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  • Format: ePub

Die globale Auslandsaufklärung ist das Kerngeschäft des BND. Dabei geht es zum einen darum, frühzeitig Aufschluss über die geheimen Absichten und Fähigkeiten möglicher Gegner zu erlangen, zum anderen darum, verdeckte Operationen auszuführen, um Einfluss zu nehmen. In der Zeit bis 1968 standen diese Tätigkeiten ganz im Zeichen der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West. Gestützt auf bislang unzugängliche Quellen aus dem BND-Archiv untersucht dieser Band, wie gut der Nachrichtendienst in jener Zeit für seine Aufgaben gerüstet war, was konkret von ihm verlangt wurde und wie erfolgreich er bei der…mehr

Produktbeschreibung
Die globale Auslandsaufklärung ist das Kerngeschäft des BND. Dabei geht es zum einen darum, frühzeitig Aufschluss über die geheimen Absichten und Fähigkeiten möglicher Gegner zu erlangen, zum anderen darum, verdeckte Operationen auszuführen, um Einfluss zu nehmen. In der Zeit bis 1968 standen diese Tätigkeiten ganz im Zeichen der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West. Gestützt auf bislang unzugängliche Quellen aus dem BND-Archiv untersucht dieser Band, wie gut der Nachrichtendienst in jener Zeit für seine Aufgaben gerüstet war, was konkret von ihm verlangt wurde und wie erfolgreich er bei der Umsetzung war. Aufschluss geben Fallbeispiele zur Sowjetunion, Südosteuropa, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika. (Band 13 der Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945-1968)
Autorenporträt
Wolfgang Krieger, Jahrgang 1947, ist Universitätsprofessor für Neuere Geschichte. Er war Fellow in Oxford und Harvard, lehrte in München und Marburg sowie als Gastprofessor in Bologna, Princeton, Toronto und Paris. Er ist Mitglied im International Institute for Strategic Studies (London), Mitbegründer der International Intelligence History Association und gehört dem »Conseil scientifique« für Militärgeschichte des französischen Verteidigungsministeriums an. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte der internationalen Beziehungen sowie zur Geschichte von geheimen Nachrichtendiensten.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Helmut Müller-Enbergs vermerkt, dass der von Wolfgang Krieger herausgegebene Band zur Auslandsaufklärung des BND keine Bombe zündet. Wenn der Herausgeber und einige seiner Projektleiter das auch feststellen, fragt er sich schon, warum das umfangreiche Buch überhaupt in der Reihe der Unabhängigen Historikerkommission erscheint. Immerhin: Einen Forschungsanfang kann der Rezensent erkennen, wenn für die Jahre 1946 bis 1968 Bulgarien, Syrien, Ägypten und Lateinamerika in den Blick genommen werden. Dass die USA und Westeuropa im Buch ausdrücklich nicht vorkommen, ebensowenig der jüngere Forschungsstand, kann Müller-Enbergs dennoch nicht recht verstehen. Was allerdings Holger Meding für die BND-Tätigkeiten in Lateinamerika im Band analytisch leistet, findet der Rezensent höchst respektabel.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2021

"Amtlich bestätigt"
Die Geschichte der Spionage des Bundesnachrichtendienstes

Nahezu zum 65. Geburtstag des Bundesnachrichtendienstes (BND) und seines Vorgängers legt die Unabhängige Historikerkommission (UHK) nach zehnjähriger Arbeit ihren 13., den entscheidenden Band vor: eine Analyse zum Grad der Frische und Qualität von politischen, wissenschaftlichen und militärischen Informationen aus dem Ausland, ihrer Wirkungsmächtigkeit für die Bundesregierung und ihrer Herkunft. Die herausragenden Arbeiten zur operativen Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik (durch Ronny Heidenreich) und in der Bundesrepublik (Klaus-Dietmar Henke) ließen nun den großen "Wumms" erwarten. Die Spionagefrüchte des Auslandsnachrichtendienstes in den ersten zwei Jahrzehnten nach seinem Entstehen im Licht wissenschaftlicher Forschung: Allein schon der Umfang des nun vorliegenden Buches ist ein beachtliches Versprechen.

