„Die Aosawa Morde“ von Riku Onda, laut Klappentext der ungewöhnlichste Spannungsroman, den man je gelesen habe, ein Meisterwerk aus Japan, entpuppte sich in der Tat als ein Buch, das in keiner Weise so konzipiert ist wie die sonst üblichen Kriminalromane.
Worum geht es?
Die reiche Familie Aosawa
veranstaltet ein großes Fest, bei dem siebzehn Menschen an einer Zyanidvergiftung sterben, nur die…mehr„Die Aosawa Morde“ von Riku Onda, laut Klappentext der ungewöhnlichste Spannungsroman, den man je gelesen habe, ein Meisterwerk aus Japan, entpuppte sich in der Tat als ein Buch, das in keiner Weise so konzipiert ist wie die sonst üblichen Kriminalromane.
Worum geht es?
Die reiche Familie Aosawa veranstaltet ein großes Fest, bei dem siebzehn Menschen an einer Zyanidvergiftung sterben, nur die blinde Tochter überlebt; sie hatte nicht davon getrunken. Der Getränkelieferant begeht kurz darauf Selbstmord, er gilt als der Täter, der Fall als abgeschlossen, obwohl sein Motiv unklar blieb. Jahre später verfasst eine Studentin ein Buch über den Fall, basierend auf Interviews, auf den Erinnerungen damals involvierter Menschen. Jahre nach Erscheinen des Buches beginnt die Suche nach der Wahrheit aufs Neue.
Der Schreibstil ist ungewöhnlich, denn als Leser mutiert man in den meisten Kapiteln zum unsichtbaren Interviewpartner bzw. Zuhörer eines Dialogs, bei dem man nur die Antworten auf imaginäre Fragen erfährt. Es dauert eine Weile, bis man sich hineinfindet in diesen Stil, doch sprachlich ist es klar und gut verständlich. Mit den Kapiteln wechseln die Personen, die jeweils aus ihrer Perspektive und aus ihrer Erinnerung die Vorkommnisse vor oder nach dem Mord schildern. Der Satz „Die Wahrheit ist nichts anderes als ein Gegenstand, der aus einer bestimmten Perspektive betrachtet wird“ gewinnt, je länger man liest, immer mehr an Bedeutung. Denn die verschiedenen Sichtweisen und Beobachtungen öffnen stets neue Blickrichtungen. Vieles wiederholt sich scheinbar und ist doch nicht dasselbe. Man muss konzentriert lesen, um alle Details zu erfassen. Zudem entwickelt sich die Handlung nicht chronologisch, sondern wechselt zwischen Szenen zum Zeitpunkt des Mordes bis in die Gegenwart. In kleinen Puzzleteilchen gestaltet sich von Kapitel zu Kapitel ein Bild von den Geschehnissen. Es gestaltet sich ein Bild – aber ist es die Wahrheit?
Das Buch fesselt nicht durch Action oder bedrohliche Situationen, auch wenn manches düster und mysteriös erscheint. Die ruhige Erzählweise, es sind durchwegs Rückblenden, treibt den Leser dennoch vorwärts, in dem Streben nach der Lösung des Rätsels, der Erklärung, nach dem Motiv – nach der Wahrheit!
Mit hinein verwoben erfährt man viel über die japanische Kultur. Die Schilderungen des Umfelds, der Landschaften, des städtischen Lebens, des Wetters, aber auch der Kluft zwischen Arm und Reich, fand ich sehr interessant. Allerdings habe ich mich auch gefragt, ob nicht manche Feinheiten durch die Übersetzung verloren gingen.
Die Charaktere der involvierten Personen, vom blinden Mädchen angefangen über die Autorin, den Ermittler, den Täter usw. sind sehr eingehend ausgearbeitet. Mit jedem Kapitel, mit jeder Aussage lernt man sie besser kennen und verstehen, erfährt man über ihr Umfeld, ihr Schicksal und ihren Bezug zu den Morden.
„Die Aosawa Morde“ empfand ich als ein Buch, dem man sich voll widmen muss, es ist keine Literatur für zwischendurch. Es hat mich fasziniert und ich fand es auch spannend, aber ich bevorzuge Krimis mit eindeutiger Lösung. Die Frage nach der Wahrheit wurde mir nicht schlüssig beantwortet. Ein Wermutstropfen. Aber abgesehen von dieser rein subjektiven Empfindung ist es ein auf nicht alltägliche Art und Weise packendes Buch!