Dialoge über natürliche Religion (Dialogues Concerning Natural Religion) ist eine religionsphilosophische Schrift des schottischen Philosophen David Hume. In ihr streiten die drei Charaktere Cleanthes, Demea und Philo über die Natur von Gottes Existenz. Hume begann mit der Bearbeitung der Dialoge spätestens 1750, ließ sie aber erst 1779 posthum veröffentlichen. David Hume (1711 - 1776) war ein schottischer Philosoph, Ökonom und Historiker. Er war einer der bedeutendsten Vertreter der schottischen Aufklärung und wird der philosophischen Strömung des Empirismus bzw. des Sensualismus zugerechnet. Sein skeptisches und metaphysikfreies Philosophieren regte Immanuel Kant zu seiner Kritik der reinen Vernunft an. Mittelbar wirkte dieser Vordenker der Aufklärung auf die modernen Richtungen des Positivismus und der analytischen Philosophie. In Bezug auf seine wirtschaftswissenschaftliche Bedeutung kann er zur vorklassischen Ökonomie gezählt werden. Hume war ein enger Freund von Adam Smith und stand mit ihm in regem intellektuellem Austausch.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2017Beratungen über den Weltenbau
David Humes "Dialoge über natürliche Religion" in einer exzellenten neuen Ausgabe
Wenn es um die Königsdisziplin der traditionellen Philosophie, die Metaphysik, ging, konnte David Hume die Contenance verlieren. Dann konnte er rhetorische Register ziehen, die man von dem sonst nüchtern abwägenden schottischen Philosophen eigentlich nicht erwartete. Seine "Untersuchung über den menschlichen Verstand" " etwa schließt mit einem buchstäblich flammenden Aufruf, das fatale Erbe der Tradition ein für alle Mal zu entsorgen: "Wenn wir, von diesen [in der ,Enquiry' dargelegten] Prinzipien überzeugt, unsere Bibliotheken durchgehen, welche Verwüstung müssten wir dann anrichten! Nehmen wir irgendein Buch zur Hand, zum Beispiel über Theologie oder Schulmetaphysik, so lasst uns fragen: Enthält es eine abstrakte Erörterung über Größe und Zahl? Nein. Enthält es eine auf Erfahrung beruhende Erörterung über Tatsachen und Existenz? Nein. So übergebe man es den Flammen, denn es kann nichts als Sophisterei und Blendwerk enthalten."
Ganz anders als dieser Aufruf, der von späteren Metaphysikkritikern wie Rudolf Carnap und Alfred Ayer zitiert wurde, lesen sich Humes 1779 postum erschienenen "Dialoge über die natürliche Religion". Sie tragen zwar den Namen der erhabensten und für einen Empiristen dubiosesten Abteilung der Metaphysik im Titel: "natürliche Religion" beziehungsweise "natürliche Theologie" nannte man damals das von Offenbarung unabhängige Wissen von Gott und seinen Eigenschaften, ein Wissen, das, wenn es professionell gewonnen und systematisch vorgetragen wurde, sozusagen den Schlussstein der Metaphysik bildete. Und doch wird hier kein kurzer Prozess mit der metaphysischen Gotteslehre gemacht. Im Gegenteil: Mit Geduld werden Thesen und Argumente - zu einem Strauß von Themen, von den klassischen Gottesbeweisen bis zum Theodizeeproblem - rekonstruiert, analysiert und zerpflückt.
Dazu bedient Hume sich gekonnt der Dialogform. Drei Kombattanten lässt er gegeneinander antreten, die man grob als einen orthodoxen Traditionalisten, einen Skeptiker und einen rationalistischen Theisten charakterisieren kann. Welcher der drei Gesprächsteilnehmer als sein Sprachrohr gelten kann und ob überhaupt einem von ihnen diese Rolle zufällt, ist dabei alles andere als klar und bis heute in der Hume-Forschung umstritten. Genau das macht zu einem nicht geringen Teil den intellektuellen Reiz der "Dialoge" aus.
