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Die Ehe wird in diesem Buch erstmals soziologisch als eine eigene Lebensform analysiert, und zwar im Hinblick auf ihre vielfältigen Aspekte. Dabei werden aktuelle Probleme aufgegriffen, wie bspw. Kinderehen, Zwangsehen, die Zunahme von kinderlosen Ehen und der Anstieg der Ehescheidungen. Ferner wird die Zukunft der Ehe thematisiert. Historische Rückblenden sollen das Erkennen des gegenwärtig Besonderen ermöglichen. Ziel des Buches ist es, offene Fragen und aktuelle Probleme zu benennen und zu diskutieren sowie ihren Wandel aufzuzeigen.

Produktbeschreibung
Die Ehe wird in diesem Buch erstmals soziologisch als eine eigene Lebensform analysiert, und zwar im Hinblick auf ihre vielfältigen Aspekte. Dabei werden aktuelle Probleme aufgegriffen, wie bspw. Kinderehen, Zwangsehen, die Zunahme von kinderlosen Ehen und der Anstieg der Ehescheidungen. Ferner wird die Zukunft der Ehe thematisiert. Historische Rückblenden sollen das Erkennen des gegenwärtig Besonderen ermöglichen. Ziel des Buches ist es, offene Fragen und aktuelle Probleme zu benennen und zu diskutieren sowie ihren Wandel aufzuzeigen.

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Autorenporträt
Prof. Dr. Dr. h. c. Rosemarie Nave-Herz, Universitätsprofessorin, Institut für Sozialwissenschaften, Universität Oldenburg
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2022

Entlang der Zufriedenheitskurve

Worüber viel gemeint, aber recht wenig sicher gewusst wird: Rosemarie Nave-Herz legt eine kompakte Studie über die Ehe in Deutschland vor.

Was weiß die Soziologie eigentlich über die Ehe in Deutschland? Es ist erstaunlich wenig. Gäbe es nicht die offiziellen Daten etwa des Statistischen Bundesamtes, wäre es noch weniger. Wenn sich die Forschung bisher überhaupt für die Ehe interessiert habe, dann vornehmlich im Hinblick auf die Familie. Aber als "eigenständige Lebensform" mit einer ihr eigenen "Sinnzuschrift" sei die Ehe aus soziologischer Sicht bisher nicht beschrieben worden. Rosemarie Nave-Herz, die diese Anmerkung ihrem neuen Standardwerk zur Ehe in Deutschland vorausschickt, hält diese Subsumierung der Ehe unter die Familie bestenfalls für die Vergangenheit gerechtfertigt, weil damals Ehe- und Familienzeit nahezu identisch gewesen seien. Heute aber wäre hier ein gravierender Wandel feststellbar, den dieses Buch eindrucksvoll schildert. Wird dieser Wandel zum Ende der Ehe führen? Ist sie ein Auslaufmodell, oder bleibt sie eine der "bedeutendsten identitätsbildenden Institutionen" unserer Gesellschaft?

Nave-Herz fundiert ihre Analyse mit profunden Kapiteln zur Geschichte des Ehebegriffs und zu seinem Bedeutungswandel in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Soziologisch ergiebiger sind aber ihre Darstellungen der heutigen Bedeutungszuschreibungen an die Ehe und weitere Fragen an die Forschung: Stehen die Ehe und die Nichteheliche Lebensgemeinschaft in Konkurrenz zueinander? Nehmen ältere oder illegitime Formen der Ehepartnerwahl wie die arrangierte Ehe oder die Zwangsverheiratung in der deutschen Gesellschaft aufgrund von Migration tatsächlich zu? Hat der Anstieg der Kinderlosigkeit in Deutschland einen Effekt auf die Bedeutung der Ehe? Ist die Gewalt in der Ehe ein neues Problem? Wie verändert sich die Ehe durch die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen? Welche Formen der häuslichen Arbeitsteilung haben sich herausgebildet? Wer lässt sich heute scheiden und warum? Und schließlich: Wie steht es um den Sex in der Ehe?

