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Riccardo Bavaj schlägt erstmals analytische Schneisen in das kaum entwirrbar erscheinende Dickicht, als das sich das Verhältnis von Nationalsozialismus und Moderne darstellt. Die Einsicht in den ambivalenten Charakter der Moderne leitet seine Bilanz, die alle einschlägigen Aspekte der Modernisierungsdiskussion im Zusammenhang mit der Geschichte des "Dritten Reiches" berücksichtigt: so etwa das Konzept der "Volksgemeinschaft", die Sozialpolitik, die soziale Basis der NSDAP, die Familienpolitik und die Stellung der Frau im "Dritten Reich", die Wirtschafts- und Rüstungspolitik, die Entwicklung…mehr

Produktbeschreibung
Riccardo Bavaj schlägt erstmals analytische Schneisen in das kaum entwirrbar erscheinende Dickicht, als das sich das Verhältnis von Nationalsozialismus und Moderne darstellt. Die Einsicht in den ambivalenten Charakter der Moderne leitet seine Bilanz, die alle einschlägigen Aspekte der Modernisierungsdiskussion im Zusammenhang mit der Geschichte des "Dritten Reiches" berücksichtigt: so etwa das Konzept der "Volksgemeinschaft", die Sozialpolitik, die soziale Basis der NSDAP, die Familienpolitik und die Stellung der Frau im "Dritten Reich", die Wirtschafts- und Rüstungspolitik, die Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Umwelt, von Kunst, Kultur, Städte- und Wohnungsbau und schließlich die Rassenpolitik.

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Autorenporträt
Riccardo Bavaj, geboren 1976, ist Hochschuldozent für europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität von St. Andrews.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein wenig zwiespältig findet Rezensent Jürgen Elvert diesen Band, in dem sich Ricardo Bavaj mit modernen Elementen im Nationalsozialismus befasst. Nach Elverts Einschätzung ist sich Bavaj seiner Sache, der These von der Moderne des Nationalsozialismus, letztlich doch nicht ganz sicher. Eine Unsicherheit, die nach Elvert nicht neu ist, stritten doch schon vor 15 Jahren Historiker über die Anwendbarkeit des Modernisierungstopos auf den Nationalsozialismus. Jedenfalls hält er Bavaj zu Gute, dass er über 1.500 Studien und Arbeiten über die Deutung des Nationalsozialismus, vorwiegend aus den letzten beiden Jahrzehnten, ordnet und im Kontext der Entwicklung des Wissenschaftsdiskurses nach 1945 präsentiert. "Bavaj erörtert die verschiedenen Positionen und Lager angemessen und ausgewogen", lobt Elvert in diesem Zusammenhang. Allerdings taugt die hilfreiche Präsentation seines Erachtens kaum dazu, "die Relevanz der Modernisierungsthese im fachwissenschaftlichen Diskurs zu ändern", schließlich fänden sowohl Anhänger als auch Gegner der Modernisierungsthese reichlich Argumente für ihre jeweiligen Positionen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2004

Vorwärts oder rückwärts?
Moderne Elemente im Nationalsozialismus / Von Jürgen Elvert

Kann man einen europäischen Staat des 20. Jahrhunderts, dessen führende Vertreter ernsthaft darüber nachdachten, Teile seiner Außengrenzen durch Wehrdörfer - ähnlich der mittelalterlichen Marken - schützen zu wollen, tatsächlich als "in seinem Kern ausgesprochen vorwärtsgewandt und zukunftsgerichtet" bezeichnen? Wurde dieser moderne Kern wirklich nur von einem archaisch anmutenden antimodernen Schimmer umgeben? Riccardo Bavaj jedenfalls kommt zu diesem Schluß, ohne sich seiner Sache ganz sicher zu sein. So bezeichnet er den Nationalsozialismus zugleich als den "Entwurf einer anderen Moderne", der seine extremen Energien aus der Spannung zwischen technisch-modernistischer Lust an allem Machbaren und der gleichzeitigen Mythologisierung des angeblich Althergebrachten bezogen habe.

Die Unsicherheit über die Anwendbarkeit des Modernisierungstopos auf den Nationalsozialismus ist keineswegs neu, sondern hatte schon vor etwa 15 Jahren zu teilweise heftigen Diskussionen in der "Zunft" geführt. Schließlich wollten manche Anhänger der Modernisierungsthese der NSDAP sogar so etwas wie den Charakter einer Volkspartei attestieren, andere sahen die nichtadeligen Wehrmachtsoffiziere als Vorläufer des "Staatsbürgers in Uniform", jenes Soldatentyps also, von dem man zuvor geglaubt hatte, daß er im Umfeld der Aufstellung der Bundeswehr in den frühen fünfziger Jahren erfunden worden sei. Solche und andere Deutungsmuster gingen den Gegnern der Modernisierungsthese entschieden zu weit, weil sie ihrer Meinung nach Dinge miteinander in Beziehung setzten, die entweder in völlig verschiedenen zeitlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen oder aber in Auseinandersetzung miteinander entstanden waren.

Um seine Thesen zu stützen, hat Bavaj mehr als 1500 Titel geordnet, die vorwiegend aus den vergangenen beiden Jahrzehnten stammen. Sein Material umfaßt Studien zur Deutung des Nationalsozialismus ebenso wie Arbeiten, die sich mit verschiedenen Aspekten der Geschichte des "Dritten Reiches" auseinandersetzen. Die Reflexionen über das Wesen des Nationalsozialismus werden im Kontext der Entwicklung des Wissenschaftsdiskurses nach 1945 präsentiert, wobei der Modernisierungstopos als Merkmal der jüngsten Forschungsdiskussion erscheint. Bavaj erörtert die verschiedenen Positionen und Lager angemessen und ausgewogen. Kritisch angemerkt sei nur, daß die Tendenzen zur Behandlung der Zwischenkriegszeit als einer Einheit - wie in jüngster Zeit mehrfach erfolgreich erprobt - nicht hinreichend als Alternative thematisiert werden.

So hilfreich die Präsentation der unterschiedlichen Standpunkte für eine rasche Orientierung in der Forschungslandschaft ist, taugt sie jedoch kaum dazu, die Relevanz der Modernisierungsthese im fachwissenschaftlichen Diskurs zu ändern. Kritiker wie Anhänger werden viele Argumente zur Bestätigung ihrer jeweiligen Standorte finden und deshalb keine Veranlassung sehen, diese zu überprüfen. Somit bleibt die Moderne im Nationalsozialismus auch weiterhin zumindest ambivalent.

Riccardo Bavaj: "Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus". Eine Bilanz der Forschung. R. Oldenbourg Verlag, München 2003. 276 S., 39,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Es gibt viele gute Gründe, dieses Buch zu lesen. Es ist kurz, es beschreibt präzise den historischen Wissensstand und es konzentriert sich im Angesicht unüberschaubarer Literatur auf eine Frage, die fast wie ein roter Faden die Debatte der Experten durchzieht: Welche modernen bzw. antimodernen Züge trug das 'Dritte Reich'?" Michael Fröhlich in: Das Historisch-Politische Buch, Heft 1/2005