerikanische Philologie, Note: 1,0, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Institut für Romanistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Jede Geschichte hat zwei Seiten. Mindestens. Je nachdem, aus welchem Grund jemand etwas erzählt, lässt er einige Details weg, fügt andere hinzu und interpretiert das Geschehen nach eigenen Interessen anders. Diese einfache Formel, die im Alltag für jede Art von Kommunikation selbstverständlich erscheint, galt für die Historiographie lange nicht: In der Geschichtsschreibung und auch in Historischen Romanen galt bis zum Einzug der Postmoderne die Prämisse, dass die Geschichte eine kohärente, sinnstiftende Kette von Ereignissen sei, die sich durch das Studium von Quellen erschließen ließ. Somit spielte der Historiker oder Autor allenfalls eine zweitrangige Rolle: Seine Rolle war es, Fakten zu historischen Ereignissen zu sammeln und zu ordnen, um später eine vollständige, objektive und wahre Rekonstruktion dieser Ereignisse niederzuschreiben. Seit der Übernahme des postmodernen Geschichtsbildes gewinnt der Autor -und somit auch die Erzählerfigur historischer Romane- durch die Einsicht, dass Geschichte sich nicht ,von selbst schreibt', an Bedeutung: Diese neue Sichtweise stößt gerade in Lateinamerika auf großes Interesse. Dort entwickelt sich in den 70er Jahren ein regelrechter Boom Neuer Historische Romane, der bis heute eine der wichtigsten Strömungen der lateinamerikanischen Literatur darstellt. Diese Romane versuchen aufzuzeigen, dass die offizielle Geschichtsschreibung keineswegs eine natürliche Ordnung der historischen Ereignisse, sondern ein vom Menschen mit einer bestimmten Intention geschaffenes Konstrukt ist. Der Historiker nimmt somit eine essentielle Rolle innerhalb dieses Prozesses ein, da er die geschichtlichen Ereignisse ordnet, auswertet und somit auch (mit)entscheidet, was passiert ist - eine Rolle, die in einem historischen Roman dem Autor des Werkes zufällt. Nach dem Wegfall des Wahrheitsanspruchs bei der Rekonstruktion historischer Ereignisse ergibt sich eine Fülle neuer Möglichkeiten, eine eigene Version der Geschichte zu schreiben und metafiktionale Überlegungen über die Historiographie miteinzubeziehen. In diesem Zusammenhang erhält gerade die Erzählerfigur, als der Ort, an dem diese Reflektion stattfindet und an dem die historische Handlung als Konstrukt entlarvt werden kann, eine Aufwertung und tritt in vielen Neuen Historische Romanen in den Vordergrund.
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