Ukraine, Sowjetunion und Moderne - aus rückblickender Sicht der Geschichte des 21. Jahrhunderts erscheint diese Worttrias anachronistisch, unpassend, zum mindesten ungewöhnlich. Assoziiert man mit der ehemaligen Union der Sowjetrepubliken heute doch eher einen Wiedergänger des russischen Imperialismus statt einen modernen Staat. Gerade in Bezug auf die unabhängige Ukraine scheinen angesichts der derzeitigen Konflikte um die Krim sowie die Ostukraine entsprechende Verknüpfungen besonders widersrüchlich. Doch in den zwanziger und dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gab es eine Zeit, in der zumindest oberflächlich der Versuch unternommen wurde, auf dem Gebiet der heutigen Ukraine Vorstellungen von Moderne zu entwickeln, die sich sowohl aus ukrainischen wie auch aus sowjetischen Quellen speisten und sich auf ökonomischer, politischer und kultureller Ebene niederschlug. Der vorliegende Band zeichnet die Entwicklung der kulturellen Modernisierungsbestrebungen und -tendenzen aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive heraus nach und zeigt anhand einer Untersuchung der zeitgenössischen Theaterkritiken der späten zwanziger bis dreißiger Jahre, wie sich aus einem Dialog verschiedenster sozialer Gruppierungen mit unterschiedlichen ästhetischen, kulturellen und politischen Vorstellungen ein monomanisches Diktat zentraler Moskauer Politik entwickelte, dessen restauratives Moment allen modernistischen Impulsen ein Ende setzte.
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