Eines ist immerhin klar: Für den Theismus - die Annahme eines allmächtigen und allgütigen Welturhebers - geht die Sache fatal aus. Er ist für Hume nicht in Betracht zu ziehen, weil eine offensichtlich von Übeln durchsetzte Welt es nicht zulasse, ein Wesen mit moralischen Eigenschaften zum Urheber zu haben; und selbst mit der Intelligenz des Welturhebers sei es so weit nicht her, wie der Blick auf die Dysfunktionalitäten und Mängel der Welteinrichtung zeige. Für den Atheismus sieht es allerdings keineswegs besser aus. Er schied für Hume aus, weil er in seinen Augen nicht zu erklären vermochte, warum es die komplexen Strukturen gibt, die wir in der Welt beobachten. Dem Atheismus wäre also bei Hume allenfalls ein Schrumpf-Theismus entgegenzusetzen, der dem Schöpfergott eine begrenzte Intelligenz, aber keinerlei Güte zuschreibt. Die Formel, auf die sich die drei Gesprächsteilnehmer einigen, lautet, dass "die Ursache der Ordnung im Universum wahrscheinlich irgendeine entfernte Ähnlichkeit mit menschlicher Intelligenz" besitzt.
Die "Dialoge" lesen sich über weite Passagen wie ein Beitrag zu einer aktuellen Debatte: Man denkt an rezente Einsprüche gegen den in der heutigen Philosophie vorherrschenden Naturalismus und seine Absage an einen transzendenten Schöpfer und Lenker des Universums. Dabei wird auf Erklärungslücken des Naturalismus verwiesen und darauf insistiert, dass der Theismus die bessere Erklärung biete. Mit solchen Überlegungen wäre für Hume, also selbst vor dem Hintergrund des Stands der Wissenschaft im achtzehnten Jahrhundert, nicht viel gewonnen gewesen. Allenfalls sei, wie er maliziös schrieb, die Annahme in Erwägung zu ziehen, dass unsere Welt "der erste, rohe Versuch einer noch in den Kinderschuhen steckenden Gottheit, die ihn später aus Scham über ihr armseliges Machwerk aufgab", oder aber "das kindische Alterswerk einer senilen Gottheit" sei.
Humes "Dialogue" bedürfen als Klassiker zwar kaum einer Empfehlung, aber sie liegen nun in einer vorzüglichen neuen Ausgabe auf Deutsch vor, versehen vor allem auch mit einem umfangreichen Kommentar, der die zahlreichen philosophiehistorischen Bezüge, die auf den ersten Blick zumeist nicht erkennbar sind, sichtbar macht. Auch gelingt es der Übersetzung, Eleganz und den Esprit des großen Stilisten, der Hume war, zu bewahren. Man liest diese Ausgabe, deren gelehrter Apparat ein Meilenstein der Hume-Forschung ist, nicht nur mit Gewinn, sondern mit Lust.
WINFRIED SCHRÖDER.
David Hume: "Dialoge über natürliche Religion". Aus dem Englischen, mit einer Einleitung und Anmerkungen von Lothar Kreimendahl. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2016. 264 S., br., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
David Humes "Dialoge über natürliche Religion" in einer exzellenten neuen Ausgabe
Wenn es um die Königsdisziplin der traditionellen Philosophie, die Metaphysik, ging, konnte David Hume die Contenance verlieren. Dann konnte er rhetorische Register ziehen, die man von dem sonst nüchtern abwägenden schottischen Philosophen eigentlich nicht erwartete. Seine "Untersuchung über den menschlichen Verstand" " etwa schließt mit einem buchstäblich flammenden Aufruf, das fatale Erbe der Tradition ein für alle Mal zu entsorgen: "Wenn wir, von diesen [in der ,Enquiry' dargelegten] Prinzipien überzeugt, unsere Bibliotheken durchgehen, welche Verwüstung müssten wir dann anrichten! Nehmen wir irgendein Buch zur Hand, zum Beispiel über Theologie oder Schulmetaphysik, so lasst uns fragen: Enthält es eine abstrakte Erörterung über Größe und Zahl? Nein. Enthält es eine auf Erfahrung beruhende Erörterung über Tatsachen und Existenz? Nein. So übergebe man es den Flammen, denn es kann nichts als Sophisterei und Blendwerk enthalten."
Ganz anders als dieser Aufruf, der von späteren Metaphysikkritikern wie Rudolf Carnap und Alfred Ayer zitiert wurde, lesen sich Humes 1779 postum erschienenen "Dialoge über die natürliche Religion". Sie tragen zwar den Namen der erhabensten und für einen Empiristen dubiosesten Abteilung der Metaphysik im Titel: "natürliche Religion" beziehungsweise "natürliche Theologie" nannte man damals das von Offenbarung unabhängige Wissen von Gott und seinen Eigenschaften, ein Wissen, das, wenn es professionell gewonnen und systematisch vorgetragen wurde, sozusagen den Schlussstein der Metaphysik bildete. Und doch wird hier kein kurzer Prozess mit der metaphysischen Gotteslehre gemacht. Im Gegenteil: Mit Geduld werden Thesen und Argumente - zu einem Strauß von Themen, von den klassischen Gottesbeweisen bis zum Theodizeeproblem - rekonstruiert, analysiert und zerpflückt.
