Scharfsinnig zeigt Volker Weiß die brisante Entwicklung des neuen rechten Denkens auf. Er porträtiert die wichtigsten Akteure der rechtspopulistischen Bewegungen mitsamt deren Strategien und Methoden. Eine dichte Darstellung von Geschichte und Gegenwart einer Neuen Rechten, deren Aufschwung nicht überraschend war. »Endlich eine Darstellung der deutschen Rechten, die sich nicht in billiger Polemik erschöpft, sondern gründlich, gerecht und darum vernichtend ist.« Gustav Seibt In seinem hochaktuellen Buch bietet Volker Weiß die erste tiefgehende und historisch fundierte Zeitdiagnose zu den rechtspopulistischen Phänomenen Pegida, AfD & Co. Dabei beschreibt er das vielfältige Spektrum der neuen rechten Bewegungen und untersucht die Herkunft und Vernetzung ihrer Kader. Mit seinem kenntnisreichen Blick in die deutsche Geschichte zerschlägt er die zentralen Mythen der Neuen Rechten und zeigt: Gegenwärtig werden nationalistische Strömungen der Vergangenheit, die der Nationalsozialismus verdrängt hatte, wieder aufgegriffen. Volker Weiß geht den autoritären Vorstellungen nach und veranschaulicht Übergänge von Konservativismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Zugleich demaskiert er die antiliberalen Phrasen der Rechten und ihren Gestus als »68er von rechts«. Die frappierende Erkenntnis: »Abendländer« und Islamisten sind in ihrem Kampf gegen Selbstbestimmung Waffenbrüder. Ein aufklärerisches Buch, das die Dürftigkeit der neuen Bewegungen schonungslos entlarvt und zum Kampf gegen deren autoritäre Zumutungen aufruft.
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Der Historiker Volker Weiß seziert die "Neue Rechte" und ihre Protagonisten. Und er macht deutlich, wen sie als ihren Hauptfeind ausgemacht hat.
Von Stefan Locke
Die sogenannte Neue Rechte hat es geschafft: Sie ist aus den Hinterzimmern auf die Bühnen der Republik getreten, und beim Publikum herrscht angesichts der komplizierten Gemengelage Begriffsverwirrung: Wer sind AfD, die Identitären und die Ein-Prozent-Bewegung, wie hängen Medien wie "Sezession", "Compact" und "Politically Incorrect" damit zusammen, was wollen ihre Protagonisten wie Götz Kubitschek, Michael Stürzenberger oder Björn Höcke, und worauf beziehen sie sich eigentlich?
Mit beeindruckenden Details seziert der Historiker Volker Weiß, ein ausgewiesener Kenner der neurechten Szene, diese in seinem Buch "Die Autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes". Der Hauptgegner der selbsternannten Retter des Abendlandes, und das dürfte selbst manchen ihrer Anhänger überraschen, ist nicht der Islam, ganz im Gegenteil: Die "Neue Rechte" kämpft vor allem gegen die westliche Moderne, "Dekadenz", wie sie es nennt, also das Leben mit Frauenrechten, Achtung vor Minderheiten, sexueller Selbstbestimmung, liberalen Werten.
"Der Islam ist nicht mein Feind, unser größter Feind ist die Dekadenz", bekannte der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke. Und ganz explizit formulierte es Armin Mohler: "Jede Diktatur ist verächtlich, aber verächtlicher noch ist jede Dekadenz", schrieb der verstorbene Schweizer Publizist und Apologet der "Neuen Rechten". "Eine Diktatur kann uns morgen als Individuen vernichten. Dekadenz jedoch vernichtet unsere Überlebenschancen als Volk."
Mohler sei es auch gewesen, der nach dem Zweiten Weltkrieg den Mythos der "Konservativen Revolution" erfunden habe, um der von Nationalsozialismus, Schoa und Kriegsniederlage belasteten Rechten wieder zu einer positiven Tradition zu verhelfen, schreibt Weiß. Die Distanzierung vom "Dritten Reich" und von prügelnden Neonazis, der intellektuelle Anstrich und die europäische Orientierung seien jedoch oft nur Pose, tatsächlich stehe die "Neue Rechte" in der Tradition des radikalen Antiliberalismus der Weimarer Republik, der den Nationalsozialisten zum Aufstieg verhalf. Neu an der "Neuen Rechten" sei lediglich die Zeit, nicht das Konzept. "Im Denken der Neuen Rechten haben die ,Trägervölker' mitsamt ihrer ,Kultur' in den ihnen zugehörigen ,Räumen' zu bleiben", so Weiß. In dieser Hinsicht stünden sie auch fundamentalen Islamisten in nichts nach. "Gäbe es keine Einwanderung, so wäre für sie eine Allianz mit der islamischen Welt gegen den westlichen Materialismus denkbar."
