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Was treiben die Russen auf dem Mond? Der ehemalige Astronaut Chris Hadfield hat einen Thriller über eine Apollo-Mission verfasst. Kann das gut gehen?
Ein Kampfpilot kollidiert in seinem Jet mit einer Möwe, verliert dabei ein Auge und muss daher aus dem Astronautenprogramm der NASA ausscheiden. Dafür wird er Verbindungsoffizier zur Mannschaft von Apollo 18, die am 16. April 1973 zum Mond aufbricht und auf deren Mission sich bald technisch wie menschlich abenteuerliche Dinge zutragen. Sehr viel mehr Auskünfte kann man über die Handlung in Chris Hadfields "Die Apollo-Morde" spoilerfrei nicht geben. Das ist schon einmal kein schlechtes Anzeichen für das Ausmaß an Lesespaß bei diesem Debütroman. Dessen Titel allerdings führt in die Irre. Das ist nicht die Schuld der Übersetzung. Die ist - von der falschen Wiedergabe eines waffentechnischen Fachworts einmal abgesehen - gut gelungen. Nein, auch im Original sind es "The Apollo Murders". Doch im juristischen Sinne gemordet wird hier nur ein einziges Mal, und auch sonst ist die Geschichte keineswegs ein Whodunnit, sondern ein klassischer Thriller.
Zugleich ist das Buch ein historischer Roman, angesiedelt in der Zeit des Kalten Krieges. Sein Personal besteht zur Hälfte aus Leuten, die es wirklich gegeben hat - von Richard Nixon über den Mondastronauten Alan Shepard und den legendären Flugdirektor Gene Kranz bis zum damaligen Sheriff von Harris County. Allerdings tun auch die nicht fiktiven Personen hier lauter fiktive Dinge, denn diese Historie ist kontrafaktisch: Sie spinnt eine Zeitlinie, in der einer der gestrichenen Apollo-Starts zum Mond doch noch stattfindet. Wie die tatsächlich geflogenen Missionen Apollo 11 bis 17 war auch Apollo 18 als zivile Expedition ausgelegt gewesen. Im Roman aber wird sie mit Geld der Air Force durchgeführt und hat einen geheimen militärischen Auftrag. Er gilt der Spionage-Raumstation Almaz sowie dem Mondrover Lunochod, beides reale sowjetische Weltraumprojekte. Auch die für die Handlung nicht ganz unwichtige Bordkanone der Almaz gab es tatsächlich.
Und dann wäre da die Person des Autors. Chris Hadfield war Kampfflieger der kanadischen Luftwaffe, Testpilot und als Astronaut dreimal im All. Zuletzt kommandierte er 2013 für zwei Monate die Internationale Raumstation ISS. Allerdings ist er ein Astronaut mit Sondertalenten. Während heute alle Raumfahrer zur Aktivität in den sozialen Medien angehalten sind, war der Kanadier hier seinerzeit so erfolgreich, dass man sich noch heute daran erinnert, insbesondere an seine Auftritte als Musiker an Bord der ISS. Seine dort aufgenommene Coverversion von David Bowies "Space Oddity" wurde auf Youtube mehr als 51 Millionen Mal aufgerufen.
Bücher hat Hadfield auch schon veröffentlicht, nur eben noch keine Romane. Auch für solche ist es meist besser, wenn ihre Autoren sie in Milieus ansiedeln, von denen sie etwas verstehen. Bei einem so technologielastigen Sujet wie der Raumfahrt kann das aber schnell zu einer Unterordnung von Dramaturgie und Psychologie unter die Liebe zum ingenieurwissenschaftlich korrekten Detail führen. Dieser frönt Hadfield allerdings und, insbesondere im ersten Drittel seines Buches, mehr, als vielen Lesern lieb sein dürfte. Dann aber nimmt die Handlung richtig Fahrt auf, und Sachbeschreibungen betreffen nun weniger irgendwelche Flughardware als die Freuden und Leiden eines Aufenthalts im Weltraum. Hier macht Hadfield von seinen Fachkenntnissen und persönlichen Erlebnissen als Astronaut optimalen Gebrauch.
Als Meister der Erschaffung psychologisch tiefer Figuren versucht er sich indes nicht, was man ihm nachsehen kann - schlechter als viele andere Thriller-Autoren ist er auch nicht. Wichtiger ist ohnehin, dass er sich bei der politischen Logik des Handlungsrahmens nicht verheddert - oder mit seiner personalen Erzähltechnik, die mitunter im Takt der Absätze die Perspektive wechselt. Das bekommt Chris Hadfield aber alles halbwegs unfallfrei hin und trägt den Leser durch einen spannenden Plot. Der mag für Militärfachleute - und am Ende vielleicht auch für Raumfahrtmediziner - nur von begrenztem Realismus sein. Aber für alle, die sich vorstellen könnten, einmal als Weltraumtourist in eine von Elon Musks Kapseln zu steigen, ist es ein aufregendes Vergnügen. Vielleicht aber wird sich der eine oder andere danach überlegen, ob er oder sie wirklich ins All will. ULF VON RAUCHHAUPT
Chris Hadfield: "Die Apollo-Morde". Thriller.
Aus dem Englischen von Charlotte Lungstrass-Kapfer.
dtv Verlag, München 2022. 640 S., br., 12,95.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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