Der Marsch Garibaldis und seiner Garibaldini durch den Apennin von Rom nach Ravenna ist legendär und zentral für die Einigung Italiens. Im Sommer 2019 ist Tim Parks Garibaldis Spuren gefolgt und durch das Herz des Landes gewandert: eine großartige Erkundung von Italiens Vergangenheit und Gegenwart. Im Sommer 1849 musste Guiseppe Garibaldi, Italiens legendärer Revolutionär, die Verteidigung Roms endgültig aufgeben. Er und seine Männer hatten die Stadt vier Monate gehalten, aber nun war klar, dass nur die Kapitulation die Zerstörung durch die überlegene französische Armee verhindern würde. Es galt, die Niederlage in einen moralischen Sieg zu verwandeln, und so führte Garibaldi mit seiner schwangeren Frau Anita eine kleine, schnell aufgestellte Armee an, um den Kampf für die nationale Unabhängigkeit fortzusetzen. Von französischen und österreichischen Truppen verfolgt, marschierten die Garibaldini über den Apennin und kamen mit nur 250 Überlebenden in Ravenna an. Tim Parks hat sich auf die Spuren Garibaldis begeben und ist seinem Weg durch das Herz Italiens gefolgt: ein grandioser Reisebericht, der von Garibaldis Entschlossenheit, die keine Rücksichten kannte, seiner Kreativität, seinem Mut und seinem tiefen Glauben erzählt und ein faszinierendes Porträt Italiens zeichnet, damals und heute, mit unvergesslichen Beobachtungen italienischer Lebensart, der Landschaft, der Politik und der Menschen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Andreas Rossmann hätte sich einige persönliche Einlassungen zu Wanderblasen und Leibspeisen des Autors weniger gewünscht in diesem Buch des Italien-Kenners Tim Parks. Um auf Garibaldis Spuren von Rom nach Norden zu wandern und diese historische Leistung zu würdigen, hätte es laut Rossmann auch die wenig inspirierten Landschaftsbeschreibungen nicht gebraucht. Was Parks unterwegs erlebt, wen er alles trifft und was das über Italien aussagt, hat zwar nicht immer etwas mit Garibaldi zu tun, meint Rossmann, mitunter aber erhellen sich Parks Erlebnisse und die historischen Beschreibungen gegenseitig, so der Rezensent.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2023Die Lasagne, eine Erfolgsgeschichte
Warum steht die Lasagne auf den Tafeln der Restaurants in Italien oft ganz oben? Der englische Schriftsteller Tim Parks, Wahlitaliener, will es wissen. In seinem jüngsten Buch "Der Weg des Helden" erklärt er: "Das Gericht stammt ursprünglich aus Bologna oder vielleicht auch Neapel. Die beiden Städte streiten schon ewig um die Urheberschaft." In anderen Regionen gehöre es "eindeutig nicht zur typischen Küche". Was seine Lebensgefährtin Eleonora auf einen Gedankengang bringt, "auf den ein Engländer wie ich nie gekommen wäre". Lasagne ist das Gericht, das die Touristen am besten kennen, sagt sie und warnt: "Sofern du nicht in Bologna oder Neapel bist, geh niemals in ein Restaurant, das aufdringlich mit Lasagne wirbt. Es ist eine Touristenfalle."
Diese "Lasagne-Theorie" habe Eleonora und ihn, so Parks, in Montepulciano gezwungen, "ein gutes halbes Dutzend Lokale links liegen zu lassen, ehe wir unter einer Markise in einer Nebenstraße schließlich 'pici con broccoli' bestellen". Pici sind dicke Spaghetti, die in und um Montepulciano mit der Hand gerollt werden. Die Lasagne geht auf das lateinische "lagana" zurück, Teigfladen, die Horaz, so schreibt er in den Satiren, abends mit Lauch und Kichererbsen schmeckten. Auch in der Vulgata werden sie erwähnt, wie überhaupt die Lasagne eine bemerkenswerte Karriere hingelegt hat: "Al forno" trat sie die Nachfolge der Auflauf-Pasteten an, die opulent in der Renaissancemetropole Ferrara kreiert wurden. Zwar entwickelten sich die Lasagne bolognese mit grünen Teigblättern, Ragù, Béchamelsoße und Parmesan und die Lasagne napoletane mit Ragù, Salami, Caciocavallo, Ricotta und hart gekochten Eiern zu den erfolgreichsten Versionen, doch auch die Vincisgrassi marchigiani mit Schweinefleisch und Hühnerinnereien aus den Marken und die Lasagne genovese mit Pesto aus Ligurien sind landesweit beliebt.
