Die Titelgeber in Christine Lehmanns neuem Buch „Die Affen von Cannstatt“ findet man in der Wilhelma, dem Stuttgarter Zoo. Und Stuttgart und Umgebung ist üblicherweise Handlungsort für ihre Kriminalromane mit Lisa Nerz, ihrer Hauptfigur. Dem Handlungsort bleibt Lehmann im Wesentlichen treu, auch
wenn in diesem besonderen Fall Gotteszell, die JVA in Schwäbisch Gmünd, dazukommt. Nicht jedoch der…mehrDie Titelgeber in Christine Lehmanns neuem Buch „Die Affen von Cannstatt“ findet man in der Wilhelma, dem Stuttgarter Zoo. Und Stuttgart und Umgebung ist üblicherweise Handlungsort für ihre Kriminalromane mit Lisa Nerz, ihrer Hauptfigur. Dem Handlungsort bleibt Lehmann im Wesentlichen treu, auch wenn in diesem besonderen Fall Gotteszell, die JVA in Schwäbisch Gmünd, dazukommt. Nicht jedoch der Protagonistin, denn Lisa Nerz spielt hier nur eine Nebenrolle.
Die Hauptfigur hingegen ist Camilla Feh, eine ehemalige Studentin der Soziologie, die sich im Zuge ihres Studiums mit Bonobos, einer Schimpansenart, beschäftigt und deren Verhalten in der Wilhelma beobachtet und analysiert hat. Und eben in dieses Menschenaffenhaus wird Camillas Freund Tim eines Morgens halb zerfleischt und tot aufgefunden. Sie gerät unter Verdacht, hat sie sich doch erst vor kurzem von ihm getrennt, wird verhaftet und nach Gotteszell in Untersuchungshaft gebracht.
Hier lässt die Autorin die junge Frau zum einen über ihre aktuelle Situation als Gefängnisinsassin und somit Eingesperrte reflektieren, und die Gedanken dazu in einem Tagebuch niederschreiben. Zum anderen arbeitet Camilla, die mutterseelenallein auf der Welt ist und niemanden hat, dem daran gelegen ist, ihre Unschuld zu beweisen, an einem Schriftstück, der „Verteidigung Camilla Feh“. Sie hofft, auf diese Art und Weise Zugang zu verschütteten Erinnerungen zu bekommen, die sie schlussendlich entlasten könnten.
Diese beiden Zeitebenen lassen sich dank der unterschiedlichen Schriftarten sehr gut auseinanderhalten, wobei sie sich aber mit fortschreitender Handlung immer mehr verzahnen und die eine Erklärungsansätze für die andere liefert und umgekehrt – wobei ich mir aber während der Lektüre wiederholt die Frage gestellt habe, ob bei der Protagonistin diese Fähigkeit der Selbsterkenntnis überhaupt vorhanden ist. Sie kann zwar äußerst kenntnisreich tierisches Verhalten analysieren, scheint mir aber große Defizite im emotionalen Bereich zu haben und war mir auch nicht sonderlich sympathisch.
Nichtsdestotrotz hat Christine Lehmann einen spannenden, mit unglaublich interessanten Fakten gespickten Kriminalroman geschrieben, der einmal mehr zeigt, dass die Beobachtung tierischen Verhaltens zwar Denkanstöße liefern kann, aber sich nicht immer dazu eignet, auf menschliches Verhalten übertragen zu werden.