Alles begann mit einer Doktorarbeit und der Entdeckung des medizinischen Potenzials des Botenmoleküls messenger RNA. Am Ende stehen prominente Investoren wie Dietmar Hopp oder die Gates-Stiftung, Hunderte Millionen staatlicher Finanzierung, der Aufstieg zum Börsenstar und zum erfolgreichen Impfstoffentwickler. Dazwischen liegt ein steiniger Weg auf der Suche nach Unterstützung. Biotech-Unternehmer Wolfgang Klein hat die Anfangszeit als Finanzchef von CureVac selbst miterlebt. Er erzählt die einzigartige und anekdotenreiche Geschichte auf dem Weg zum Weltunternehmen. Dabei gibt er Einblicke in eine faszinierende Technologie und beschreibt die Hürden für Innovation am Standort Deutschland. CureVac hat es trotzdem geschafft: Die in Tübingen erfundene Technologie ist dabei, die Medizin zu revolutionieren.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2021Die Geschichte von CureVac
Buch liefert auch Schnellkurs in mRNA-Technologie
Vielleicht war der Lehrer schlecht oder man war krank, als damals im Bio-Unterricht von Gensubstanz und Immunsystem die Rede war, es ist auch lange her. Jetzt aber, in der Pandemie, wüsste man gern mehr darüber, wie der Körper sich gegen Viren schützen kann und welche Rolle Impfstoffe dabei spielen. Die aktuellen Medienberichte aber haben meist andere Schwerpunkte, Fachartikel wiederum sind unverständlich, wenn das Basiswissen fehlt. Insofern kommt das Buch von Wolfgang Klein gerade recht.
Der Titel "Die CureVac-Story" erweckt zwar den Eindruck, als ginge es vor allem um die aktuellen Ereignisse bei jenem Tübinger Unternehmen, das schon in den ersten Monaten der Pandemie öfter mal für Schlagzeilen sorgte: vom Interesse des ungeliebten US-Präsidenten Trump über den Einstieg von Deutschland als Aktionär bis hin zum Börsengang in Amerika. Irgendwann fiel auf, dass CureVac-Gründer Ingmar Hoerr während der ganzen Zeit nicht in Erscheinung trat, auch die Ursache dafür ist eine spannende Geschichte: Während die CureVac-Mannschaft um die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Sars-CoV-2 kämpfte, lag Hoerr nach einer Hirnblutung monatelang im Koma und kämpfte um sein Leben. All diese Geschichten, die aus den Medien bekannt sind, erwartet man in diesem Buch als eine Art Zusammenfassung, doch eigentlich spielen sie nur eine Nebenrolle. Autor Wolfgang Klein liefert vor allem kompaktes Hintergrundwissen in vielen Feldern, die durch die Pandemie ins Blickfeld gerückt sind.
Anders als der Biologielehrer von einst trifft Klein auf ein grundlegendes Interesse, und es gelingt ihm, die Zusammenhänge in der Zellbiologie so eindrücklich zu beschreiben, dass es sogar ein Kind versteht, indem er die Funktionsmechanismen mit einem bekannten Organismus vergleicht, in diesem Fall mit einem Kloster. Man versteht so ganz leicht, was mRNA ist, und ebenso plastisch schildert der Autor die Funktionsweise des Immunsystems, indem er den Vergleich mit einem Überwachungsstaat und einer Gesichtserkennungssoftware zieht: "Tatsächlich werden auf molekularer Ebene Milliarden von Kontaktabgleichen vorgenommen: In Proteinen gegossene Oberflächenmotive von in der Immunzell-Kartei als gefährlich registrierten Fremdlingen werden mit allem, was in Blut und Lymphe herumschwimmt, verglichen."
Auf unterhaltsame Weise gibt es für den Leser auch einen Schnellkurs in mRNA-Technologie, denn die spannende Frage ist ja, wie die mRNA überhaupt an die richtige Stelle im menschlichen Körper gelangt - und in dem Kontext berichtet der Autor über die wegweisenden Eigenschaften von Fisch-Sperma. Das Patent auf das daraus gewonnene Protamin, in das die mRNA verpackt wurde, stammt aus dem Jahr 1999, was in Erinnerung ruft, dass zwar die Covid-Impfstoffe unmittelbar nach Beginn der Pandemie in Windeseile entwickelt wurden, die Grundlagen dafür aber schon mehr als zwei Jahrzehnte zuvor gelegt wurden. Ingmar Hoerr, der damals die Initiative ergriffen hat, mRNA für die medizinische Verwendung nutzbar zu machen, ist dafür angeblich für den Nobelpreis nominiert worden, weshalb man auf die Bekanntgabe des Nobelkomitees im Oktober gespannt sein darf. Tatsache ist: Auf der Basis der von Hoerr erforschten mRNA-Nutzung arbeitet auch das Mainzer Unternehmen BioNTech, das als erstes die Zulassung für einen Covid-19-Impfstoff in Europa erhielt, sowie der amerikanische Konkurrent Moderna. Allein auf BioNTech, Moderna und CureVac seien bis Mitte 2020 etwa 1000 Einträge in Patentdatenbanken zu verzeichnen gewesen, schreibt Klein.
