Pablo Neruda gilt als einer der bedeutendsten Dichter der Weltliteratur. Mit "20 Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung" eroberte er die Herzen der Leser weit über die Grenzen Südamerikas hinaus. Vierzig Jahre nach Nerudas Tod wurden nun 21 Gedichte im Nachlass des Nobelpreisträgers entdeckt - darunter auch sechs neue Liebesgedichte.
In »Dich suchte ich« besingt Neruda die Liebe und den Schmerz der Trennung, er erzählt von Chile, von der Natur seines Heimatlandes, vom Reisen. Verse, spontan zu Papier gebracht auf Zetteln, Menükarten, Konzertprogrammen, wie die diesem Band beigefügten Faksimiles zeigen. In diesen erst vor wenigen Jahren entdeckten Gedichten begegnen wir einem der wichtigsten lateinamerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seines Schaffens.
In »Dich suchte ich« besingt Neruda die Liebe und den Schmerz der Trennung, er erzählt von Chile, von der Natur seines Heimatlandes, vom Reisen. Verse, spontan zu Papier gebracht auf Zetteln, Menükarten, Konzertprogrammen, wie die diesem Band beigefügten Faksimiles zeigen. In diesen erst vor wenigen Jahren entdeckten Gedichten begegnen wir einem der wichtigsten lateinamerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seines Schaffens.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2018Briefe an sein jüngeres Ich
Gedichte aus dem Nachlass von Pablo Neruda
1952, vermutlich auf dem Rückflug von Europa nach Uruguay, schreibt Pablo Neruda ein Gedicht auf die Menükarte, ein Liebesgedicht. Es spricht vom roten Blitz des Haars der Geliebten und beteuert (in deutscher Übersetzung): "Du und ich, wir sind die Erde mit ihren Früchten." Großzügig taucht das Gedicht die Nähe der Liebenden in ein weltumspannendes Pathos. Man meint die Freundin und Muse dicht neben dem schreibenden Dichter sitzen zu sehen. Das ist nicht abwegig, da sich auf der Menükarte auch noch die folgende Notiz findet: "Am 29. Dezember 1952 - 11 Uhr morgens - in 3500 Metern Höhe fliegend - zwischen Recife und Río Janeiro". Sie trägt die Handschrift Matilde Urrutias. Matilde war seit 1946 die Geliebte und Muse Nerudas und seit 1955 seine Frau. Sie war es auch, die des Dichters Nachlass ordnete, ehe sie selbst 1985 starb, zwölf Jahre nach Nerudas Tod.
Als in späteren Jahren die Fundación Pablo Neruda sich daranmachte, die Originalmanuskripte und Typoskripte vollständig zu katalogisieren, zeigte es sich, dass der Witwe eine Reihe von Gedichten entgangen war. Diese Texte wurden 2014 von der Fundación publiziert und sind jetzt in der Übersetzung Susanne Langes in einem schön gemachten Band vereinigt. "Dich suchte ich" enthält sechs Liebesgedichte und fünfzehn weitere Poesien, in denen der Eros Nerudas sich an anderen Themen abarbeitet.
Die wiedergefundenen Gedichte reichen von den frühen fünfziger Jahren bis in die Zeit kurz vor dem Tod des Dichters 1973. Sie wurden in Schulhefte und auf Schreibblöcke geschrieben, aber auch auf Speisekarten und Konzertprogramme. Manches ist handschriftlich durchkorrigiert, anderes zeigt nur minimale Eingriffe. Der Leser kann das auf gut zwanzig brauntonigen Faksimiles nachvollziehen, soweit er die Originale zu entziffern vermag. Manchmal wäre der spanische Klartext hilfreich gewesen.
Natürlich kreisen alle Liebesgedichte um Matilde. Gleich das erste nennt sie beim Namen und rühmt "die Küsse, die dein Mund mich lehrte". Das vierte Gedicht - vermutlich von 1964 - macht die Geliebte zu einer antiken Göttin und erweitert den Gedichtraum zur revolutionären Epoche. Auch die anderen Gedichte variieren die bekannten Themen Nerudas, die Liebe, die Landschaft und Natur Chiles, den tätigen Menschen und dessen Handwerk - auch das Handwerk des Dichters.
Das siebte Gedicht liest sich als Brief an einen jungen Kollegen. Doch der Adressat ist kein ratsuchender Novize wie in Rilkes berühmten Briefen an Franz Xaver Kappus, sondern der junge Mann, der Neruda selbst war. Diesem einstigen Ich verleiht der Dichter die Figur eines Heizers und beschwört ihn, ein guter und ehrlicher Arbeiter zu sein: "Vergiss nicht die Deinen / oder die Erde, / werde hart / gehe / über die spitzen Steine / und kehre zurück."
Das klingt wie ein Motto für alle Poesie, die Neruda schrieb, so auch für die nachgelassenen Gedichte. Nr. 18 ist ein Hymnus auf die menschlichen Berufe. Zu Beginn steht wiederum der Heizer und zum Schluss - quasi als krönende Synthese - die Frau: "Meine Frau kommt, Stille herrscht / und der Schlaf kreist wieder um die Welt." Man kann die Rolle der Frau in Nerudas Poesie gar nicht überschätzen. Sie übersteigt noch die Thematik von Kommunismus und Befreiung, und selbst Nerudas zeitweilige Begeisterung für die sowjetische Eroberung des "unbelebten Himmels" ist von seiner Bewunderung des Weiblichen durchtränkt. In einer Rede hat der Dichter es drastisch formuliert und mit Blick auf die "schöne Kosmonautin Walentina" formuliert, die Reisen in den Kosmos seien nicht vollständig gewesen, bevor eine Frau hinauf und wieder zurückgeflogen sei. Sagen wir also, alle Gedichte Nerudas sind im Grunde Liebesgedichte.
