Das Buch Dobberahns ist bei aller Wissenschaftlichkeit und theologischen Gedankenschärfe ein erschütternd zu lesendes Epos. Dies nicht nur wegen seiner erzählerischen Partien, einzelner Biographiefragmente und Innenansichten von Kriegsteilnehmern, von Theologen, Pädagogen, Künstlern und einer Kriegsgedichte sammelnden nachdenklichen Konfirmandin, sondern auch wegen der dokumentarischen Fülle aus Predigten, Liturgien, Kriegsliedern und -ritualien, Tagebucheinträgen, Briefen und Kriegspostkarten. Der Rahmen ist weit gespannt; er setzt bei den Freiheitskriegen an, geht über 1918 hinaus und nimmt wesentliche Entwicklungen der deutschen Kriegstheologie bis zum Holocaust in den Blick. Friedrich Erich Dobberahn versetzt in seiner engagierten Darstellung Leser und Leserin an die Front, in die Etappe, in Lazarette, in Schulklassen und Kirchenräume, an den Potsdamer Kaiserhof; er lässt sie die Ungeheuerlichkeit des Krieges ebenso schmerzlich spüren wie die menschenverachtende Kriegsästhetik des "worldmakings", das "blutbereite", theologische "Ornament als Verbrechen". Er schließt mit dem alarmierenden Hinweis auf gleichartige Vorgänge in heutiger Zeit, sowie auf den Krieg Putins gegen die Ukraine.
"Was Dobberahn gelingt, ist eine Analyse der kriegsverherrlichenden Theologensprache, die aus dem Kaiserreich stammend bis weit in die Zeiten des Zweiten Weltkrieges sich dauerhaft durchhielt und in fataler Weise bis in die Gegenwart virulent bleibt [...]. Dobberahn geht es um eine minutiöse, detaillierte Rekonstruktion der Verirrungen deutscher Theologie und die damit verbundenen Sensibilisierung für Vergewaltigungen des theologischen Erbes, vor denen auch die Gegenwart nicht gefeit scheint [...]. Aus Sicht des Rezensenten besticht [...] vor allem die erstmalig gewagte Zusammenschau und Rekonstruktion der Entstehung einer Theologie, die häufig retrospektiv und mit dem Wissen der Nachkriegszeiten einhellig abgewertet und verurteilt wurde und wird. Sie lässt die Wahrnehmung des Buches für alle an der Theologie- und Kirchengeschichte des 20. Jh.s Interessierten als dringlich und geboten erscheinen. [...] Die Studie von Dobberahn sensibilisiert [...] für die "Dämonen der Vergangenheit", die bald nach einem Jahrhundert längst nicht überwunden oder gar vertrieben sind [...]. Es ist dem Buch zu wünschen, dass es in seinen einzelnen Abschnitten intensiv wahrgenommen und im Bereich der akademischen Lehre wie auch der kirchlich-theologischen Erwachsenenbildung gelesen und diskutiert wird." Prof. Dr. Markus Wriedt (Goethe-Universität Frankfurt a.M.), Theologische Literaturzeitung(06/2022, Sp. 581 ff.)