Nach dem Scheitern der militärischen Interventionen des Westens im Nahen Osten dringen heute Islamisten in das entstandene Machtvakuum vor. Europa ist darüber - von der Flüchtlingsproblematik bis hin zur inneren Sicherheit - in den Sog der nahöstlichen Wirren geraten. Für den Nahen Osten war die Analyse vom "Kampf der Kulturen" noch zu optimistisch. Hier kämpfen zwar weiterhin Muslime und Juden sowie islamistische und säkulare Werteordnungen gegeneinander, aber es sind noch innerkulturelle Kriege zwischen Konfessionen, Ethnien und Stämmen hinzugekommen. Hinter diesen ausweglos erscheinenden Konflikten verbirgt sich nur eine Chance: Je schneller die Selbstzerstörung der alten politischen und religiösen Paradigmen voranschreitet, desto eher könnte das notwendig neue Paradigma einer "Zivilisierung von Kulturen" auch in der islamischen Welt vorrücken. Die vielen überzähligen jungen Menschen brauchen statt "Heiligen Kriegen" und kollektiven Identitäten individuelle Existenzmöglichkeiten. Ausbildung und Bildung, Wissenschaft und Technik, Arbeit und Wachstum, diese durchweg profanen Funktionssysteme sind die wichtigsten Wege zur Umwandlung des Kampfes der Kulturen in einen Kampf um die Zivilisation. Im Prozess der Zivilisierung von Kulturen kommt dem Westen weiterhin eine Schlüsselrolle zu. Aber er braucht eine neue Strategie: An die Stelle der illusionären Universalisierung seiner Werte und Strukturen muss zunächst seine Selbstbehauptung durch politische Selbstbegrenzung treten. Für die Eindämmung des Islamismus wird dann die Kooperation mit anderen säkularen Mächten wie Russland und China sowie mit gemäßigten islamischen Staaten unabdingbar. Solche Koalitionen werden keine Wertegemeinschaft, aber sie könnten die Grundlage für eine multipolare Weltordnung bilden.