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Von Schriftstellern, die das Schreiben aufgegeben haben Schriftsteller wollen immer schreiben, denkt man. Doch es gibt Ausnahmen: Dichter, die das Schreiben aufgegeben haben. Warum? Und wie kommen sie damit zurecht? Hölderlin z.B. verlor den Verstand, Philip Larkin verglich die Leere im Schädel mit der Glatze darauf und ging zur Tagesordnung über. Ulrich Horstmann hat sich die Strategien der beherzten Entdramatisierung und der gewitzten Katastrophenbewältigung angesehen und schildert pointiert, wie Autoren von Swinburne, Rimbaud, Walser, Beckett, Koeppen bis zu Hildesheimer ausprobierten, ob und wie sich ganz im Stillen leben lässt.…mehr

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Produktbeschreibung
Von Schriftstellern, die das Schreiben aufgegeben haben Schriftsteller wollen immer schreiben, denkt man. Doch es gibt Ausnahmen: Dichter, die das Schreiben aufgegeben haben. Warum? Und wie kommen sie damit zurecht? Hölderlin z.B. verlor den Verstand, Philip Larkin verglich die Leere im Schädel mit der Glatze darauf und ging zur Tagesordnung über. Ulrich Horstmann hat sich die Strategien der beherzten Entdramatisierung und der gewitzten Katastrophenbewältigung angesehen und schildert pointiert, wie Autoren von Swinburne, Rimbaud, Walser, Beckett, Koeppen bis zu Hildesheimer ausprobierten, ob und wie sich ganz im Stillen leben lässt.

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Autorenporträt
Ulrich Horstmann ist Professor für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Gießen. Er hat zahlreiche wissenschaftliche und literarische Bücher veröffentlicht und wurde 1988 mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2009

Dieses Nixtun muss man erst einmal hinkriegen

Strategien des Verstummens: Ulrich Horstmann betrachtet den literarischen Bankrott als Kunstform und untersucht die Eloquenz des Schweigens in der modernen Literatur.

Das Stichwort kam von George Steiner. In seinem Aufsatz "Silence and the Poet" deutet er das selbstverordnete Schweigen der Artikuliertesten als Phänomen der Moderne, erstmals verkörpert in ihren poetischen Propheten Hölderlin und Rimbaud. Von dieser Anregung ausgehend, entwirft Ulrich Horstmann eine Porträtgalerie literarischer Laufbahn-Abbrecher, um in ihren höchst unterschiedlichen künstlerischen Physiognomien nach einer verborgenen Familienähnlichkeit zu forschen. Das Ergebnis ist ein originelles Kapitel vergleichender Literaturgeschichte.

Als Präludium wird der Chronik all dieser Irrenhäusler, Alkoholiker, Selbstmörder, Spiegelfechter und sonstigen schöpferisch Blockierten ein scheinbar ganz anders gelagerter Fall aus einer anderen Kunstsparte vorangestellt - der Fall Rossini. Die Fakten sind bekannt: Nach vierzig Opern, auf der Höhe seines Ruhmes, zieht sich der Komponist für die verbleibenden fast vierzig Jahre ins Privatleben zurück, als Bonvivant und Ruheständler der Muse. Gewiss, dieser Ruhestand mag weniger kulinarisch gewesen sein als sein Mythos, aber für Horstmanns Komparatistik des Scheiterns zählt im Hinblick auf das Folgende vor allem die Geste einer "Entpathetisierung" des künstlerischen Abdankens, die "Selbstdämpfung der tragischen Potentiale".

Als versierter Essayist und Aphoristiker in Sachen Melancholie liebt Horstmann das Paradoxon, ein zugleich erkenntnisförderndes und ironische Distanz schaffendes Stilmittel. Wie also, wenn man in der vermeintlichen Katastrophe der Scheiternden Spuren eines inneren Gelingens, eine besondere Eloquenz des Verstummens entdeckte? Die Probe aufs Exempel macht das Auftaktkapitel über drei als geistesgestört hospitalisierte Autoren: Hölderlin, den englischen "Bauerndichter" John Clare und Robert Walser. Von der Außenwelt und ihrer dort zu spielenden Rolle überfordert, wird ihnen die eigene Ausgrenzung zum Asyl. Ihre Entmündigung macht sie nicht mundtot; gegen die Ansprüche des Marktes an den Autor erfinden sie Strategien der Selbstverkleinerung - siehe Walsers Winzlingsschrift - und Harlekinsmaskeraden. In gelegentlichen Nachrichten aus der Anstalt klingt John Clare wie Hölderlin aus dem Turm in seiner Maske als geistig minderbemittelter Scardanelli.