Nachvollziehbar ist gleichwohl die eingangs vom Herausgeber Wolfgang Krieger (Marburg), einem der vier Grandseigneure der UHK, vorgenommene Einschränkung, wonach es "leider nicht möglich" gewesen sei, "die gesamte Auslandsaufklärung des BND darzustellen", wofür "weder die Zeit noch die personellen Ressourcen" (bei sechs Autoren) ausgereicht hätten, und folglich die Konzentration auf "Feldern" - also Staaten - gelegen habe, die "besonders wichtig und ertragreich erschienen". Zudem ist der Forschungsgegenstand ohnehin auf die Jahre von 1946 bis 1968 limitiert.

Unter den gewichtigen Staaten zählt nach Angaben des Herausgebers wesentlich die operative Arbeit des BND in Bulgarien, das für die Jahre von 1956 an bis 1968 von Andreas Hilger (Moskau) und Sabrina Nowack (Marburg) als Fallbeispiel für Südosteuropa aufbereitet wurde. Tilman Lüdke (Freiburg) versucht die operative Arbeit im Nahen Osten am Beispiel Ägyptens und Syriens zu beschreiben. Ferner das Feld Lateinamerika, das von Holger M. Meding (Köln) überwiegend ab 1954 an Argentinien, Brasilien, Ecuador, Guatemala, Kuba, Uruguay und Venezuela unter analytischem Blick gestellt wird. Diese Beiträge dominieren den Band, und es fällt schwer, diese Staaten allein als Hotspots während des Kalten Krieges anzunehmen. Selbst die bedingte Souveränität Deutschlands lässt doch ein Regierungsinteresse an nachrichtendienstlich erhobenem Wissen über Vorstellungen von "Freunden" und "Feinden" in London, Moskau, Paris, Peking oder Washington annehmen. Tatsächlich nahmen die USA und die Staaten Westeuropas in den Analysen des BND - "Lageberichte West" genannt - "den größten Raum ein", ausgerechnet aber nicht in diesem Buch, in dem überdies der Forschungsstand der letzten Jahre keinen Eingang gefunden hat.

Gerade der Beitrag von Meding offenbart eine Schlüsselfrage zur Erforschung der Geschichte der Nachrichtendienste: Legitimerweise prüfte der BND auch sein Manuskript auf den Schutz von Informanten, Methoden, Partnerdiensten und des Staatswohls. Ergebnis: Es galt im Ergebnis "zu gut zwei Dritteln als nicht freigabefähig" - zunächst, denn dann lenkte man teilweise ein. So durfte das "Spannendste der bundesdeutschen Lateinamerikaaufklärung aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht offengelegt werden. Nicht einmal der Deckname kann hier genannt werden", heißt es auf Seite 678.

Aber: "Besonders schwer zu begreifen", vermerkt Krieger, sind "Informationen, die nicht freigegeben werden, obwohl sie bereits öffentlich im Umlauf sind". Die Nachrichtendienste "behaupten, die Freigabe einer solchen Information käme einer amtlichen Bestätigung ihrer Richtigkeit gleich". Das tangiert eine Schlüsselfrage unabhängiger Forschung! Wie aber dann damit umgehen?

