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Herfried Münkler schreibt über die Deutschen und ihre Geschichte im Spiegel ihrer Mythen. Dabei erweckt er alte Sagen - etwa um die Nibelungen - zu neuem Leben, besichtigt schicksalhafte Orte wie Weimar, Nürnberg oder den Rhein und lässt historische Persönlichkeiten wie Hermann den Cherusker, Friedrich den Großen oder den Papst auftreten - selbst die D-Mark fehlt nicht in diesem Reigen. In einer großen historischen Analyse zeigt Münkler, wie Mythen unsere nationale Identität geformt haben und welch motivierende und mobilisierende Kraft ihnen eignet - im Positiven wie im Negativen. Denn in der…mehr

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Produktbeschreibung
Herfried Münkler schreibt über die Deutschen und ihre Geschichte im Spiegel ihrer Mythen. Dabei erweckt er alte Sagen - etwa um die Nibelungen - zu neuem Leben, besichtigt schicksalhafte Orte wie Weimar, Nürnberg oder den Rhein und lässt historische Persönlichkeiten wie Hermann den Cherusker, Friedrich den Großen oder den Papst auftreten - selbst die D-Mark fehlt nicht in diesem Reigen. In einer großen historischen Analyse zeigt Münkler, wie Mythen unsere nationale Identität geformt haben und welch motivierende und mobilisierende Kraft ihnen eignet - im Positiven wie im Negativen. Denn in der deutschen Geschichte gingen Mythos und Politik stets Hand in Hand. So dienten die Schlacht im Teutoburger Wald oder der Drachentöter Siegfried der inneren Militarisierung der Deutschen, und das «Unternehmen Barbarossa» führte sie direkt in den Untergang: Nach 1945 erblühte die Bundesrepublik im Mythos vom «Wirtschaftswunder», die DDR richtete sich am «antifaschistischen Widerstand» auf. Heute dagegen ist Deutschland ein mythenarmes Land - ist das ein Fluch oder ein Segen? Ein aufschlussreiches Werk nicht nur über die Geschichte und Mentalität der Deutschen, sondern auch über die Politik der Gegenwart - souverän dargestellt und spannend zu lesen. «Ein Bildungserlebnis.» Welt am Sonntag

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Autorenporträt
Herfried Münkler, geboren 1951, ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Viele seiner Bücher gelten als Standardwerke, etwa «Die Deutschen und ihre Mythen» (2009), das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, sowie «Der Große Krieg» (2013), «Die neuen Deutschen» (2016), «Der Dreißigjährige Krieg» (2017) oder «Marx, Wagner, Nietzsche» (2021), die alle monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste standen. Zuletzt erschien «Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert», ebenfalls ein «Spiegel»-Bestseller. Herfried Münkler wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Wissenschaftspreis der Aby-Warburg-Stiftung und dem Carl Friedrich von Siemens Fellowship.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2009

Gemütliche Theorie

Was den Deutschen nicht alles zum Mythos wurde: Herfried Münkler schreibt sich fleißig von Teutoburg über Faust und Lorelei bis in die Gegenwart.

Von Nils Minkmar

Herfried Münkler hat sich in wenigen Jahren eine herausragende Stellung unter den Intellektuellen der Berliner Republik erschrieben. Immer wieder gab der "Ein Mann Think Tank" - so der adhäsive Titel eines Porträts des Wissenschaftlers von Jörg Lau in der "Zeit" - Stichworte zur geistigen Situation der Zeit, von denen das bekannteste der Begriff des "asymmetrischen Krieges" sein dürfte, zu dem die bewaffneten Auseinandersetzungen unserer Zeit mutiert sind.

Aus dem neuen Essayband von Dirk Kurbjuweit über die Bundeskanzlerin können wir lernen, dass auch Angela Merkel die Arbeiten Münklers schätzt. Insbesondere seine Unterscheidung zwischen dem Maximum, das man zu Unrecht zum Maßstab moderner Politik macht, und dem Optimum, welches sie unter Berücksichtigung der Globalisierung und mächtiger Subsysteme, anzustreben habe, hatte es, so Kurbjuweit, der Bundeskanzlerin angetan.

Das Optimale als Ziel der Politik, so etwas gefällt natürlich den Politprofis, weil es ja für Laien sehr schwer wird, das Reale und das Optimale zu unterscheiden, also zu merken, wenn das schlecht und recht Erreichte einfach mal zum Optimum deklariert wird, weil viele Umstände, die zu einer Entscheidung geführt haben, schlicht geheim sind.

Es ist eine gemütliche Theorie. Obwohl das vorliegende Buch nichts dafür kann, hat man diese Information bei der Lektüre im Sinn. Auch deshalb, weil gleich zwei strahlende und schwere Begriffe wie "Die Deutschen und ihre Mythen" im Titel auftauchen. Maximalbegriffe, und man erwartet, von solch einem bekannten Mann, maximale Anstrengung. Leider er von sich auch, und das wirkte sich vor allem auf das Volumen des Buches aus; über sechshundert Seiten sind es geworden und es fehlt eigentlich nichts, was, sagen wir mal, eine germanophile Lehrerin aus der französischen Provinz mit dem Titel assoziieren würde: die Germanen des Tacitus, der Faust, die Loreley, die Nibelungen, der Rhein - na und so weiter bis heute.

Dabei leitet Münkler die Idee, die Deutschen hätten keinen Leitmythos gehabt, wie ihn eine erfolgreiche Revolution darstellt, und bedürften daher eines ganzen Katalogs. Das ist nur von Ferne überzeugend: Die Französische Revolution von 1789 strahlte mythenmäßig in alle denkbaren Richtungen aus und war keineswegs einig und unteilbar, wie es die Propaganda gern glauben machen wollte. Der große nationale Mythos löst sich bei nährem Betrachten in viele kleine Mythen auf, Pixelmythen, und man ist jenseits des Rheins genauso weit wie diesseits.

