Die Abenteuer des Huckleberry Finn (im Original Adventures of Huckleberry Finn) ist der erfolgreichste Roman von Mark Twain und gilt als Schlüsselwerk der US-amerikanischen Literatur. Erzähler ist Huck Finn selbst. Mark Twain simuliert die Perspektive und die Sprache eines Jungen, der seiner Zeit und seiner Umwelt verhaftet ist, sie aber auch in Frage stellt. Der Roman beginnt in Missouri am Ufer des Mississippi River in der fiktiven Stadt St. Petersburg, die dem Ort Hannibal nachempfunden ist, wo Mark Twain aufwuchs. Er spielt irgendwann zwischen 1835 (als das erste Dampfschiff den Mississippi befuhr) und 1845. Zwei junge Burschen, dem Waisenkind Tom Sawyer und Huckleberry Finn, sind durch frühere Abenteuer zu einer beträchtlichen Geldsumme, jeweils 6000 Dollar, gekommen. Huck stand zu Anfang unter der Vormundschaft der Witwe Douglas, die zusammen mit ihrer Schwester Miss Watson versuchte, ihn zu "zivilisieren". Huck freut sich über ihre Bemühungen, findet aber zivilisiertes Leben zu beschränkt. Am Anfang der Geschichte erscheint kurz Tom Sawyer und hilft Huck nachts bei seiner Flucht aus dem Haus, vorbei an Miss Watsons Sklaven Jim, der später eine wichtige Rolle spielen wird.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2003Magst du tote Ratten gern, Becky Thatcher?
Eigentlich ist die Sache klar: Ein Strich teilt die Schiefertafel auf dem Pult von Tom Sawyer und Joe Harper in zwei Hälften, und die Zecke, die hilflos auf der Tafel herumirrt, ist immer dem Jungen ausgeliefert, dessen Seite sie durchquert. Doch Joe spielt falsch; er stupst das Tier jedesmal mit einer Stecknadel an, wenn es in Toms Bereich überwechseln will. Und weil der Kampf um die Zecke die Aufmerksamkeit der Jungen völlig absorbiert, kommt die geballte Wut des Lehrers über die beiden Freunde, unerwartet wie ein Meteorit.
Zuvor war lange vom "schläfrigsten aller Tage" die Rede, vom "einlullenden Gesumm der fünfundzwanzig lernenden Schüler", so unerträglich, daß Tom sich wünscht, "irgend etwas Interessantes unternehmen zu können, damit die eintönige Zeit verginge". Denn das ist die Grundströmung, die den Erzählfluß dieses Romans antreibt, die ihn einfärbt und ihm seinen eigenen, unverwechselbaren Ton verleiht: Es ist das Leiden am Ereignislosen und der unbedingte Drang, den gleichmäßigen Ablauf des Lebens zu durchbrechen, ein Verlangen, das dem ganzen Südstaatenstädtchen auf die eine oder andere Weise zu eigen ist, niemandem aber so sehr wie Tom Sawyer.
Wunderliche Blüten treibt dieses Leiden. Es macht die Bevölkerung - oder wenigstens Tom und seine Freunde - für einige Tage zu Gottsuchern, zu Schatzgräbern, zu Piraten, zu Zaungästen der eigenen Beerdigung oder später zu Befreiern eines längst aus der Sklaverei entlassenen Farbigen. Toms Verlobung mit Becky Thatcher, eingeleitet durch einen bezaubernden Liebesdialog ("Magst du Ratten gern? Ich meine tote, die man mit einer Schnur um den Kopf schwingt"), ist Abenteuer und Zuneigung zugleich, und Mark Twains Schilderung dieser elementaren Aufregung vor dem Hintergrund des endlos heißen Sommers teilt sich sofort und unmittelbar mit.
"Tom Sawyers Abenteuer" und "Huckleberry Finns Abenteuer" sind bei Diogenes in einer schmucken Ausgabe erschienen, zwei Bände im Schuber, hinreißend illustriert von Tatjana Hauptmann. Die Übersetzung ist altbekannt und bisweilen etwas staubig, die Bilder atmen dafür eine zeitlose Frische, die sich wesentlich aus dem festen Vorsatz der Zeichnerin speist, sich nirgendwo anzubiedern: nicht bei den Erwachsenen, die solche schönen Bücher verschenken, und nicht bei den vermeintlichen Vorlieben der jugendlichen Leser. Mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie Twain behandelt sie die Einwohner des Städtchens, und wenn sie die Kinder als schmutzstarrende, anmutige Wesen zeichnet, liegt darin ein Vermögen, das jede einzelne Illustration zu einem Albumblatt der Sehnsucht macht: nach einem Sommer voller Sensationen.