Medings Kampf um die Wissenschaftsfreiheit mag ihn selbst ermüdet haben, doch belohnt er die Leser mit einer vorbildlichen Einbettung der einzelnen Entwicklungen in die Forschungsliteratur unter Einschluss einer breiten Aktenbasis aus verschiedenen Archiven. Chapeau! Und anders als in anderen Kapiteln des Bandes widmet er sich dem, worum es geht: den Ergebnissen und der Nutzung nachrichtendienstlich gewonnener Erkenntnisse. Mit Blick auf entsprechende Zugänge konnte so bereits 1955 der entstehende BND durch eigenes operatives Aufkommen auf den zunehmenden sowjetischen Einfluss in Lateinamerika hinweisen, "der zu der Annahme zwingt, dass sich dort ein neuer Schauplatz des Kalten Krieges vorbereitet". Wie auch das differenzierende Bild des BND zu Fidel Castro in Kuba, der aus sowjetischer Sicht ein "besonders großer Unsicherheitsfaktor" sein würde. Der BND wusste von den Guerilla-Aktivitäten unter Che Guevara in Bolivien oder von den seit 1959 bestehenden "Volksfronttendenzen" in Chile.

Eine andere Strategie verfolgte offenkundig Hilger in Angelegenheiten Südosteuropas, die im Unterschied zu etwa denen in Lateinamerika nachrichtendienstlich ungleich schwerer zu bearbeiten waren. Es gilt auch hier, was Richard Helms von der CIA über die Sowjetunion erklärte. Die Werbung relevanter nachrichtendienstlicher Quellen sei (dort) "so irreal wie die Ansiedlung von Spionen auf dem Planeten Mars" - zumindest damals. Gleichwohl: Hilger schürft so viel Material aus dem BND-Archiv wie nur möglich, um es in seiner beispielgebend strukturierten Analyse der Forschung zugänglich zu machen - eben ohne dies besonders mit anderen Überlieferungen zu synthetisieren. Das wird somit weiterer Forschung vorbehalten sein, die im Ergebnis doch als kläglich anzusehende operative Arbeit des BND in Bulgarien auszuleuchten, insbesondere im Licht der Lageberichte des BND. So bleibt offen, ob nicht die Akteure der von ihm besonders herausgestellten Operation "Kassiopeia" und ihre ergiebigen Informationen nicht vom bulgarischen Nachrichtendienst gesteuert wurden. Zugängliche Akten der bulgarischen "Gauck-Behörde" wurden nicht beigezogen, obgleich im BND bekannt war: "Fast alle operationell tätigen MA der Dienststelle und ihrer Außenstellen sind feindbekannt". Und auch bei der Schlüsselfigur des BND bei der Bulgarien-Bearbeitung, Walter Kainz, die Hilger ausführlich porträtiert, hätte sich unter Beiziehung seiner (öffentlich zugänglichen) Akte des amerikanischen Nachrichtendienstes CIA die operative Arbeit in Bulgarien schon ab 1952 rekonstruieren lassen (und nicht erst ab 1956), da darin für seine "Bulgarian-Group" sogar einzelne V-Mann-Nummern angeführt sind. Überdies sind in dieser Akte auch Unterlagen des Berlin Document Centers zum SS-Obersturmführer des Reichssicherheitshauptamtes Kainz enthalten.

Einen Anfang stellt diese Untersuchung zur Auslandsspionage des BND sicherlich dar, aber bei Weitem keinen "Wumms". Das sieht vermutlich Herausgeber Krieger selbst auch so, wenn er zu dem Band lustlos feststellt: "Ein gewisser Trost mag sein, dass sich der BND gegenüber der UHK verpflichtet hat, die unveränderten Manuskripte als Verschlusssachen im Archiv des BND aufzubewahren. Sie können dort mit einer entsprechenden Genehmigung eingesehen werden." Schlimmer noch: Die anderen Projektleiter der UHK - Jost Düffler, Klaus-Dietmar Henke und Rolf-Dieter Müller - "können sich mit diesem Band nicht voll identifizieren". Warum nur ist er dann in der Reihe der UHK erschienen? So bewegt es in der 65-jährigen Geschichte des BND zuging, so bewegt scheint seine Erforschung zu sein.

HELMUT MÜLLER-ENBERGS

Wolfgang Krieger (Hrsg.): Die Auslandsaufklärung des BND. Operationen, Analysen, Netzwerke.

Ch. Links Verlag, Berlin 2021, 968 S., 80,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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