Reinholds Antwort auf die legendäre Frage des Pilatus «Was ist die Wahrheit?» zielt systematisch auf eine Absage an traditionelle Definitionen der Wahrheit als Übereinstimmung von Vorstellung und Gegenstand sowie an spekulative Formen der ontologischen Wahrheitstheorie. In Abgrenzung vom Paradigma des intentionalen Vorstellens soll Übereinstimmung als prüfende Selbstdarstellung eines als wahr behaupteten Sachverhalts gedacht werden. Von daher wird eine Namenserklärung der Wahrheit ausformuliert, bei welcher der Gedanke der «Uebereinstimmung des Seyns mit sich selbst» den Leitfaden bildet. Reinhold argumentiert in kriteriologischer Hinsicht dafür, Stufen des Anschauens und Wahrnehmens, Begreifens und Sprechens ebenso zu berücksichtigen wie das Systemwissen im Bereich der erkennenden und moralischen Vernunft. Reinhold befasst sich außerdem mit psychologischen Kriterien wie der Kultivierung des Wahrheitsgefühls und zieht religionsphilosophische Konsequenzen aus seinem Wahrheitsverständnis.