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Dorota Danielewicz erzählt von Frauen, die aus Belarus flohen
Da ist die Geschichte von Volha, die sich von Vilnius aus online um ihr Hospiz in Grodno kümmern muss. Vor zwei Jahren war sie in Belarus unabhängige Wahlbeobachterin und sah, wie Stimmzettel gefälscht und Wahlgesetze missachtet wurden. Sie nahm an Protesten teil, sie wurde verhaftet, sie floh nach Vilnius. Auch Mitarbeiter ihres Hospizes wurden festgenommen, mussten hungern. Das gleiche Schicksal erlebten einige Eltern, deren Kinder im Sterben lagen.
Dann ist da die Geschichte von den zwei Schwestern Nadieja und Joanna, um die fünfzig, die zu Fuß nach Litauen flohen, weil ihr Auto wegen ihrer Teilnahme an Protesten verpfändet worden war. Sie kämpften sich barfuß durch die Wälder, ihre Schuhe hatten sie in den Sümpfen verloren. Erst nach zehn Stunden erreichten sie das sichere Ziel. Nadieja konnte nicht einmal ihrem Sohn von ihren Fluchtplänen erzählen: Er ist Grenzsoldat. Die Schwestern wählten den Fluchttag so, dass er an einem anderen Ort arbeitete, damit der Geheimdienst ihm keine Mitschuld unterstellen konnte. Wären die beiden in Belarus geblieben, hätten sie drei Jahre ins Arbeitslager gemusst. Die Behörden warfen ihnen vor, während der Proteste gewalttätig gewesen zu sein. Bei besagtem Vorfall standen sie einundvierzig Sicherheitskräften gegenüber.
Kapitel für Kapitel hat Dorota Danielewicz die Fluchtgeschichten von Frauen aus Belarus aufgeschrieben. Neun Interviews hat sie geführt, im letzten Kapitel ist auch ein Mann dabei: Es geht um eine Liebesgeschichte, einen Hungerstreik und zwei Jahre Gefängnis. Das Buch ist Zeugnis jenes Sommers, der das Leben in Belarus grundlegend verändert hat, weswegen Belarussen auch heute noch ihr Land verlassen. Protokollartig beschreibt Danielewicz ihre Begegnungen mit den Frauen im Exil. Dabei schildert sie historische Begebenheiten, erklärt die Bedeutung von Schlüsselfiguren der Revolution und ermüdet den Leser leider auch immer wieder mit floskelhaften Gedanken über den Mut der Frauen.
Zwar ähneln sich die Geschichten: meist eine recht unpolitische Vergangenheit der Protagonistin, Teilnahme an friedlichen Protesten, dann ein paar Tage im Gefängnis, schließlich die Flucht vor dem Termin der Gerichtsverhandlung und die Einsamkeit im Exil. Doch in den Details zeigt sich die individuelle Erschütterung, durch die das kollektive belarussische Trauma jenes Sommers auch für Außenstehende greifbar wird.
Die Frauen aus Danielewicz' Buch haben versucht, Beweismittel für ihre unrechtmäßige Inhaftierung bei der Flucht mitzunehmen. Denn die Hoffnung aller Erzählenden ist: Irgendwann werden sie in einem freien Belarus beweisen können, was ihnen angetan wurde, und die Verantwortlichen vor Gericht bringen. ANNA FLÖRCHINGER
Dorota Danielewicz: "Der weiße Gesang". Die mutigen Frauen der belarussischen Revolution.
Europa Verlag, München 2022. 208 S., geb., 20,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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