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Lagos im Januar 1976. Am Rande einer Vernissage lernt Remi Lawal die Amerikanerin Frances Cooke kennen, die nach Nigeria gekommen ist, um Perlen zu kaufen. Die Frauen freunden sich an, obwohl Remis Ehemann Tunde dagegen ist: Er hat Frances im Verdacht, eine Spionin zu sein. Angesichts des kalten Krieges und der politischen Lage Nigerias ist sein Argwohn weniger überspannt, als es scheint. Doch Remi führt Frances freimütig in die nigerianische Upperclass mit ihren Eitelkeiten, Intrigen und Eheproblemen ein. Feinsinnig, mit Witz und Ironie reflektiert Remi ihre persönliche, die gesellschaftliche…mehr

Produktbeschreibung
Lagos im Januar 1976. Am Rande einer Vernissage lernt Remi Lawal die Amerikanerin Frances Cooke kennen, die nach Nigeria gekommen ist, um Perlen zu kaufen. Die Frauen freunden sich an, obwohl Remis Ehemann Tunde dagegen ist: Er hat Frances im Verdacht, eine Spionin zu sein. Angesichts des kalten Krieges und der politischen Lage Nigerias ist sein Argwohn weniger überspannt, als es scheint. Doch Remi führt Frances freimütig in die nigerianische Upperclass mit ihren Eitelkeiten, Intrigen und Eheproblemen ein. Feinsinnig, mit Witz und Ironie reflektiert Remi ihre persönliche, die gesellschaftliche und politische Situation Nigerias. Frances dagegen, die unabhängige Amerikanerin, bleibt rätselhaft, und irgendwann schleicht sich Misstrauen auch bei Remi ein.
Autorenporträt
Sefi Atta, geboren 1964 in Lagos, Nigeria, absolvierte ihre Ausbildung in Nigeria, England und den USA und studierte Creative Writing in Los Angeles. Ihre Kurzgeschichten und Hörspiele wurden vielfach ausgezeichnet. Ihr Roman Everything good will come wurde mit dem Wole Soyinka Price for African Literature prämiert. Sefi Atta unterrichtet an der Mississippi State University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2019

Countdown zur Katastrophe
Lauter unzuverlässige Erzähler in Nigeria: Sefi Atta hat Besuch aus Amerika

"Du brauchst mir nicht zu glauben", sagt Remi zu ihrer neuen Freundin. "Es gibt ungefähr so viele Versionen davon, was passiert ist, wie es Nigerianer gibt." Sie meint den Biafra-Krieg, in dem die Igbo Ende der sechziger Jahre erfolglos für ihre Unabhängigkeit kämpften, sowie die daran anschließenden Jahre der Unruhen und Putsche in Nigeria. Grundsätzlich trifft ihre Beobachtung aber genauso gut auf Ehekrisen zu, auf Eifersüchteleien unter Freundinnen, auf Kleinkriege unter Hausangestellten und einander misstrauenden Nachbarn. Im neuen Buch von Sefi Atta, die für ihr Romandebüt "Everything Good Will Come" (2005) mit dem Wole-Soyinka-Preis ausgezeichnet wurde, dem panafrikanischen Pendant zum Literaturnobelpreis, gibt es all das.

Remi Lawal kommt aus dem teuersten Viertel von Lagos, ist verheiratet und Besitzerin eines Geschäfts für edle Grußkarten; sie hat zwei Kinder und mehrere Angestellte. An Frances, einer Amerikanerin, die nach Nigeria gekommen ist, um Perlen zu kaufen, und die sie auf einer mittelmäßigen Vernissage kennenlernt, schätzt sie all das Gegensätzliche, vor allem ihre Ungebundenheit. Nur Remis Ehemann Tunde hält Frances für eine Spionin der CIA. Ein Mitte der siebziger Jahre nicht einmal aus der Luft gegriffener Verdacht in Nigeria, einem der zahlreichen afrikanischen Nebenschauplätze des Kalten Krieges. Noch dazu geäußert von einem kürzlich von höchster Ebene entlassenen Staatsbeamten.