Der Autor weiß nur zu gut, dass so ein Erfolg in den Anfangsjahren von CureVac unvorstellbar gewesen wäre, denn Wolfgang Klein selbst war es, der in den Jahren 2002 bis 2010 Finanz- und Personalchef war. Insofern kann er bestens beschreiben, wie um jeden Euro gerungen wurde, damit es überhaupt irgendwie weiterging. Der Ausdruck eines Ebay-Kaufs über "3 CD-ROM-Laufwerke - coole Teile" lässt erahnen, dass Hoerr zu recht den Beinamen "Schnäppchen-Ingmar" trug, und offenbar auch geschickt darin war, Fördermöglichkeiten zu finden. Der Höhepunkt des Neuen Marktes an der Börse, die auch für Biotech-Unternehmen gute Geldbeschaffungsmöglichkeiten bot, war gerade vorbei, als CureVac Geld brauchte. Investoren wurden damit konfrontiert, dass sie in diesem Segment nicht nur extrem risikofreudig, sondern auch geduldig sein müssen. Im Fall von CureVac etwa ging es um nichts Geringeres als eine Revolution im Medizinsektor, und der Autor beschreibt ausführlich, welche Optionen mRNA beispielsweise auch in Richtung Krebstherapie und Gentherapie eröffnet. Doch mit solchen Visionen Geldgeber zu finden war mühsam und frustrierend. Klein hat manche Anekdote aus den Anfangsjahren parat, als sich das CureVac-Management einmal sogar gefallen lassen musste, dass ein potentieller Investor mitten während des Gesprächs grußlos aufstand und ohne jede Erklärung ging. Spannend ist zu lesen, wie es 2005 gelang, SAP-Mitgründer Dietmar Hopp zu begeistern, der letztlich zum festen Anker wurde.
Heute, nach 16 Jahren, ist Hopps CureVac-Anteil Milliarden wert. Doch Hoffnungen können zerplatzen, noch immer. Sollte wider Erwarten mit der Zulassung des Covid-19-Impfstoffs von CureVac etwas schiefgehen, dann wäre das Tübinger Unternehmen schnell ein paar Milliarden weniger wert. Läuft dagegen alles gut, war die Pandemie mit ihren aufregenden Zeiten erst der Anfang einer noch viel spannenderen CureVac-Geschichte.
SUSANNE PREUSS
Wolfgang Klein: Die CureVac-Story - Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren, Campus Verlag, Frankfurt 2021, 247 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Buch liefert auch Schnellkurs in mRNA-Technologie
Vielleicht war der Lehrer schlecht oder man war krank, als damals im Bio-Unterricht von Gensubstanz und Immunsystem die Rede war, es ist auch lange her. Jetzt aber, in der Pandemie, wüsste man gern mehr darüber, wie der Körper sich gegen Viren schützen kann und welche Rolle Impfstoffe dabei spielen. Die aktuellen Medienberichte aber haben meist andere Schwerpunkte, Fachartikel wiederum sind unverständlich, wenn das Basiswissen fehlt. Insofern kommt das Buch von Wolfgang Klein gerade recht.
Der Titel "Die CureVac-Story" erweckt zwar den Eindruck, als ginge es vor allem um die aktuellen Ereignisse bei jenem Tübinger Unternehmen, das schon in den ersten Monaten der Pandemie öfter mal für Schlagzeilen sorgte: vom Interesse des ungeliebten US-Präsidenten Trump über den Einstieg von Deutschland als Aktionär bis hin zum Börsengang in Amerika. Irgendwann fiel auf, dass CureVac-Gründer Ingmar Hoerr während der ganzen Zeit nicht in Erscheinung trat, auch die Ursache dafür ist eine spannende Geschichte: Während die CureVac-Mannschaft um die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Sars-CoV-2 kämpfte, lag Hoerr nach einer Hirnblutung monatelang im Koma und kämpfte um sein Leben. All diese Geschichten, die aus den Medien bekannt sind, erwartet man in diesem Buch als eine Art Zusammenfassung, doch eigentlich spielen sie nur eine Nebenrolle. Autor Wolfgang Klein liefert vor allem kompaktes Hintergrundwissen in vielen Feldern, die durch die Pandemie ins Blickfeld gerückt sind.