In seinem umfassenden Überblick über die Szene und Ziele der Neuen Rechten beschreibt Weiß wohltuend sachlich, nüchtern und unpolemisch deren Protagonisten sowie ihren Werdegang nach dem Krieg, als sie jahrzehntelang in Deutschland ein Nischendasein führten. Weder die Erfolge der NPD in den sechziger Jahren der Bundesrepublik noch die deutsche Einheit verhalfen ihr zu einem wahrnehmbaren Aufstieg. In Blättern wie "Criticón", dem "Sprachrohr eines bewusst antiliberalen, demokratiekritischen Konservatismus", für das auch Alexander Gauland schrieb, habe die Szene bereits in den siebziger Jahren versucht, gegen eine "verwestlichte und verweichlichte CDU" zu opponieren.
Seit der Jahrtausendwende will der Publizist Götz Kubitschek mit dem "Institut für Staatspolitik" (IfS) auf einem Rittergut im sachsen-anhaltischen Schnellroda und der Zeitschrift "Sezession" an die Tradition anknüpfen. Doch erst Thilo Sarrazin sei es mit seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" 2010 gelungen, der Szene den Weg in eine breite Öffentlichkeit zu ebnen. Das Diskutieren über "bestimmte Dinge" sei danach "einfacher geworden", befand etwa Kubitschek, der lange vergeblich auf eine "große Krise" gehofft hatte, um der "Neuen Rechten" zum Durchbruch zu verhelfen.
Dabei greift auch er immer wieder auch auf das Abendland-Motiv zurück, dem Weiß ein eigenes Kapitel widmet. Der Begriff werde "je nach Interessenlage äußerst variabel" verwendet, lautet sein Fazit. Dabei gebe es das Abendland weder geographisch noch kulturell, vielmehr sei es eine völlig unfundierte Fiktion, die zur Manipulation benutzt werde, etwa von Pegida, die es antieuropäisch und prorussisch interpretiere.
Weiß lenkt den Blick auch auf Verbindungen der "Neuen Rechten" zu autoritären Bewegungen in Frankreich, den Niederlanden, Russland sowie in den Vereinigten Staaten. Lange blickte Deutschlands "Neue Rechte" neidisch auf deren Etablierung, mit dem schnellen Erfolg der AfD aber fühle sie sich nun auch hierzulande am Ziel. Zwar sei die AfD nicht die "Neue Rechte", aber die "Neue Rechte" dominiere die Partei und sei so binnen kurzer Zeit fester Teil der tagespolitischen Auseinandersetzung geworden, schreibt der Autor. "Bislang Offiziere ohne Soldaten, schien die Neue Rechte in den ,besorgten Bürgern' die Armee gefunden zu haben, die ihnen so lange gefehlt hatte. Mit ihrem Einfluss auf die AfD verfügt sie nun über ein Instrument, um ihre politischen Vorstellungen in die Parlamente zu tragen. Teile der Gesellschaft bewegten sich auf ihre Positionen zu, ein Prozess der Normalisierung hatte begonnen."
Aufstieg und Normalisierung der "Neuen Rechten" aber, das verschweigt Weiß nicht, hätten auch mit einer eklatanten Schwäche ihrer Gegner zu tun. Dazu zähle besonders die Sprachlosigkeit gerade kritischer Milieus gegenüber dem fundamentalistischen Islam. Indem konfliktvermeidende liberale westliche Eliten ständig den Respekt vor angeblichen Traditionen und Identitäten betonten, verhinderten sie, dass etwa Übergriffe auf Frauen als Problem religiös-konservativer Gesellschaften gesehen würden, welche Migranten jedoch hinter sich lassen müssten, um in Europa eine Zukunft zu haben.
Für die Forderung an Migranten aber, das "Mittelmeer auch geistig zu überqueren", war etwa der algerische Intellektuelle Kamel Daoud von europäischen Eliten, vor allem in Frankreich, massiv angegriffen worden. Dass Machotum und Konservatismus freilich auch in der westlichen Welt existieren, zeige nicht zuletzt Donald Trumps Spruch "Grab them by the pussy!", der auch Schlachtruf eines "Taharrusch-schmaa'i"-Mobs sein könnte, schreibt Weiß. Die Fixierung der "Neuen Rechten" auf Verbrechen von Migranten wie zu Silvester 2015 in Köln entspringe auch der Trauer, selbst nicht mehr "so" sein zu dürfen, analysiert der Autor und urteilt scharf: Indem sie sich weniger an den Taten als an den fremden Tätern störe, zeige die "Neue Rechte", dass sie selbst kein anderes Menschenbild als die Täter habe. Islamische Fundamentalisten und "Neue Rechte" seien in ihrem Kampf gegen Selbstbestimmung quasi Waffenbrüder.
Noch aber gibt es im Westen vielfältige andere Lebensweisen, die rückwärtsgewandten Gesellschaftsentwürfen, wie sie die "Neuen Rechte" propagiert, den Weg versperren. Die Betonung in diesem hochaktuellen Buch liegt auf "noch".
Volker Weiß:
"Die autoritäre Revolte". Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017.
304 S., geb., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
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