Studienarbeit aus dem Jahr 2022 im Fachbereich Germanistik - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 1,3, Universität des Saarlandes (Germanistik), Veranstaltung: Hauptseminar Werther und Wertheriaden, Sprache: Deutsch, Abstract: In der vorliegenden Arbeit wird ein Vergleich dreier Texte, die den Kanarienvogel thematisieren, stattfinden, um daran die Rolle des Kanarienvogels in der Literatur um 1800 zu überprüfen. Betrachtet man nun das Vorkommen von Kanarienvögeln in der Literatur, so ist schnell festzustellen, dass in zahlreichen Werken Kanarienvögel zum Thema werden. So sind Anna Louisa Karschs "Klagelied über den Tod" eines Canarien-Vogels oder Gottlied Konrad Pfeffels "Der Kanarienvogel" als bekannte Beispiele zu nennen, in denen der kanarische Vogel unterschiedlich dargestellt wird. Um einen kurzen Überblick über den ornithologischen und kulturhistorischen Hintergrund zu erlangen, beginnt die Arbeit mit einer kurzen Betrachtung ebendieser Aspekte. Im Folgenden soll die Darstellung des Kanarienvogels in der Literatur anhand von drei exemplarischen Beispielen betrachtet werden: "Die Leiden des jungen Werthers" von Johann Wolfgang Goethe, "An Daphnens Kanarienvogel" von Ludwig Hölty und "Der Kanarienvogel" von August Friedrich Langbein. Eine der interessantesten Szenen in "Die Leiden des jungen Werthers" von Johann Wolfgang Goethe ist die Szene des Briefes vom 12. September, in der ein Kanarienvogel einer Unterredung zwischen Werther und Lotte beiwohnt. Das Hinzufügen dieser Szene in der Zweitfassung von 1787 ändert Lottes Rolle in der Beziehung zu Werther maßgeblich und macht sie zu einer aktiven Mitspielerin des Liebesspiels. Dieses indirekte Liebesspiel, durchgeführt mittels eines Kanarienvogels, lässt die Frage aufkommen, aus welchem Grund genau dieses Tier in einem so hoch kanonisierten Werk in die Rolle eines Vermittlers der Liebe schlüpft. Im Gegensatz zu anderen Tieren in der Literatur, wie beispielsweise der Rabe oder der Fuchs, ist der Kanarienvogel kein Tier, welches durch die Fabeln Äsops geprägt und damit in die Literaturgeschichte etabliert worden war. Mit dieser Etablierung gehen gefestigte Stereotypen einher, die durch die Tradition der Fabeln gefestigt wurden. So verkörpert der Rabe in der Fabel 'Der Rabe und der Fuchs' Eitelkeit, Übermut und Habgier. Für den Kanarienvogel sind solche stereotypen Zuschreibungen nicht pauschal festgehalten. Umso mehr scheint es von Belang, die Rolle dieses Tieres in der Literatur zu überprüfen.