HARALD HARTUNG
Pablo Neruda:
"Dich suchte ich". Nachgelassene Gedichte.
Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Luchterhand Literaturverlag. München 2017. 139 S., Abb., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gedichte aus dem Nachlass von Pablo Neruda
1952, vermutlich auf dem Rückflug von Europa nach Uruguay, schreibt Pablo Neruda ein Gedicht auf die Menükarte, ein Liebesgedicht. Es spricht vom roten Blitz des Haars der Geliebten und beteuert (in deutscher Übersetzung): "Du und ich, wir sind die Erde mit ihren Früchten." Großzügig taucht das Gedicht die Nähe der Liebenden in ein weltumspannendes Pathos. Man meint die Freundin und Muse dicht neben dem schreibenden Dichter sitzen zu sehen. Das ist nicht abwegig, da sich auf der Menükarte auch noch die folgende Notiz findet: "Am 29. Dezember 1952 - 11 Uhr morgens - in 3500 Metern Höhe fliegend - zwischen Recife und Río Janeiro". Sie trägt die Handschrift Matilde Urrutias. Matilde war seit 1946 die Geliebte und Muse Nerudas und seit 1955 seine Frau. Sie war es auch, die des Dichters Nachlass ordnete, ehe sie selbst 1985 starb, zwölf Jahre nach Nerudas Tod.
Als in späteren Jahren die Fundación Pablo Neruda sich daranmachte, die Originalmanuskripte und Typoskripte vollständig zu katalogisieren, zeigte es sich, dass der Witwe eine Reihe von Gedichten entgangen war. Diese Texte wurden 2014 von der Fundación publiziert und sind jetzt in der Übersetzung Susanne Langes in einem schön gemachten Band vereinigt. "Dich suchte ich" enthält sechs Liebesgedichte und fünfzehn weitere Poesien, in denen der Eros Nerudas sich an anderen Themen abarbeitet.
Die wiedergefundenen Gedichte reichen von den frühen fünfziger Jahren bis in die Zeit kurz vor dem Tod des Dichters 1973. Sie wurden in Schulhefte und auf Schreibblöcke geschrieben, aber auch auf Speisekarten und Konzertprogramme. Manches ist handschriftlich durchkorrigiert, anderes zeigt nur minimale Eingriffe. Der Leser kann das auf gut zwanzig brauntonigen Faksimiles nachvollziehen, soweit er die Originale zu entziffern vermag. Manchmal wäre der spanische Klartext hilfreich gewesen.
Natürlich kreisen alle Liebesgedichte um Matilde. Gleich das erste nennt sie beim Namen und rühmt "die Küsse, die dein Mund mich lehrte". Das vierte Gedicht - vermutlich von 1964 - macht die Geliebte zu einer antiken Göttin und erweitert den Gedichtraum zur revolutionären Epoche. Auch die anderen Gedichte variieren die bekannten Themen Nerudas, die Liebe, die Landschaft und Natur Chiles, den tätigen Menschen und dessen Handwerk - auch das Handwerk des Dichters.
Das siebte Gedicht liest sich als Brief an einen jungen Kollegen. Doch der Adressat ist kein ratsuchender Novize wie in Rilkes berühmten Briefen an Franz Xaver Kappus, sondern der junge Mann, der Neruda selbst war. Diesem einstigen Ich verleiht der Dichter die Figur eines Heizers und beschwört ihn, ein guter und ehrlicher Arbeiter zu sein: "Vergiss nicht die Deinen / oder die Erde, / werde hart / gehe / über die spitzen Steine / und kehre zurück."
Das klingt wie ein Motto für alle Poesie, die Neruda schrieb, so auch für die nachgelassenen Gedichte. Nr. 18 ist ein Hymnus auf die menschlichen Berufe. Zu Beginn steht wiederum der Heizer und zum Schluss - quasi als krönende Synthese - die Frau: "Meine Frau kommt, Stille herrscht / und der Schlaf kreist wieder um die Welt." Man kann die Rolle der Frau in Nerudas Poesie gar nicht überschätzen. Sie übersteigt noch die Thematik von Kommunismus und Befreiung, und selbst Nerudas zeitweilige Begeisterung für die sowjetische Eroberung des "unbelebten Himmels" ist von seiner Bewunderung des Weiblichen durchtränkt. In einer Rede hat der Dichter es drastisch formuliert und mit Blick auf die "schöne Kosmonautin Walentina" formuliert, die Reisen in den Kosmos seien nicht vollständig gewesen, bevor eine Frau hinauf und wieder zurückgeflogen sei. Sagen wir also, alle Gedichte Nerudas sind im Grunde Liebesgedichte.
HARALD HARTUNG
Pablo Neruda:
"Dich suchte ich". Nachgelassene Gedichte.
Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Luchterhand Literaturverlag. München 2017. 139 S., Abb., geb., 18,- [Euro].
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»Eine gelungene Auswahl an Gedichten: Wir erkennen den großen Meister wieder; seine poetisch-epische Sprachgewalt, reich an Metaphern, Bildern und Allegorien, lernen wir einmal mehr schätzen.« Ute Evers / Neues Deutschland