Die Lasagne zeigt, so wie viele andere Gerichte, Italien als ein Land, das durch seine gemeinsame Küche geteilt ist. Dabei konnte sie sich nicht überall etablieren. Die Lasagne, die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts im Piemont mit Hecht oder Krebsschwänzen serviert wurde, geriet genauso in Vergessenheit wie die Lasagne milanese, die 1790 mit einer Füllung aus Trüffeln, Parmesan, Butter, Béchamelsoße und Zimt beschrieben und hundert Jahre später mit Huhn, gepökelter Zunge und Pilzen rundum erneuert wurde. Die Lasagne auf die Konkurrenz zwischen Bologna und Neapel zu verengen lassen auch die vielen lokalen Traditionen nicht zu: In der Umgebung von Ravenna ist es bis heute Sitte, die Geburt eines Mädchens mit Lasagne - und die eines Jungen mit Gnocchi - zu feiern. ANDREAS ROSSMANN
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Warum steht die Lasagne auf den Tafeln der Restaurants in Italien oft ganz oben? Der englische Schriftsteller Tim Parks, Wahlitaliener, will es wissen. In seinem jüngsten Buch "Der Weg des Helden" erklärt er: "Das Gericht stammt ursprünglich aus Bologna oder vielleicht auch Neapel. Die beiden Städte streiten schon ewig um die Urheberschaft." In anderen Regionen gehöre es "eindeutig nicht zur typischen Küche". Was seine Lebensgefährtin Eleonora auf einen Gedankengang bringt, "auf den ein Engländer wie ich nie gekommen wäre". Lasagne ist das Gericht, das die Touristen am besten kennen, sagt sie und warnt: "Sofern du nicht in Bologna oder Neapel bist, geh niemals in ein Restaurant, das aufdringlich mit Lasagne wirbt. Es ist eine Touristenfalle."
Diese "Lasagne-Theorie" habe Eleonora und ihn, so Parks, in Montepulciano gezwungen, "ein gutes halbes Dutzend Lokale links liegen zu lassen, ehe wir unter einer Markise in einer Nebenstraße schließlich 'pici con broccoli' bestellen". Pici sind dicke Spaghetti, die in und um Montepulciano mit der Hand gerollt werden. Die Lasagne geht auf das lateinische "lagana" zurück, Teigfladen, die Horaz, so schreibt er in den Satiren, abends mit Lauch und Kichererbsen schmeckten. Auch in der Vulgata werden sie erwähnt, wie überhaupt die Lasagne eine bemerkenswerte Karriere hingelegt hat: "Al forno" trat sie die Nachfolge der Auflauf-Pasteten an, die opulent in der Renaissancemetropole Ferrara kreiert wurden. Zwar entwickelten sich die Lasagne bolognese mit grünen Teigblättern, Ragù, Béchamelsoße und Parmesan und die Lasagne napoletane mit Ragù, Salami, Caciocavallo, Ricotta und hart gekochten Eiern zu den erfolgreichsten Versionen, doch auch die Vincisgrassi marchigiani mit Schweinefleisch und Hühnerinnereien aus den Marken und die Lasagne genovese mit Pesto aus Ligurien sind landesweit beliebt.
Die Lasagne zeigt, so wie viele andere Gerichte, Italien als ein Land, das durch seine gemeinsame Küche geteilt ist. Dabei konnte sie sich nicht überall etablieren. Die Lasagne, die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts im Piemont mit Hecht oder Krebsschwänzen serviert wurde, geriet genauso in Vergessenheit wie die Lasagne milanese, die 1790 mit einer Füllung aus Trüffeln, Parmesan, Butter, Béchamelsoße und Zimt beschrieben und hundert Jahre später mit Huhn, gepökelter Zunge und Pilzen rundum erneuert wurde. Die Lasagne auf die Konkurrenz zwischen Bologna und Neapel zu verengen lassen auch die vielen lokalen Traditionen nicht zu: In der Umgebung von Ravenna ist es bis heute Sitte, die Geburt eines Mädchens mit Lasagne - und die eines Jungen mit Gnocchi - zu feiern. ANDREAS ROSSMANN
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