TILMAN SPRECKELSEN.
Mark Twain: "Tom Sawyers Abenteuer". "Huckleberry Finns Abenteuer". Aus dem Amerikanischen von Lore Krüger. Illustriert von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag, Zürich 2002. Zwei Bände im Schuber, 816 S., geb., 26,90 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eigentlich ist die Sache klar: Ein Strich teilt die Schiefertafel auf dem Pult von Tom Sawyer und Joe Harper in zwei Hälften, und die Zecke, die hilflos auf der Tafel herumirrt, ist immer dem Jungen ausgeliefert, dessen Seite sie durchquert. Doch Joe spielt falsch; er stupst das Tier jedesmal mit einer Stecknadel an, wenn es in Toms Bereich überwechseln will. Und weil der Kampf um die Zecke die Aufmerksamkeit der Jungen völlig absorbiert, kommt die geballte Wut des Lehrers über die beiden Freunde, unerwartet wie ein Meteorit.
Zuvor war lange vom "schläfrigsten aller Tage" die Rede, vom "einlullenden Gesumm der fünfundzwanzig lernenden Schüler", so unerträglich, daß Tom sich wünscht, "irgend etwas Interessantes unternehmen zu können, damit die eintönige Zeit verginge". Denn das ist die Grundströmung, die den Erzählfluß dieses Romans antreibt, die ihn einfärbt und ihm seinen eigenen, unverwechselbaren Ton verleiht: Es ist das Leiden am Ereignislosen und der unbedingte Drang, den gleichmäßigen Ablauf des Lebens zu durchbrechen, ein Verlangen, das dem ganzen Südstaatenstädtchen auf die eine oder andere Weise zu eigen ist, niemandem aber so sehr wie Tom Sawyer.
Wunderliche Blüten treibt dieses Leiden. Es macht die Bevölkerung - oder wenigstens Tom und seine Freunde - für einige Tage zu Gottsuchern, zu Schatzgräbern, zu Piraten, zu Zaungästen der eigenen Beerdigung oder später zu Befreiern eines längst aus der Sklaverei entlassenen Farbigen. Toms Verlobung mit Becky Thatcher, eingeleitet durch einen bezaubernden Liebesdialog ("Magst du Ratten gern? Ich meine tote, die man mit einer Schnur um den Kopf schwingt"), ist Abenteuer und Zuneigung zugleich, und Mark Twains Schilderung dieser elementaren Aufregung vor dem Hintergrund des endlos heißen Sommers teilt sich sofort und unmittelbar mit.
"Tom Sawyers Abenteuer" und "Huckleberry Finns Abenteuer" sind bei Diogenes in einer schmucken Ausgabe erschienen, zwei Bände im Schuber, hinreißend illustriert von Tatjana Hauptmann. Die Übersetzung ist altbekannt und bisweilen etwas staubig, die Bilder atmen dafür eine zeitlose Frische, die sich wesentlich aus dem festen Vorsatz der Zeichnerin speist, sich nirgendwo anzubiedern: nicht bei den Erwachsenen, die solche schönen Bücher verschenken, und nicht bei den vermeintlichen Vorlieben der jugendlichen Leser. Mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie Twain behandelt sie die Einwohner des Städtchens, und wenn sie die Kinder als schmutzstarrende, anmutige Wesen zeichnet, liegt darin ein Vermögen, das jede einzelne Illustration zu einem Albumblatt der Sehnsucht macht: nach einem Sommer voller Sensationen.
TILMAN SPRECKELSEN.
Mark Twain: "Tom Sawyers Abenteuer". "Huckleberry Finns Abenteuer". Aus dem Amerikanischen von Lore Krüger. Illustriert von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag, Zürich 2002. Zwei Bände im Schuber, 816 S., geb., 26,90 [Euro]. Ab 10 J.
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"Überzeugt durch sehr gute Sprecher und klug eingesetzte Geräusch-Effekte." DIE RHEINPFALZ