Am Ende des 18. Jahrhunderts durchlebte Europa, im Zuge einer extremen Klimaanomalie der Kleinen Eiszeit eine der schwersten Hungerkrisen seiner Geschichte. Das fatale Zusammenspiel von Klima und Kultur machte sie zur »doppelten« Katastrophe. Ihre Auswirkungen erfassten den gesamten Kontinent und kosteten hunderttausende Menschen das Leben. Die Krise beförderte neben Ausgrenzung, Auswanderung und Antisemitismus aber auch politische Reformen, Humanitarismus und neue Wissenschaften. Das Buch zeigt am Beispiel dieses Ereignisses, wie frühere Gesellschaften Witterungsextreme bewältigten und wie vielfältig Klimaimpulse »sozialisiert« werden konnten. Dominik Collet plädiert für einen integrativen, sozionaturalen Zugang zur Geschichte. Es erzählt eine Verflechtungsgeschichte von Mensch und Umwelt, in der kurzfristige Ereignisse und langfristige, sozioökologische Strukturen eng miteinander verkoppelt sind. Daher offenbart der Blick auf die Hungersnot schlaglichtartig grundlegende ökonomische und ökologische Problemlagen der Gesellschaften des 18. Jahrhunderts. In diesem Umfeld erweisen sich vermeintliche Naturkatastrophen immer auch als Kulturkatastrophen. Die Studie stellt deterministische Zugänge in Frage und zeigt, dass eine dynamische Perspektive auf das Zusammenwirken von Klima und Kultur ebenso notwendig wie praktikabel ist. Sie regt dazu an, die Natur nicht länger als Gegenteil, sondern als Teil der Geschichte zu begreifen.