Als im Juli 2021 weltweit die ersten Berichte über die Spionagesoftware Pegasus erschienen, ließ sich das Ausmaß des Angriffs auf Privatsphäre, Pressefreiheit und Demokratie nur erahnen. Einmal auf dem Smartphone installiert, übernimmt die Spyware des israelischen Überwachungssoftwareherstellers NSO
die Kontrolle über das betroffene Smartphone und überwindet geräteinterne Sicherheitshürden,…mehrAls im Juli 2021 weltweit die ersten Berichte über die Spionagesoftware Pegasus erschienen, ließ sich das Ausmaß des Angriffs auf Privatsphäre, Pressefreiheit und Demokratie nur erahnen. Einmal auf dem Smartphone installiert, übernimmt die Spyware des israelischen Überwachungssoftwareherstellers NSO die Kontrolle über das betroffene Smartphone und überwindet geräteinterne Sicherheitshürden, inklusive Verschlüsselungstechniken. Das gilt für jede ein- und ausgehende Text- oder Sprachkommunikation, für Standortdaten, Fotos und Videos und Suchverläufe, selbst die Kamera und Mikrofon können für den Nutzer unbemerkt aktiviert werden. Dabei ist die Überwachungssoftware kaum zu entdecken. Über Sicherheitslücken gelangt sie unbemerkt und ohne einen Klick des Users auf das Smartphone– der digitale „heilige Gral“.
„Die Akte Pegasus“ wirft einen Blick hinter die Kulissen des Pegasus-Projekts. Geschrieben wurde es von den beiden Investigativjournalisten Laurent Richard und Sandrine Rigaud von der Non-Profit-Organisation Forbidden Stories, die Zugang zu einer geleakten Liste mit 50.000 Handynummern erhielten. Mit dieser Liste in der Hand initiierten und koordinierten sie die internationale Zusammenarbeit von mehr als 80 Investigativjournalisten von 17 Medienhäusern auf 4 Kontinenten, aus 11 Zeitzonen und in 8 verschiedenen Sprachen.
Ihr Bericht umfasst nicht nur die riskante und spannende Recherche selbst, sondern auch die Geschichte des Unternehmens NSO und seiner Kunden. Obwohl NSO immer wieder beteuert, seine Software nur an souveräne Staaten zur Strafverfolgung und für geheimdienstliche Zwecke zu lizenzieren, gelang es den Journalisten durch aufwändige forensische Untersuchungen, den Missbrauch durch einige der repressivsten und autoritärsten Regime der Welt nachzuweisen.
Das Buch erzählt aber auch die Geschichte der Opfer von Pegasus, angefangen bei den unzähligen Journalisten, über Staatsoberhäupter, Mitglieder von Königshäusern, Spitzenpolitiker bis hin zu Oppositionellen, Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten.
Die Berichte geben auch einen guten Einblick in die Arbeitsweise der Journalisten. Mit einer Geschichte, die nur auf einer zugespielten Liste basierte, mussten sie deren Bedeutung verstehen, interpretieren, Zusammenhänge erkennen und andere Medienunternehmen weltweit für eine koordinierte Zusammenarbeit begeistern. Die Autoren schildern, wie organisatorische Probleme und inhaltliche Differenzen überwunden wurden und wie es gelang, das Projekt bis zum Veröffentlichungstag am 18. Juli 2021 geheim zu halten.
Auch wenn die Veröffentlichungen weltweit für Aufsehen und Entsetzen sorgten, hat sich seitdem wenig geändert, wie Laurent Richard im Nachwort ernüchternd feststellt: „In den achtzehn Monaten seit der Veröffentlichung des Pegasus-Projekts hat es eine Unmenge von Lippenbekenntnissen, aber sehr wenige konkrete Maßnahmen zur Regulierung gegeben. […] Die schlimmsten Überwachungsstaaten – Aserbaidschan, Vereinigte Arabische Emirate, Marokko, Ruanda, Saudi-Arabien – haben kaum oder gar keine Konsequenzen zu spüren bekommen“.
Die „Akte Pegasus“ ist spannend wie ein Thriller und gibt einen guten Einblick in die Recherchearbeit von Investigativjournalisten. Der Leser erfährt aus erster Hand, was sich hinter sich der Überwachungssoftware Pegasus verbirgt, wer die Opfer und Auftraggeber sind und welche Gefahren von der als militärische Waffe eingestuften NSO-Spyware ausgehen. Glücklicherweise ist der Text komplett genderfrei und liest sich daher angenehm flüssig und sehr verständlich.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)