Studienarbeit aus dem Jahr 2019 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Philipps-Universität Marburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit thematisiert die in Artur Schnitzlers Novelle "Fräulein Else" dargestellte Bewusstseinskrise und ihre psychischen und gesellschaftlichen Folgen. Arthur Schnitzler erschafft in seinem Werk ein Bewusstseinsprotokoll der titelgleichen Hauptfigur. In dem sozioökonomischen Wirkungszusammenhang der Novelle wird die Reinheit einer jungen Frau als gesellschaftliches Kapital einer Familie angesehen. Um das Thema der Bewusstseinskrise überhaupt angehen zu können, bedarf es einer künstlerischen Darstellungsform der Erzählung, die es den Lesenden ermöglicht, am Bewusstsein der Figur teilzuhaben. Durch die Erzähltechnik des taktisch gewählten inneren Monologs bekommen die Lesenden exklusive Einblicke in Elses Gedanken- und Gefühlswelt, sowie die sozioökonomischen Einflüsse auf diese und die unmittelbare innere Reaktion. Die lesende Person kann sich als GedankenleserIn verstehen und befindet sich in einer Machtposition gegenüber den Figuren in der fiktiven Welt. Elses Handlungen erscheinen den Lesenden als gravierende Konsequenz der gesellschaftlichen Rollenzuweisungen, hingegen werden sie in der fiktiven Welt als hysterisch empfunden. Eine Vielzahl von Widersprüchlichkeiten wie Traum-Realität, Leben-Tod, gutbürgerliche Tochter-Prostuierte spiegeln Elses gespaltenes Ich wider und entführen sie in die Bewusstseinskrise. Der Titel Fräulein definiert Else als junge, unberührte Frau, die auf der einen Seite Männern gefallen soll, aber auf der anderen Seite sie nicht an sich heranlassen darf, um die Chancen auf dem Heiratsmarkt zu bewahren. Diese Bedingung eines Fräuleins wird jedoch auf eine harte Probe gestellt, als Else den Anblick ihres nackten Körpers zur Schau stellen muss, um ihren Vater vor dem Gefängnis zu bewahren. Dieses Dilemma fordert Elses psychisches Innenleben in einem hohen Maße heraus und mündet in einer Bewusstseinskrise.