So vielfältig diese Forschungsthemen sind: Was sie gemeinsam haben, sind ein großes öffentliches Interesse und entsprechend viele geäußerte Meinungen zu ihnen bei nur wenig gesichertem soziologischen Wissen. Die gesellschaftliche Sichtweise auf die Ehe sei pessimistisch geprägt, so Nave-Herz, was die soziologische Forschung vor die Herausforderung stelle, diesen Pessimismus zu bestätigen oder im Gegenteil die Zukunftsfähigkeit der Ehe nachzuweisen. Natürlich muss jede Studie zu ihrer Zukunft die Entwicklung der Scheidungszahlen in Deutschland thematisieren. Eine soziologische Studie, die aus deren Zunahme umstandslos schlussfolgerte, dass die Ehe keine Zukunft habe, könnte man getrost ignorieren. Dagegen spricht schon der Umstand, dass die Eheschließungsneigung gar nicht abgenommen hat, sondern seit 2013 sogar wieder gestiegen ist. Überhaupt sind steigende Scheidungszahlen kein Beleg für einen Bedeutungsverlust der Ehe. Man könnte sogar umgekehrt argumentieren, dass gerade die besondere Bedeutung der Ehe für viele ein Grund ist, sich mit den Defiziten der eigenen nicht abzufinden, sondern in der Trennung die Chance auf eine neue und dann erfüllendere Beziehung zu suchen. Kurz: Man müsste mehr über die tatsächlichen Gründe für Eheschließungen wie über jene für Scheidungen wissen. Doch leider fehlen hierzu die Daten. Was also kann als gesichert gelten?

Dass die arrangierte Ehe durch die türkischstämmigen Bevölkerungsanteile wieder an Bedeutung gewinnt. Dass nach wie vor in der gesamten Bevölkerung überwiegend in der eigenen Schicht geheiratet wird. Dass das männliche Ernährermodell nach wie vor überwiegt, trotz immer mehr Frauen in Vollzeit. Die ungewollte Kinderlosigkeit nimmt zu, aber auch die gewollte, insbesondere unter Frauen mit akademischer Bildung. Ihre eigene These der vornehmlich "kindorientierten Eheschließung" aus den Achtzigerjahren müsse sie auch darum relativieren, wie Nave-Herz feststellt. Heute gebe es auch die Familiengründung mit erst späterer Eheschließung. Auch wenn nach wie vor die weit überwiegende Mehrheit der Eheschließenden ledig, kinderlos und zwischen 25 und 39 sind: Die Verbindung von Ehe und Familie wird lockerer. Im "ehebiografischen Verlauf" werde die Familienphase aber vor allem wegen der steigenden Lebenserwartung eine immer kürzere "Durchgangsphase". Das bedeutet, dass für die meiste Zeit einer Ehe (und des Lebens) andere Sinnerfüllungen da sein müssen als die Kinder. Das Dilemma der heutigen Ehe liegt also darin, dass ihr Anfang - meistens das gemeinsame Aufziehen des Nachwuchses - nicht zum langen Ende zu passen scheint.

Das Ideal des Zusammenfindens, also die romantische Liebe, hat den Belastungen der Ehe als Solidargemeinschaft im Alltag meist wenig entgegenzusetzen. Doch Untersuchungen zeigten, dass die eheliche Zufriedenheit am Anfang am höchsten ist, dann sinkt (die Phase der meisten Scheidungen), dann aber auch wieder steige. Weist dieser Befund darauf hin, dass der heutige "exklusive Eheschließungsgrund", nämlich diese romantische Liebe, doch die Chance für Dauer besitzen könnte? Ja, zumindest für die zwei Drittel der Nichtgeschiedenen. Sexuelle Ansprüche würden in diesen langen Ehen nicht mehr unbedingt gestellt, doch leider seien auch aktuelle Erhebungen über die Sexualität in der Ehe rar. Immerhin könne das Vorurteil des "asexuellen Alters" inzwischen als widerlegt gelten.

Nave-Herz wagt am Ende ihrer glänzenden Studie die Prognose, die wie jede gute soziologische Forschung mehr Fragen aufwirft als beantwortet, dass die Scheidungen weiter zunehmen werden. Für viele werde die Ehe nach der Familienzeit ihre Funktion verlieren und anderen Formen der Partnerschaft weichen. Sie werde "quantitativ eine eher geringere Lebensform neben anderen sein". Ehen werden sich immer mehr unterscheiden, vor allem was die soziale Ungleichheit von Ehefrauen betrifft: Besser ausgebildete Frauen werden immer mehr Hausarbeit von anderen Frauen ausführen lassen können. Die Ehe werde aber nur dann auch in Zukunft bestehen, wenn sie ganz spezifische Bedürfnisse zu befriedigen verspricht, die keine andere Lebensform bieten könne. Es liegt auf der Hand, dass das keine ausschließlich ökonomischen Bedürfnisse sein können. GERALD WAGNER

Rosemarie Nave-Herz: "Die Ehe in Deutschland". Eine soziologische Analyse über Wandel, Kontinuität und Zukunft.

Barbara Budrich Verlag, Leverkusen 2022. 191 S., br., 19,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Gerald Wagner findet ein sicheres Indiz für eine gelungene soziologische Studie im Buch von Rosemarie Nave-Herz: Die Arbeit wirft jede Menge Fragen auf. Dass die Ehe soziologisch kaum untersucht ist, macht die Lektüre für Wagner außerdem reizvoll. Die Kapitel zum Ehebegriff und zu den Bedeutungszuschreibungen an die Institution Ehe liest Wagner mit ebensoviel Gewinn wie die Abschnitte, in denen die Autorin sich analytisch den Themen Zwangsverheiratung, nichteheliche Lebensgemeinschaften und Gewalt in der Ehe annimmt. Schön findet Wagner auch: Die Rede von der Dauerehe ohne Sex scheint widerlegt.

