Studienarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Weltgeschichte - Moderne Geschichte, Note: 1,0, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Historisches Seminar), Veranstaltung: Internationale Beziehungen des 19. Jahrhunderts, Sprache: Deutsch, Abstract: Am 18. Januar 1871 hat die Gründung des Deutschen Reiches ihren symbolischen Abschluss in der Kaiserproklamation im Versailler Spiegelsaal gefunden. Im Rückblick erscheint die Herausbildung des deutschen Nationalstaats unter preußischer Suprematie infolge dreier geschlagener „Einigungskriege“ 1864, 1866 und 1870/71 als Ausfluss eines in linearen Bahnen verlaufenden, historisch zwangsläufigen und letztlich alternativlosen Unifikationsprozesses, welcher den jahrhundertelang andauernden Zustand territorialer Zersplitterung überwand. Ebenjene an ihrer Eindimensionalität krankende Perspektive läuft indes Gefahr, der tendenziösen „borussographischen“ Historiographie des Deutschen Kaiserreiches anheim zu fallen, welche Jacob Burkhardt zufolge den der Reichsgründung vorausgehenden Entwicklungen unter teleologischen Gesichtspunkten „einen siegesdeutschen Anstrich“ verliehen sowie 1871 als den Kumulationspunkt einer bei Martin Luther anfangenden „Heilsgeschichte“ glorifiziert habe. Auf diese Weise bildete die mit methodologisch fragwürdigen Standards operierende Geschichtsschreibung nach 1871 Teil einer politisch instrumentalisierten Erinnerungskultur. Eine einseitig endogene Fixierung auf den ökonomischen, militärischen und politischen Aufstieg Preußens unter der Ägide des „weißen Revolutionärs“ Otto v. Bismarck, wird der Komplexität der Materie in keiner Weise gerecht, vermag sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Preußen-Deutschland zu Beginn der 1860er-Jahre nur eine von vielen Lösungsmöglichkeiten der „deutschen Frage“ darstellte. Noch gravierender ist die Außerachtlassung der exogenen Rahmenbedingungen für die Reichsgründung, die in der außen- und geopolitischen Konstellation in Europa zu jener Zeit vorzufinden waren. Ein holistisches Bild des deutschen Einigungsprozesses lässt sich schlechterdings nicht losgelöst von dessen Einbettung in das europäische Großmächtesystem nachzeichnen, dessen Funktionsweise respektive Strukturprinzipien notwendigerweise ebenso integrale Bestandteile geschichtswissenschaftlicher Abhandlungen zu dieser Thematik konstituieren. In Anbetracht des Zäsurcharakters der Reichsgründung von 1870/71 für die europäische Geschichte setzt sich diese Hausarbeit zum Ziel, schwerpunktmäßig den in den internationalen Beziehungen zu verortenden Ursachen für das Zustandekommen der Reichseinigung auf den Grund zu gehen und diese in ihrer komplexen Wechselwirkung zu den innerpreußischen bzw. innerdeutschen Bedingungsfaktoren zu ergründen.