Die Spielformen der Verweigerung sind unterschiedlich radikal. Von Rimbauds "Merde pour la poésie" über Swinburnes Abtauchen in den Alkohol bis zu Ambrose Bierce' kunstvollem Arrangement des eigenen Verschwindens reicht die Palette; Becketts neues, nobelpreiswürdiges "Erfolgsrezept ostentativen Misslingens", das ein immer neues Misslingen des ersehnten Verstummens einschließt, wird angemessen gewürdigt. Doch die besondere Sympathie des Autors gilt den drei letzten Figuren seiner Galerie für ihre souveräne Nonchalance im Neinsagen: Wolfgang Koeppen, Wolfgang Hildesheimer und dem englischen Dichter Philip Larkin.

Die "Koeppenickiade" des Ersteren bestand, laut Horstmann, in der Art, wie er jahrzehntelang mit Phantomprojekten hausieren ging und dafür das "Schweigegeld" des Hauses Suhrkamp kassierte. Hildesheimer, der sich am Ende seines letzten Romans "Marbot" in Gestalt der Hauptfigur spurlos verschwinden lässt (so wie Bierce zuvor im sogenannten wirklichen Leben), und Larkin, der "aus einem Milieu kultureller Hypertrophie lässig zurücktritt in den schalltoten Raum", sind die wahren Helden des Buches.

Die beiden treten im Zenit ihrer literarischen Laufbahn ab, so gentlemanlike wie kompromisslos, aus schlichter Unlust am Weitermachen. Zumal der von ihm selbst übersetzte Larkin gilt dem Autor als verheißungsvoller Typ des Schriftstellers, dessen sparsamer Arbeitsstil ebenso vorbildlich erscheint wie "die souveräne Manier, mit der er die Hände in den Schoß legt". Die bis zur Misanthropie reichende melancholische Befindlichkeit seiner Modelle des Verstummens, die eine Flucht in den Alkohol ebenso wenig ausschließt wie apokalyptischen Pessimismus, wird dabei nicht ausgeblendet, wohl aber aus taktischen Gründen unterbelichtet. Die Heiterkeit des Aufhörens hat ihren Preis.

Die Weigerung der Koeppen, Hildesheimer und Larkin, Entbehrliches zu Papier zu bringen, ihr Widerstand gegen den Druck des Marktes, ihre tiefe Welt- und Betriebsskepsis findet den einvernehmlichen Chronisten in Ulrich Horstmann, dem Freund skeptischer Pointierung. Als komischen Heiligen der Sezession ins Abseits feiert er jenen Gottlieb Theodor Pilz aus Hildesheimers "Lieblosen Legenden", der sich durch die Förderung der Nichtexistenz von Werken um die Kultur verdient gemacht hat. Freilich, wie uralt die Klage über die ewig anschwellende substanzlose Bücherflut ist, muss man dem Autor nicht eigens sagen. Schließlich hat er selbst Burtons "Anatomie der Melancholie" übersetzt, in der wir lesen: "Es ist wahr, vielen juckt ihr literarisches Fell, und das Bücherschreiben nimmt kein Ende, besonders in unseren Kritzelzeiten, in denen die Druckerzeugnisse Legion sind ...", gefolgt von dem entwaffnenden Nachsatz: "Ich selbst bin in dieser Beziehung keine Ausnahme." Der Angeklagte ist geständig.

WERNER VON KOPPENFELS

Ulrich Horstmann: "Die Aufgabe der Literatur oder Wie Schriftsteller lernten, das Verstummen zu überleben". Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2009. 271 S., br., 12,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Andreas Langenbacher will sich gar nicht lange mit den Einwänden aufhalten, die man gegen diesen Essay erheben könnte. Dass Ulrich Horstmann sein Sujet mit manchmal recht gewagten Strichen hervorhebt, verzeiht er ihm gern. Denn hier schreibt jemand leidenschaftlich und dennoch konzise. Es geht um die Schriftsteller, die eines Tages nicht mehr schreiben konnten oder nicht mehr wollten und also die Literatur aufgaben, mal unter Schmerzen, mal selbstbewusst, als erklärtes Finito oder umkämpftes Finale. Horstmann, berichtet Rezensent Langenbacher weiter, beginnt mit den entmündigten Hölderlin, Robert Walser und John Clare, fährt fort mit Rimbaud und  dem trunksüchtigen Swinburne (wobei er Wert darauf legt, dass dieser nicht einmal im Delirium tremens seine Sprache verlor, sehr wohl aber bei der Entziehungskur), und kommt schließlich Laura Riding Jackson, Salinger, Koeppen und Hildesheimer. Hier, freut sich Langenbacher über diese Fortschreibung der "Philosophie der Menschenflucht", erweist sich einer als prospektiver Schwarzseher.

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Ein so lehr- wie pointenreiches Buch NZZ am Sonntag 201002