Anders als der Biologielehrer von einst trifft Klein auf ein grundlegendes Interesse, und es gelingt ihm, die Zusammenhänge in der Zellbiologie so eindrücklich zu beschreiben, dass es sogar ein Kind versteht, indem er die Funktionsmechanismen mit einem bekannten Organismus vergleicht, in diesem Fall mit einem Kloster. Man versteht so ganz leicht, was mRNA ist, und ebenso plastisch schildert der Autor die Funktionsweise des Immunsystems, indem er den Vergleich mit einem Überwachungsstaat und einer Gesichtserkennungssoftware zieht: "Tatsächlich werden auf molekularer Ebene Milliarden von Kontaktabgleichen vorgenommen: In Proteinen gegossene Oberflächenmotive von in der Immunzell-Kartei als gefährlich registrierten Fremdlingen werden mit allem, was in Blut und Lymphe herumschwimmt, verglichen."
Auf unterhaltsame Weise gibt es für den Leser auch einen Schnellkurs in mRNA-Technologie, denn die spannende Frage ist ja, wie die mRNA überhaupt an die richtige Stelle im menschlichen Körper gelangt - und in dem Kontext berichtet der Autor über die wegweisenden Eigenschaften von Fisch-Sperma. Das Patent auf das daraus gewonnene Protamin, in das die mRNA verpackt wurde, stammt aus dem Jahr 1999, was in Erinnerung ruft, dass zwar die Covid-Impfstoffe unmittelbar nach Beginn der Pandemie in Windeseile entwickelt wurden, die Grundlagen dafür aber schon mehr als zwei Jahrzehnte zuvor gelegt wurden. Ingmar Hoerr, der damals die Initiative ergriffen hat, mRNA für die medizinische Verwendung nutzbar zu machen, ist dafür angeblich für den Nobelpreis nominiert worden, weshalb man auf die Bekanntgabe des Nobelkomitees im Oktober gespannt sein darf. Tatsache ist: Auf der Basis der von Hoerr erforschten mRNA-Nutzung arbeitet auch das Mainzer Unternehmen BioNTech, das als erstes die Zulassung für einen Covid-19-Impfstoff in Europa erhielt, sowie der amerikanische Konkurrent Moderna. Allein auf BioNTech, Moderna und CureVac seien bis Mitte 2020 etwa 1000 Einträge in Patentdatenbanken zu verzeichnen gewesen, schreibt Klein.
Der Autor weiß nur zu gut, dass so ein Erfolg in den Anfangsjahren von CureVac unvorstellbar gewesen wäre, denn Wolfgang Klein selbst war es, der in den Jahren 2002 bis 2010 Finanz- und Personalchef war. Insofern kann er bestens beschreiben, wie um jeden Euro gerungen wurde, damit es überhaupt irgendwie weiterging. Der Ausdruck eines Ebay-Kaufs über "3 CD-ROM-Laufwerke - coole Teile" lässt erahnen, dass Hoerr zu recht den Beinamen "Schnäppchen-Ingmar" trug, und offenbar auch geschickt darin war, Fördermöglichkeiten zu finden. Der Höhepunkt des Neuen Marktes an der Börse, die auch für Biotech-Unternehmen gute Geldbeschaffungsmöglichkeiten bot, war gerade vorbei, als CureVac Geld brauchte. Investoren wurden damit konfrontiert, dass sie in diesem Segment nicht nur extrem risikofreudig, sondern auch geduldig sein müssen. Im Fall von CureVac etwa ging es um nichts Geringeres als eine Revolution im Medizinsektor, und der Autor beschreibt ausführlich, welche Optionen mRNA beispielsweise auch in Richtung Krebstherapie und Gentherapie eröffnet. Doch mit solchen Visionen Geldgeber zu finden war mühsam und frustrierend. Klein hat manche Anekdote aus den Anfangsjahren parat, als sich das CureVac-Management einmal sogar gefallen lassen musste, dass ein potentieller Investor mitten während des Gesprächs grußlos aufstand und ohne jede Erklärung ging. Spannend ist zu lesen, wie es 2005 gelang, SAP-Mitgründer Dietmar Hopp zu begeistern, der letztlich zum festen Anker wurde.
Heute, nach 16 Jahren, ist Hopps CureVac-Anteil Milliarden wert. Doch Hoffnungen können zerplatzen, noch immer. Sollte wider Erwarten mit der Zulassung des Covid-19-Impfstoffs von CureVac etwas schiefgehen, dann wäre das Tübinger Unternehmen schnell ein paar Milliarden weniger wert. Läuft dagegen alles gut, war die Pandemie mit ihren aufregenden Zeiten erst der Anfang einer noch viel spannenderen CureVac-Geschichte.
SUSANNE PREUSS
Wolfgang Klein: Die CureVac-Story - Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren, Campus Verlag, Frankfurt 2021, 247 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main