Über den Mythos vom Mythos erfährt man darum nichts, das wäre wohl allzu maximal verwickelt, was schade ist. Mythos Märklin heißt es auf einem Plakat im Wiesbadener Hauptbahnhof, und das klingt nicht falsch, wenn man es liest, ohne dass man genau sagen könnte, was den Mythos Märklin von der Summe der Erinnerungen an Märklin unterscheidet. Mythos wird heute immer dann gerne benutzt, wenn das Gemeinte mehr diffuse Bilder und Emotionen als Informationen und Begriffe evoziert und obendrein noch falsch ist. Mythos ist umgangssprachlich ein Gegenbegriff zur Tatsache. Aber all das spielt bei Münkler keine Rolle, es geht um eine optimale Versorgung des Lesers mit Stoff zu den deutschen Mythen.

Es gibt in dem Buch daher wenige provokante Thesen. Gleich zu Beginn findet sich aber eine: Der Mercedesstern habe in der frühen Bundesrepublik mythenmäßig das Eiserne Kreuz der Kriegsgeneration abgelöst. Mythos Mercedes - klingt doch nicht falsch, irgendwie. Doch die Beziehung zum EK wirkt windschief. Eine Funktion von Mythen war es, dem blutigen Beruf des Soldaten Sinn zu verleihen. Die Nibelungensage, David und Goliath, Siegfried, der Kaiser Barbarossa, solcher Kanon diente, das schreibt Münkler auch, dem Trost bei existentieller Gefahr. Der Mercedes, die D-Mark oder andere Konsumgüter sind etwas ganz anderes, nämlich etwas physisch Angenehmes, zu dem dann noch ein Überschuss an Begeisterung und im Laufe der Jahre auch Symbolik hinzukommt. Es verhält sich im Kern umgekehrt: Ein schönes, sicheres Auto schützt und beschleunigt das Leben, der Orden hingegen kündet von der Bereitschaft, es zu opfern.

Die Rezeptionsseite bleibt leider unbeleuchtet, so wissen wir nicht, ob es den Deutschen von damals wirklich etwas bedeutet hat, an diese oder jene Sage erinnert zu werden, und auch nichts über die Konkurrenz von Mythos und Religion. Im Deutschen Reich war es ja nie so wie im klassischen Athen, man hatte schließlich die Auswahl: griechische und römische Klassik, altes und neues Testament waren ja nicht vergessen, wenn die Nibelungensage erzählt oder vorgelesen wurde. Katholizismus und Protestantismus hatten ganz eigene Zugänge zu den Mythen der Bibel. Marienerscheinungen wie jene im saarländischen Marpingen bewegten die Nation, hatten aber mit Siegfried nichts zu tun.

Über die Deutschen erfährt man wenig, dafür werden die Mythen alle noch mal aufbereitet. Manchmal wird die historische Begebenheit nacherzählt, manchmal ein literarischer Text interpretiert; es ist eine relativ risikolose Ideengeschichte. Zum Mythos Preußen wird noch mal der "Tag von Potsdam" und die Geschichte des 20. Juli geschildert, wo es doch eine auf das Problem des Eidverständnisses fokussierte Darstellung auch getan hätte.

Zwar diskutiert Münkler zum Schluss, ob nicht PR-Aktionen wie die große, eigentlich ganz schöne Anti-Depressions-Kampagne "Du bist Deutschland" die Mythen von heute sind oder eine vergleichbare Funktion erfüllen, aber so richtig scheint ihn die Frage selbst nicht zu interessieren. Mythen im Sinne von großen Erzählungen, die uns helfen, die Welt zu deuten, wirken ja auch heute noch: Man könnte auch den Kampf gegen die Klimaerwärmung oder gegen Atomkraft, selbst gegen Tierversuche, unwürdige Tierhaltung und Pelze mythisch nennen, weil sie das Leben und das Denken unserer Zeit prägen, aber diese Themen kommen im vorliegenden Buch leider nicht vor.

Schwierig wird die Lektüre von Münklers Buch für den Freund von Roland Barthes' "Mythen des Alltags". Wer wie im Comic einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte und danach, mit kreisenden Sternchen überm Schädel, sagen müsste, welches Buch zuerst erschienen sei, der würde den soliden und ausladenden Münkler als fernen intellektuellen Vorläufer der schicken, reduzierten und gewagten "Mythen des Alltags" benennen. Der Minimalismus Roland Barthes' scheint in der Mythenanalyse das Maximum zu sein. Das Optimale ist leicht langweilig.

Herfried Münkler: "Die Deutschen und ihre Mythen". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2009. 600 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Herfried Münklers Buch über "Die Deutschen und ihre Mythen" hat dem Rezensenten Nils Minkmar nicht gefallen. Viel zu gemütlich, zu wenig Provokation und Risiko. Auf über 600 Seiten lasse Münkler, der als herausragender Berliner Theoretiker gilt und selbst von der Kanzlerin geschätzt wird, zwar vom Faust über den Rhein bis zum Siegfried kein Mythos aus, dafür fehlt es dem Rezensenten aber an anderer Stelle. Er vermisst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff "Mythos" an sich, sowie die Aufarbeitung der Rezeptionsseite genauso wie der Konkurrenz von Mythos und Religion. "Es ist eine gemütliche Theorie", meint Minkmar und preist dafür Roland Barthes' "Mythen des Alltags" von 1964 als um einiges reduzierter und gewagter.

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