Leider kein großer Gewinn für mich
Anatoli Uschomirski möchte in diesem Buch eine neue, erweiterte Perspektive auf einen der bekanntesten Texte des Neuen Testaments eröffnen: Die Bergpredigt. Denn viele vergessen oft, dass Jesus in einem jüdischen Kontext gelebt und gelehrt hat und selbst als Jude
großgezogen wurde. In seiner Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium verstecken sich viele…mehrLeider kein großer Gewinn für mich
Anatoli Uschomirski möchte in diesem Buch eine neue, erweiterte Perspektive auf einen der bekanntesten Texte des Neuen Testaments eröffnen: Die Bergpredigt. Denn viele vergessen oft, dass Jesus in einem jüdischen Kontext gelebt und gelehrt hat und selbst als Jude großgezogen wurde. In seiner Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium verstecken sich viele Anspielungen auf das Alte Testament, die oft nicht gesehen werden. Daraus ergibt sich eine oft einseitige Sicht nicht nur auf die Bergpredigt, sondern auf viele andere Texte des Neuen Testaments. Der Autor möchte keineswegs die christliche Auslegung abwerten, vielmehr möchte er sie erweitern und auch andere dazu bringen, noch besser zu verstehen, was Jesus uns eigentlich sagen wollte und was er uns heute sagen möchte.
Ich muss sagen, nach diesen großartigen Ankündigungen, sowohl hinten auf dem Buch als auch im Vorwort, war ich von dem was folgte, ziemlich enttäuscht. Da hatte ich eindeutig mehr erwartet: Mehr Überraschungen, mehr Verknüpfungen, die ich noch nicht kannte, mehr Inhalt – einfach mehr.
Was ich dem Autor natürlich nicht absprechen möchte, ist, dass er sich im Alten und Neuen Testament sehr gut auskennt, dass er die Originaltexte in hebräischer und griechischer Sprache zum Vergleich heranziehen kann und dass er begeistert ist von dem, was er tut. Das alles mag sein, und doch hat er mich nicht so wirklich erreicht. Nach und nach beschäftigt er sich mit diesem für viele Christen zentralen Text aus dem Matthäusevangelium und zieht oft Stellen aus dem Alten aber auch aus anderen Büchern des Neuen Testaments heran, in denen dieselben Worte verwendet werden oder dieselben Weisungen, Gedankengänge etc. auftauchen. Oft ist das sehr interessant und lehrreich, auch das möchte ich dem Autor nicht absprechen. Aber ich war doch enttäuscht, weil die einzelnen Aussagen, in welche er die Bergpredigt zerlegt hat, doch ziemlich kurz abgefrühstückt wurden. Und oft dachte ich hinterher: Ok, und wo ist da die Erklärung, wo ist das Neue? Ich denke, es liegt auch daran, dass Uschomirski seine Gedanken nicht immer gut verbinden kann. Manchmal reiht er ein paar Fakten bzw. Erläuterungen zu einzelnen Worten aus dem jeweiligen Abschnitt aneinander, und das wars – es fehlte mir oft der rote Faden. Ebenso ging es mir im zweiten Teil, als es um das Vaterunser ging: Auch hier waren einige interessante Hinweise und Ideen, aber das Große und Ganze, worauf der Autor nun hinauswollte, was er uns als Leser näherbringen wollte, das habe ich nicht gesehen. Darüber hinaus hat mich auch hin und wieder die stark vereinfachte Unterscheidung zwischen christlichen und jüdischen Ansichten gestört. Eine pauschale Aussage wie „Christen glauben, das Evangelium würde vom Gesetz befreien (…)“ stimmt einfach nicht, und von solchen Aussagen sind mir mehrere aufgefallen. So hat er doch meiner Meinung nach unterschwellig die christliche Auslegung abgewertet, dabei wollte er genau das nicht tun.
Fazit: Alles in allem war ich enttäuscht von dem Buch und habe keinen besonderen Gewinn daraus gezogen, deshalb würde ich es auch nicht unbedingt weiterempfehlen. Ich stimme dem Autor zu, dass auch christliche Auslegungen oft den jüdischen Kontext und Hintergrund Jesu nicht genügend miteinbeziehen, aber mir hat in dem vorliegenden Buch definitiv noch einiges gefehlt. Eine ausführlichere und fundiertere Sichtweise wäre wünschenswert gewesen.