Die Ökologie ist das Signum unseres Zeitalters. Joachim Radkaus grandiose Darstellung lässt die neue Ära in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit und globalen Bedeutung erfahrbar werden. Zwar lässt er auch die fernen Ursprünge im 18. und 19. Jahrhundert nicht außer Acht, konzentriert sich im Wesentlichen jedoch auf die letzten vierzig Jahre. Das Buch berichtet über ausschlaggebende Ereignisse und Erfahrungen wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl genauso wie über den Mythos des deutschen «Waldsterbens» und beleuchtet die Zusammenhänge mit anderen politischen und kulturellen Strömungen. Es erzählt sowohl von spiritueller Suche und herausragenden Momenten als auch von Institutionalisierung und Bürokratisierung. Es porträtiert zentrale Initiativen wie Friends of the Earth oder Greenpeace und charismatische Vorkämpferinnen wie Rachel Carson, Petra Kelly und die Chinesin Dai Qing. Überhaupt zeigt Joachim Radkau, welch zentrale Rolle und beinahe mythisches Potential Frauen in der Umweltbewegung zukommt.
Radkau schreibt zwar aus innerer Verbundenheit und viel eigener Erfahrung mit der Umweltbewegung, hält wo nötig jedoch auch kritische Distanz. So wird klar: Trotz manch bizarrer Episoden ist die Umweltbewegung die neue, wahre Aufklärung unseres Zeitalters; die fließende Vielfalt und immer neue Vernetzung der Motive unterscheidet sie von allen früheren großen Bewegungen der Geschichte.
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Joachim Radkau schreibt eine faszinierende Weltgeschichte der Ökologie
Als Anfang der 70er Jahre die ersten "Umwelt"-Initiativen allenthalben wie Pilze aus dem Boden schossen, da wusste Joachim Radkau: "Das ist meine Bewegung."
Der Eingebung von damals ist der Historiker Radkau, Jahrgang 1943 und generationenmäßig eher ein Achtundsechziger, bis heute akademisch treu geblieben. Sein Buch über "Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft" von 1983 ist längst ein Klassiker: Darin zeichnet Radkau den überraschenden Wechsel der Deutschen von der Atombegeisterung ("Unser Freund das Atom") zur Anti-AKW-Bewegung ("Atomkraft Nein danke") nach, ein Wandel der Weltanschauungen, der aus heiterem Himmel Jahre vor Harrisburg und Tschernobyl einsetzte.
Jetzt hat Radkau - fast möchte man sagen: pünktlich vor Fukushima - die Weltgeschichte der Ökologie geschrieben. Unbeabsichtigt ist ihm damit das Buch dieses Frühjahrs geglückt. Die "grüne Aufklärung", das ist seine Hoffnung, ist die Emanzipationsbewegung unserer Generation. Gerade weil Radkau mit der Umweltbewegung sympathisiert, hat er sich das nötige Maß an kritischer Distanz erhalten: Fanatikerinnen und Charismatikerinnen von Petra Kelly bis Rachel Carson (Öko zog immer schon die Frauen an) sind dem Autor, der auch eine berühmte Max-Weber-Biographie geschrieben hat, nicht geheuer. Der romantische Mythos der Deutschen, der immer schon Tier-, Wald- und Blumenschützer produzierte, bleibt ihm suspekt.
ank.
Joachim Radkau: Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte. Verlag C.H. Beck München, 29,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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