Vorstellungen von Reinheit dienen dazu, Uneindeutigkeit in Eindeutigkeit zu überführen, um auf diese Weise Selbst- und Weltdeutungen zu homogenisieren, zu stabilisieren und nicht zuletzt auch zu harmonisieren. Ausgehend von dieser These fragt Peter Burschel nach dem Ort dieses Musters in der europäischen frühen Neuzeit. Sein Ergebnis: Seit dem ausgehenden Mittelalter avanciert Reinheit zu einem kulturellen Code, der den fundamentalen Prozessen sozialer und konfessioneller Disziplinierung im 16. und 17. Jahrhundert die Richtung weist - und die Epoche auf diese Weise historisch-anthropologisch zusammenhält: ordnungsstiftend, symbolerzeugend, handlungsleitend und ungemein nachhaltig.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2014Saubermänner
Eine Kurzgeschichte der Reinheit
Immer wieder kamen Autoren der frühen Neuzeit auf die besondere Reinlichkeit der Türken, ihre Liebe zum Bad und zu Waschungen, ihre ausgesuchte Fütterung der Hühner mit reinem Korn, ihre Sorge um die Isolation der Sexualsphäre zu sprechen. Aber sie war ihnen nicht recht. Bloß äußerlich, hieß es, sei der Muslime Reinheit. Die Unterscheidung von rein und unrein, von gutem Blut und bösem Blut, von nur ritueller und echt ethischer Strenge wurde zu einer ständig entsicherten Waffe im Konfessions- und Religionsstreit, von den Türken bis zu den Puritanern, die auch nicht zufällig so hießen. Die Antrittsvorlesung des Historikers Peter Burschel an der Humboldt-Universität zu Berlin handelte von dieser geradezu obsessiven Reinheits-Debatte um 1500 und liegt jetzt als Separatdruck vor ("Die Erfindung der Reinheit". Eine andere Geschichte der frühen Neuzeit, Göttingen 2014).
kau
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Kurzgeschichte der Reinheit
Immer wieder kamen Autoren der frühen Neuzeit auf die besondere Reinlichkeit der Türken, ihre Liebe zum Bad und zu Waschungen, ihre ausgesuchte Fütterung der Hühner mit reinem Korn, ihre Sorge um die Isolation der Sexualsphäre zu sprechen. Aber sie war ihnen nicht recht. Bloß äußerlich, hieß es, sei der Muslime Reinheit. Die Unterscheidung von rein und unrein, von gutem Blut und bösem Blut, von nur ritueller und echt ethischer Strenge wurde zu einer ständig entsicherten Waffe im Konfessions- und Religionsstreit, von den Türken bis zu den Puritanern, die auch nicht zufällig so hießen. Die Antrittsvorlesung des Historikers Peter Burschel an der Humboldt-Universität zu Berlin handelte von dieser geradezu obsessiven Reinheits-Debatte um 1500 und liegt jetzt als Separatdruck vor ("Die Erfindung der Reinheit". Eine andere Geschichte der frühen Neuzeit, Göttingen 2014).
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