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Eine Umfrage unter deutschen Spitzenmanagern
Das Verhältnis zwischen Spitzenmanagern sowie Politik und Öffentlichkeit war hierzulande noch nie einfach. In jüngster Zeit ist es jedoch in eine gefährliche Schieflage geraten. Pauschale Managerschelte durch führende Politiker und durch Teile der Medien ist "in". Dabei wissen diejenigen, die Spitzenmanager als vaterlandslose Gesellen, Abzocker und Subventionsheuschrecken betiteln, bei näherem Nachfragen sehr wenig über die Wertvorstellungen und Erfolgsregeln der Spitzen der deutschen Wirtschaft. Da kommt die vorliegende Studie des Hohenheimer Sozialwissenschaftlers Eugen Buß gerade recht. Der Autor hat sich auf die Suche nach der Identitätsstruktur der deutschen Wirtschaftselite gemacht. 450 Vorstandvorsitzende, Aufsichtsratsvorsitzende und Vorstandsmitglieder aus den 100 größten deutschen Unternehmen wurden um zweistündige halbstrukturierte Interviews gebeten. Nicht ganz überraschend sagten nur 61 Probanden (Quote 14 Prozent) zu; diese wurden in der Zeit von 2000 bis 2004 besucht.
Die Gespräche mit den der Nachkriegsgeneration angehörigen Top-Managern führte zu interessanten, nicht aber völlig überraschenden Ergebnissen. So erfährt der Leser in der recht übersichtlich aufbereiteten Schrift - sofern ihn die passagenweise etwas schwulstigen Interpretationen nicht stören - einiges über Herkunft, Bildungswege und berufliche Wertvorstellungen, moralische, ethische und religiöse Orientierungen und Grundsätze sowie Führungsleitbilder. Er gewinnt Einblicke darin, wie sie es mit der gesellschaftlichen Verantwortung und dem Engagement für das Gemeinwohl halten und inwieweit sie in Netzwerken verankert sind.
Einige Befunde: Die befragten Wirtschaftsführer stammen üblicherweise aus einem arrivierten Familienmilieu und sind mehrheitlich in einer protestantisch geprägten Atmosphäre des Elternhauses aufgewachsen. Dabei wurde ihnen nach eigener Einschätzung ein christlich-religiöser Wertrahmen vermittelt. Bei den meisten ergaben sich die Karrieren nicht nach einem klar strukturierten Plan.
Sie bekennen sich zu Tugenden, die dem Kanon der protestantischen Arbeitsethik entstammen (Pflichtgefühl, harte Arbeit, Leistungsbewusstsein, Loyalität und Kooperationsbereitschaft). Die entscheidenden Erfolgsfaktoren sehen sie in ihrer Fähigkeit zur Eigenmotivation, zum Optimismus sowie in ihrer kommunikativen Kompetenz.
Interessant ist, dass sich die Spitzenmanager untereinander nicht das beste Zeugnis über ihre moralische Vorbildfunktion ausstellen. Sie fühlen sich in erster Linie ihren Unternehmen verpflichtet. Insofern rangiert die Verantwortung für das Tagesgeschäft deutlich vor allen anderen Lebensbereichen. Dabei bedeutet die Selbstbestätigung durch den Erfolg für sie zugleich Ansporn und Lebenssinn. Die Top-Manager interpretieren soziale Verantwortung anders, als dies die öffentliche Debatte derzeit nahelegt: Sie unterscheiden zwischen der sozialen Verantwortung des Unternehmens und der eigenen persönlichen Verantwortung, die sie viel enger formulieren. Die Mehrheit fühlt sich trotz aller Beanspruchungen dem Ehrenamt verbunden. Demgegenüber macht Buß eine bedenkliche politische Enthaltsamkeit aus, die über Kontakte zu Politikern kaum hinausgeht. Von vitaler Einmischung könne daher keine Rede sein.
Die Spitzenmanager glauben mehrheitlich, dass das Image ihres Berufsstandes eher negativ ist; sie tun allerdings wenig, um es zu verbessern. Interessant ist auch der Befund, dass es kein in sich geschlossenes Netzwerk der Wirtschaftelite gibt. Buß kommt zu dem Ergebnis, dass diese Elite pluralistisch und nicht durch ein gemeinsames Selbstverständnis gekennzeichnet ist.
Sicherlich kann man die Studie nicht als repräsentativ bezeichnen. Dafür ist die Stichprobe zu klein. Das Buch wirft jedoch Schlaglichter auf eine verkannte Elite. Ob es die aktuelle Elite erfasst hat, die im Moment im Kreuzfeuer der Kritik steht, darf bezweifelt werden, denn die hier befragte Nachkriegsgeneration hat den Stab weitergegeben. Die neue Generation ist sehr stark durch das kapitalmarktorientierte Denken und das Streben nach immer höherer Effizienz geprägt und wirkt oftmals wie geklont.
ROBERT FIETEN
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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