Dazu bedient Hume sich gekonnt der Dialogform. Drei Kombattanten lässt er gegeneinander antreten, die man grob als einen orthodoxen Traditionalisten, einen Skeptiker und einen rationalistischen Theisten charakterisieren kann. Welcher der drei Gesprächsteilnehmer als sein Sprachrohr gelten kann und ob überhaupt einem von ihnen diese Rolle zufällt, ist dabei alles andere als klar und bis heute in der Hume-Forschung umstritten. Genau das macht zu einem nicht geringen Teil den intellektuellen Reiz der "Dialoge" aus.
Eines ist immerhin klar: Für den Theismus - die Annahme eines allmächtigen und allgütigen Welturhebers - geht die Sache fatal aus. Er ist für Hume nicht in Betracht zu ziehen, weil eine offensichtlich von Übeln durchsetzte Welt es nicht zulasse, ein Wesen mit moralischen Eigenschaften zum Urheber zu haben; und selbst mit der Intelligenz des Welturhebers sei es so weit nicht her, wie der Blick auf die Dysfunktionalitäten und Mängel der Welteinrichtung zeige. Für den Atheismus sieht es allerdings keineswegs besser aus. Er schied für Hume aus, weil er in seinen Augen nicht zu erklären vermochte, warum es die komplexen Strukturen gibt, die wir in der Welt beobachten. Dem Atheismus wäre also bei Hume allenfalls ein Schrumpf-Theismus entgegenzusetzen, der dem Schöpfergott eine begrenzte Intelligenz, aber keinerlei Güte zuschreibt. Die Formel, auf die sich die drei Gesprächsteilnehmer einigen, lautet, dass "die Ursache der Ordnung im Universum wahrscheinlich irgendeine entfernte Ähnlichkeit mit menschlicher Intelligenz" besitzt.
Die "Dialoge" lesen sich über weite Passagen wie ein Beitrag zu einer aktuellen Debatte: Man denkt an rezente Einsprüche gegen den in der heutigen Philosophie vorherrschenden Naturalismus und seine Absage an einen transzendenten Schöpfer und Lenker des Universums. Dabei wird auf Erklärungslücken des Naturalismus verwiesen und darauf insistiert, dass der Theismus die bessere Erklärung biete. Mit solchen Überlegungen wäre für Hume, also selbst vor dem Hintergrund des Stands der Wissenschaft im achtzehnten Jahrhundert, nicht viel gewonnen gewesen. Allenfalls sei, wie er maliziös schrieb, die Annahme in Erwägung zu ziehen, dass unsere Welt "der erste, rohe Versuch einer noch in den Kinderschuhen steckenden Gottheit, die ihn später aus Scham über ihr armseliges Machwerk aufgab", oder aber "das kindische Alterswerk einer senilen Gottheit" sei.
Humes "Dialogue" bedürfen als Klassiker zwar kaum einer Empfehlung, aber sie liegen nun in einer vorzüglichen neuen Ausgabe auf Deutsch vor, versehen vor allem auch mit einem umfangreichen Kommentar, der die zahlreichen philosophiehistorischen Bezüge, die auf den ersten Blick zumeist nicht erkennbar sind, sichtbar macht. Auch gelingt es der Übersetzung, Eleganz und den Esprit des großen Stilisten, der Hume war, zu bewahren. Man liest diese Ausgabe, deren gelehrter Apparat ein Meilenstein der Hume-Forschung ist, nicht nur mit Gewinn, sondern mit Lust.
WINFRIED SCHRÖDER.
David Hume: "Dialoge über natürliche Religion". Aus dem Englischen, mit einer Einleitung und Anmerkungen von Lothar Kreimendahl. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2016. 264 S., br., 22,90 [Euro].
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»Man liest diese Ausgabe, deren gelehrter Apparat ein Meilenstein der Hume-Forschung ist, nicht nur mit Gewinn, sondern mit Lust.« Winfried Schröder, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.02.2017