© Perlentaucher Medien GmbH
Das Buch "Die Ehe in Deutschland" ist in einer Sprache abgefasst, die wenige Voraussetzungen an theoretische oder methodische Vorkenntnisse des Lesers oder der Leserin macht. Es erreicht damit nicht nur Spezialisierte der Familiensoziologie oder fortgeschrittene Studierende der Sozialwissenschaften, sondern auch Nebenfach-Studierende, Fachfremde, Teilnehmende außeruniversitärer Bildung oder allgemein an Ehe- und Familienfragen Interessierte. Prof. Dr. Bernhard Nauck, Soziologischen Revue 2024 Jahrgang 47 Heft 1, S. 4-9 Ihre unbestreitbaren Stärken hat die Darstellung immer da, wo die Ehe als Institution mit ihrer jeweiligen Bedeutungszuschreibung beschrieben wird. Der Band stellt die historische Entwicklung und den Bedeutungswandel der Institution der Ehe in all ihren Nuancen sehr reichhaltig und informativ dar. apl. Prof. Dr. Johannes Stauder, Soziologischen Revue 2024 Jahrgang 47 Heft 1, S. 10-12 In der Gesamtschau hat Rosemarie Nave-Herz eine gut lesbare, klar gegliederte und im besten Sinne klassische Studie vorgelegt, die einen erfahrungsgesättigten Blick auf die Ehe in Deutschland wirft und bei bestehender thematischer Vielfalt nicht jeden aktuellen Trend aufgreifen will (oder muss). Prof. Dr. Heike Trappe und Prof. Dr. Anne-Kristin Kuhnt, Soziologischen Revue 2024 Jahrgang 47 Heft 1, S. 13-18 Mit dem Buch ist Nave-Herz eine soziologische Perspektive auf die Ehe als eigenständige Lebensform (statt als Facette der Lebensform "Familie") gelungen. Eine eigenständige Betrachtung war angezeigt, da sich die Ehe durch den Anstieg kinderloser Ehen einerseits und die Verbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit Kindern andererseits zunehmend von der Familiengründung abkoppelt. Insgesamt berichtet das Buch wenig wirklich Überraschendes. Es bestätigt aber - und zwar stets auf ebenso wissenschaftlich fundierte wie unterhaltsame Weise - vorbestehende mehr oder minder intuitive Annahmen der Leserschaft. Richterin am OLG Prof. Dr. Saskia Lettmeier, Fam RZ, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, 71. Jg., 2-2024, S. 105-106 Nave-Herzens Buch ist in verständlicher Sprache geschrieben, rechtliche Aspekte zu unterschiedlichen Themen sind sinnvoll und anschaulich eingewoben. Michael Wutzler, Soziopolis, Gesellschaft beobachten, 25.5.2023 Den allgemeinen Ausführungen zur Ehe lässt die Nave-Herz einen historische Abriss der Ehe in Deutschland folgen, der - ebenso wie ihr Buch insgesamt - konzis und von hoher Informationsdichte ist. ... Neben Ausführungen zu der Bedeutung und den rechtlichen Folgen einer Ehe(schließung) wartet die Autorin mit zahlreichen ausgesprochen interessanten und manchmal unerwarteten Statistiken auf. literaturkritik.de, Nr. 5, Mai 2023 Es [das Buch] sei ohne Einschränkungen all jenen empfohlen, die das neue Themenfeld entdecken mögen, sich dafür interessieren und sich mit ihren Forschungsabsichten einbringen wollen. Sie werden zweifelsohne von der Lektüre profitieren. Barbara Dippelhofer-Stiem, ZSE, Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 2/2023 Diese klare soziologische Analyse, die hier leider nicht in all ihren Facetten vorgeführt werden kann, stammt aus der Feder einer 88-jährigen Doyenne ihres Faches [...] Sie ist spezialisiert auf "Geschlechtersoziolo¬gie", wie sie es seit 1972 nennt, auch lehnt sie die Bezeichnung "Frauenforschung" ab. Rosemarie Nave-Herz schreibt verständlich und ohne jedes Imponiergehabe, ohne fachpenetranten Jargon, erfreulich knapp und eindringlich, ganz auf der Höhe ihres Faches und in voller Lebenserfahrung einer der Zukunft zugewandten (verheirateten) Wissenschaftlerin. Eckart Henning, Herold-Jahrbuch, 27. Band, 2022…mehr