"Die amerikanische Freundin" ist vielleicht unter allen je verfassten Spionagethrillern der denkbar antiklimaktischste. Denn die 1964 in Lagos geborene Sefi Atta wechselt mit bemerkenswerter Leichtigkeit mitten im Satz die Genreregister. Besuche und Gespräche ereignen sich, aber Dialoge sind für die Autorin selten von Interesse. Nur gelegentlich verfolgt sie Streitgespräche und Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen zwischen Figuren, die ständig um die eigenen Standpunkte kreisen - anstatt gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Ausführlich lässt Remi lieber Hintergründe über die verschiedenen Figuren in ihren Gedankenstrom einfließen, über ihre eigene Geschichte, die politische und gesellschaftliche Situation in Nigeria, die Verhältnisse unter den Ethnien, den Yoruba, Igbo und Hausa. Spannung entwickelt Atta also weniger auf der Handlungsebene als mit Hilfe ihrer Sprache und des dramaturgischen Konzepts. Die kurzen Kapitel, überschrieben mit aufeinanderfolgenden Daten von Januar bis März 1976, entwickeln den hypnotischen Sog eines Countdowns, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine Katastrophe zusteuert.

Tundes Befürchtungen nisten sich irgendwann auch bei Remi ein. Atta schmuggelt diese langsam, doch stetig wachsende Paranoia geschickt zwischen die Zeilen. Sie lässt ihre grüblerische Ich-Erzählerin Remi alle Möglichkeiten so lange im Kopf durchspielen, bis alles und nichts mehr plausibel erscheint. Bis man ihre Zuverlässigkeit selbst in Frage stellt. Schließlich entzieht sich Remi durch ihre Beobachterposition selbst ihrer Umgebung ein Stück weit, denkt und agiert wie eine Kulturanthropologin.

Der Originaltitel des Buchs verdeutlicht diese Ambivalenz gelungener als der deutsche: "The Bead Collector", die "Perlensammlerin", das kann sich auf die Amerikanerin ebenso beziehen wie auf Remi selbst, die Informationen sammelt und aneinanderreiht wie Dutzende Perlen auf einer langen Schnur. Anhand dieser hochintelligenten Konstellation verbindet Sefi Atta Gedanken zur Rolle der Frau in der Gesellschaft mit Überlegungen zum Post- und Neokolonialismus, zum klaffenden Spalt zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Insbesondere das Verhältnis zwischen Nigeria und den Vereinigten Staaten treibt Remi, ausgelöst durch die sich um ihre Freundin rankenden Gerüchte, um: "Ich hatte immer den Eindruck gehabt, Amerikaner hätten Zugang zu allen Informationen der Welt, wüssten aber gleichzeitig so gut wie nichts über den Rest der Welt, sodass sie selbstbewusst und unsicher zugleich wären", sinniert sie an einer Stelle. "Ausländer bezeichneten die Nigerianer gern als arrogant, ich dagegen hatte in Lagos einen schockierenden Mangel an Selbstvertrauen beobachtet. Unsere Geschichte war größtenteils nicht schriftlich festgehalten und von Lücken geprägt, und wir hatten keine Ahnung, wie wir uns selbst regieren sollten."

In ebenjene Lücken stößt Sefi Atta mit ihrem Sittenbild vor, beschreibt ein Ordnungssystem komplexer Verflechtungen auf privater und politischer Ebene, das ebenso störanfällig ist wie das Stromnetz der nigerianischen Metropole Lagos.

KATRIN DOERKSEN.

Sefi Atta: "Die amerikanische Freundin". Roman.

Aus dem Englischen von Simone Jakob. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2019. 400 S., geb., 26.- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Almut Seiler-Dietrich hat mit Sefi Attas neuem Roman "Die amerikanische Freundin" vielleicht nicht den stärksten Roman der nigerianischen Schriftstellerin gelesen, durchaus aber einen empfehlenswerten. Die Kritikerin liest hier die 1976 spielenden Geschichte um die Bankiersgattin Remi, die auf einer Vernissage eine reiche Amerikanerin kennenlernt und diese in die nigerianische Elite einführt. Wie Atta die High Society Nigerias zeichnet, fast "satirisch überspitzt", um schließlich unter die Oberfläche zu schauen, hat der Rezensentin gut gefallen. Dass die Figuren ein wenig fremd bleiben und der Roman gelegentlich etwas "traktathaft" wirkt, findet sie allerdings schade.

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