Schießen Sie nicht auf den Tamandin.
Pascal Janovjak ist ein Schweizer Autor mit französischen und slowakischen Wurzeln. Er lebt nach langjährigen Aufenthalten im Libanon, in Bangladesch und Palästina in Rom.
Sein Roman „Der Zoo in Rom“ hat viele Facetten. Er kann kurzweilig, aber auch
hintergründig gelesen werden, geht es doch um Menschen und Tiere und ihre seltsamen, selten freiwilligen…mehrSchießen Sie nicht auf den Tamandin.
Pascal Janovjak ist ein Schweizer Autor mit französischen und slowakischen Wurzeln. Er lebt nach langjährigen Aufenthalten im Libanon, in Bangladesch und Palästina in Rom.
Sein Roman „Der Zoo in Rom“ hat viele Facetten. Er kann kurzweilig, aber auch hintergründig gelesen werden, geht es doch um Menschen und Tiere und ihre seltsamen, selten freiwilligen Verbindungen. Ein Zoo ist ja ein künstlich angelegtes Paradies, ein Paradies der Zurschaustellung und des Gaffens. Er könnte auch als Bewahrung von Genpools betrachtet werden zur Rettung ganzer Spezies, bevor sie vom Erdboden verschwunden sein werden. Ein Zoo ist aber auch eine architektonische Herausforderung und last not least: Business as usual. Denn der monetäre Gedanke war immer präsent. Carl Hagenbeck, einer der größten Tierhändler seiner Zeit weltweit, hat ja doch nicht nur aus reiner Tierliebe und Menschenfreundlichkeit gehandelt mit seinen Tier- und Völkerschauen.
In diesem so vielseitigen Roman ist der Zoo sui generis Hauptprotagonist mit menschlichen Nebenfiguren wie Giovanna di Stefano, die mit neuen Kommunikationsstrategien dem Römer Zoo wieder Aufmerksamkeit und Gewinn bringen soll, dem algerischen Architekten Chahine Gabi, der sich mysteriös auf den verschlungenen Pfaden des Geländes verliert, dem Verhaltensforscher Guido Anselmo Moro und dem Tierpfleger Salvatore Leonardi.
Natürlich ist auch Mussolini präsent, der Afrika ins italienische Reich holen wollte: im kolonialisti-schen wie im „animalischen’“ Sinne. 1935 hatte er Äthiopien, dem einzigen noch freien Land des Kontinents, den Krieg erklärt.
Der Zoo beherbergte 3000 Tiere. Doch die Zeit forderte auch unter ihnen Opfer. Es gab kein Futter mehr, dann wütete die Rinderpest und die Wärter mussten Tiere erschießen, Tiere, mit denen sie oft vertrauter als mit ihren Familien waren.
Eine Zeitlang war der Zoo en vogue, Monarchen flanierten als Besucher, Dalí ließ sich inspirieren, Filmsternchen nutzen ihn für Modeschauen, die Römer kamen: sehen, um gesehen zu werden. Die Tiere wurden zu Nebenrollen degradiert. Der Einzug des Fernsehens beendete jedoch vorerst die Besucherströme, denn es bot günstige allzeit verfügbare Unterhaltung vom Sofa aus. Der Handel mit exotischen Tieren blieb jedoch ein großes Geschäft. In den 70er Jahren dann das Entstehen der Antizoo-Bewegung, die die Tiere befreien wollte. Aber nichts verstand von der domestizierten Seele der Gefangenen, die zurück in ihre Gehegezellen der Sicherheit wollten.
Aber immer präsent: Oscar, der Tamandin, der letzte seiner Art, ob er das spürte? Mit seinem vertrauten Wärter Salvatore lebte er eine Beziehung wie ein altes Paar und doch noch immer das Sichverstecken, ein Relikt aus Zeiten in freier Wildbahn.
Oscar wurde ein Star, ein Lokalheld, angeblich gab es Wunderheilungen, Besucher steckten Wunschzettel in die Gitter seines Käfigs. Doch dann fiel ein Schuss und der Rummel fand ein abruptes Ende.
All das war einmal. Heute gibt es den Bioparco mit doppelsinnigen Werbeplakaten wie „Fremde Fische – Invasion unserer heimischen Gewässer“ und einen privaten Plüschtierzoo.
All das ist meisterhaft geschrieben, die menschliche und die tierische Natur beleuchtend, mit gesellschaftlichen und politischen Einsprengseln und mancherlei Anekdoten, mit Kurzportraits einiger tierischer Persönlichkeiten, mit einer nebelhaften Amour fou.
„Der Zoo in Rom“ ist eine wunderbare vielschichtige moderne Fabel, die man wie die Arche Noah ungern verlässt, um wieder auf dem Boden des realen Alltags anzukommen. Dem Autor gelingt es mit dieser Melange durchaus einen Spannungsbogen aufzubauen und bei vielen gewiss auch Erinnerungen an eigene Zoobesuche.
Mich hat die Lektüre als gebürtige Hamburgerin inspiriert, den eigenen Kindheitserinnerungen an den Hagenbeck’schen Zoo demnächst Schritt für Schritt zu folgen. Das werde ich im herbstlichen Nebel tun. Danke Pascal Janovjak für diesen Impuls.