Wer kennt das nicht, wenn eine unangenehme Aufgabe vor einem liegt, schiebt man sie gern vor sich her.
Es ist Samstagmorgen und N.s Frau ist gerade nach langer Krankheit gestorben, doch N. hat etliche Fehlstunden und geht zunächst ins Büro, obwohl er sich um eine Grabstätte, einen Sarg und die
Trauerfeier kümmern müsste.
Schon am missbilligenden Ton seiner Schwägerin, die ihn per Telefon…mehrWer kennt das nicht, wenn eine unangenehme Aufgabe vor einem liegt, schiebt man sie gern vor sich her.
Es ist Samstagmorgen und N.s Frau ist gerade nach langer Krankheit gestorben, doch N. hat etliche Fehlstunden und geht zunächst ins Büro, obwohl er sich um eine Grabstätte, einen Sarg und die Trauerfeier kümmern müsste.
Schon am missbilligenden Ton seiner Schwägerin, die ihn per Telefon antreibt, spürt man, dass N. es ihr wahrscheinlich nicht recht machen kann – egal, was er tut. Und so folgen wir Leser*innen ihm nicht nur seinen abwägenden Gedanken, sondern in die nächste Kneipe, wo ihm sein Bekannter Simón helfen soll, einen günstigen Sarg aufzutreiben. Doch allein die Kosten des Whiskeys sind N. zu hoch und er überlegt, wo er ihn günstiger bekommt. Er könnte ja noch schnell einen mit Tomás trinken, und dabei fällt ihm ein, dass der Leichnam seiner Frau auch noch aufgebahrt werden muss. Ob das nicht die Kleinen Schwestern der Armen für lau machen könnten?
»Und dann fielen ihm die Kirche und der Priester ein. Es gab so viel zu tun. Es war ein einziger Spießrutenlauf, und jede ausgestreckte Hand musste mit Geld geschmiert werden.« S.11
Doch Geld hat er bald keins mehr, denn ihm wird die Brieftasche gestohlen und die letzten Pence verliert er auf der Rennbahn. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf, denn mit jeder Stunde, die vergeht, wird es schwieriger, nach Hause zurückzukehren – wenn nicht sogar unmöglich.
Jetzt stellt sich die Frage: Was macht es für Lesende interessant, einem Menschen beim Prokrastinieren zuzusehen? Denn Handlung wird man in dieser Geschichte fast vergeblich suchen. Und ich habe mich ehrlich gesagt auch etwas schwergetan, brauchte mehrere Anläufe, um das Buch zu beenden. Aber Ó Cadhain hat es immer wieder geschafft, mich zurückzuziehen.
Und hier lag wohl auch die Kunst – es ist eine so anschauliche, zuweilen traurige Charakterstudie auf hohem Niveau. Ganz im melancholisch humorvollen Tenor, der der irischen Literatur eigen ist, vermittelt der Autor einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt eines einfachen Mannes, den nichts anderes plagt, als auch uns in manchen Stunden. Ist es nicht allzu menschlich, sich nicht mit dem Thema Tod und Trauer beschäftigen zu wollen?
Ich schwankte oft zwischen dem Wunsch, ihn zu schütteln und zu sagen: »Jetzt mach doch endlich mal« und tiefem Verständnis für seine Situation, die durch seine Mitmenschen angefacht und befeuert wird. Auch mir waren seine Ausreden, seine Gedanken nicht fremd, die ihn immer wieder die Dinge verzögern ließen. Nun ja, da wäre ja noch das Thema mit dem »freien Willen«.
Ich denke, dass es kein Werk für jedermann ist, man sollte schon bereit sein, wirren, abstrusen Gedankengängen zu folgen. Aber dafür wird mit auch mit der Auflösung belohnt, ob N. seine Frau unter die Erde bekommt oder nicht.