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Für den Tisch Die Alpen, wie wir sie kennen, sind im Begriff zu verschwinden. So lautet, stark verkürzt, die Botschaft zweier Bücher, die soeben erschienen sind und die Verfallsgeschichte illustrieren. Werner Bätzing, emeritierter Professor für Kulturgeographie, widmet sich in seinem Buch dem "Verschwinden einer Kulturlandschaft". Der Bildband mit wissenschaftlichen Begleittexten befasst sich zunächst allgemein mit Natur und Kultur des Gebirges, um sich dann seiner Modernisierung und Zukunft zu widmen. Massentourismus, Verstädterung und Klimawandel, "dessen Auswirkungen in den Alpen deutlicher zu sehen sind als in vielen anderen Teilen Europas", wie Bätzing schreibt, verändern die Alpen - und wenn man die gegenübergestellten Aufnahmen des Gepatschferners im österreichischen Kaunertal sieht, dann hat man dazu keine weiteren Fragen. Ein Foto aus dem Jahr 1904 zeigt einen riesigen Eisstrom, eines aus dem Jahr 2017 nur noch ein klägliches grauweißes Etwas in einer zerfurchten Kraterlandschaft. Und trotz dieses drastischen Kontrasts bewertet Bätzing "die Verstädterung der Tallagen" als die größte und chaotischste aller Veränderungen. Neue Gewerbegebiete in den alpinen Ballungszentren haben für ihn mehr Auswirkung auf das Bild der Alpen als schmelzende Gletscher auf 3000 Meter. "Die traditionellen Kulturlandschaften", schreibt Bätzing, "verschwinden durch Entsiedelung und durch Zersiedelung, und das, was vom Menschen in den Alpen übrig bleibt", seien austauschbare Formen, "die sich bestenfalls graduell von denen der europäischen Metropolen unterscheiden". Die Heidi-Alm-Romantik, die man als gestresster Großstädter noch immer mit den Alpen verbindet, verwandelt sich mehr und mehr in eine Billig-Einkaufzentren-Architektur. Bätzing schreibt: "Die Realität der Alpen und das ,Alpenbild im Kopf' fallen hier besonders weit auseinander."
Und ganz im Gegensatz zu den überbevölkerten Tälern ziehen sich Menschen "aus peripheren Lagen" mehr und mehr zurück. Diese, laut Bätzing, "Entvölkerung der Hochlagen" ist der Schlüssel zum zweiten alpinen Dekadenzbuch, dem Bildband "Geisterhäuser. Verlassene Orte in den Alpen". Er folgt dem Trend zur Begeisterung für "lost places" und inszeniert auf großformatigen Fotos verfallende Grandhotels, Wildbäder und Casinos, Staudämme, Grenzhäuschen, Minen, Militäranlagen und leerstehende Dörfer in ihrer ganzen destruktiven Pracht. Wenn das nicht alles so wunderschön aussehen würde, könnte man richtig traurig werden. Oder, um es mit Werner Bätzings erschütterndem Fazit zu sagen: "Die Alpen werden bestenfalls noch als Kulisse, Hindernis oder Störfall wahrgenommen."
asl
Werner Bätzing: "Die Alpen. Das Verschwinden einer Kulturlandschaft". Wbg Theiss, 216 Seiten, 38 Euro Stefan Hefele / Eugen E. Hüsler: "Geisterhäuser. Verlassene Orte in den Alpen". Bruckmann, 240 Seiten, 49,99 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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"Spannend und lehrreich." Bergliteratur.ch, 6. Mai 2015