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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Bonn und das Franco-Regime
Die Studien von Carlos Collado Seidel und Birgit Aschmann über die deutsch-spanischen Beziehungen der fünfziger Jahre informieren den Leser gut, aber keineswegs vollständig. In Nuancen erweitert wird das von ihnen gezeichnete Bild eines von der Hypothek der Vergangenheit und westalliierten Kontrollen geprägten Verhältnisses nun von Walter Lehmann. Auf die deutsche Perspektive fixiert, erörtert er in vier ungleichgewichtigen Kapiteln die politischen und kulturellen Beziehungen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit, militärpolitische Kontakte und den "vergangenheitspolitischen Umgang mit der Hinterlassenschaft des ,Dritten Reichs'". Im Gesamtkontext der bundesdeutschen Außenpolitik besaß Franco-Spanien anfangs eine "untergeordnete Bedeutung". Besonderes Augenmerk legte die Bundesregierung nur auf die Wiedergewinnung des beschlagnahmten deutschen Vermögens. Daß der "Enteignungsdialog" erst 1958 abgeschlossen wurde, führt Lehmann vornehmlich auf die Absicht Bonns zurück, Madrid für die europäische Einigung zu gewinnen. Namentlich rechtskonservative Kreise plädierten für die Integration Spaniens in die westliche Wertegemeinschaft. Auch Bundeskanzler Adenauer zeigte sich gegenüber einer solchen Anbindung aus politischen wie geostrategischen Erwägungen aufgeschlossen, mußte aber akzeptieren, daß die europäischen Partner das Franco-Regime nicht für "salonfähig" hielten. Dezidiert negativ reagierten sie auf Bonns Bemühen um eine spanische Nato-Mitgliedschaft. Als die Bundesregierung dann 1959 eine bilaterale militärische Zusammenarbeit anbahnte, unterlag sie in den Augen Lehmanns einer "doppelten Fehleinschätzung": der Unterschätzung der politischen Brisanz und der Überschätzung des eigenen Handlungsspielraums. 1960 setzten die Vereinigten Staaten dem Projekt ein abruptes Ende.
Wie wenig Sensibilität die Bundesrepublik auf ihrer "Gratwanderung zwischen der antikommunistisch motivierten Partnerschaft mit Madrid" und einer diese Verbindung skeptisch beobachtenden "Umwelt" zeigte, verdeutlicht insbesondere ihr Umgang mit dem Erbe der nationalsozialistischen Zeit. Infiziert von der "antisowjetischen Spanienpolitik der NS-Propaganda", erhob die westdeutsche classe politique die Soldaten der "Legion Condor" zu "Opfern des NS-Regimes" und gestand der "zur Bekämpfung des Bolschewismus" eingesetzten "Blauen Division" Versorgungsleistungen zu. Spanische NS-Opfer, die als Gegner des Franco-Regimes galten, blieben dagegen "auf sich allein gestellt". Den eigenen Anspruch, die westdeutsche Spanien-Politik "in allen wesentlichen Dimensionen" darzustellen, erfüllt Lehmann nur bedingt. Auf der Basis deutscher und britischer Archivalien behandelt er seine Themen eher narrativ denn analytisch, wobei die Auswertung des veröffentlichten Schrifttums gewisse Lücken aufweist.
ULRICH LAPPENKÜPER
Walter Lehmann: Die Bundesrepublik und Franco-Spanien in den 50er Jahren. NS-Vergangenheit als Bürde. R. Oldenbourg Verlag, München 2006. 247 S., 24,80 [Euro].
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