Laut Lyotard entstand im 20. Jh. ein Realismusproblem. Es entwickelte sich aus der Entwirklichung von Kunst durch die Avantgarde. Lyotard beschreibt das mit deren Hang zur Darstellung des von Kant geprägten Gefühls des Erhabenen. Dieses sei nicht gleichzusetzen mit Geschmack. Der stehe in Verbindung mit dem, was Kant Reflektion nennt. Das bedeutet, aus einem Kunstwerk kann ein Rezipient Erkenntnis und Lust erfahren, wenn er durch sein Denken dem dargestellten Gegenstand in seiner Vorstellung eine Entsprechung entgegensetzen kann. Das Erhabene allerdings, nach dem die avantgardistische Kunst strebte, sollte mit der Darstellung von Ideen erlangt werden. Das übersteige aber die Vorstellungskraft des Menschen. Das hatte zur Folge, dass die Avantgardisten bei der Erlangung von Lust, Erfahrung und Erkenntnis durch ihre Kunst unter sich blieben, da es keine Rezipienten außerhalb dieses Kreises gab, die das Dargestellte nachvollziehen konnten. Es entstand eine Lücke von in der Kunst erfahrbarer Realität. Die Industrialisierung der Kunst füllte die durch die Avantgarde erzeugte Lücke. Jedoch wird sie hier nicht durch Erfahrung von aus Handwerk und Handarbeit entstandene "verstehbare" Kunst ersetzt, sondern durch die technische Reproduktion von Kunstwerken gefüllt. Hier entsteht bei Menschen eine Erfahrungsarmut, da ihnen durch die Vermassung von Kunst eine Wirklichkeit geliefert wird, die sie nicht zwangsläufig selbst durch Reflektion erfahren haben. Der so auf die Massen wirkenden Kunst- und Medienlandschaft wohnt die Macht der Zerstreuung und der unreflektierten Übernahme des dem Menschen Vorgehaltenen inne. Das macht Jelinek Angst. Sie sieht damals wie heute die Verbreitung faschistischen Gedankenguts in den Medien. Im Stück Stecken Stab und Stangl versucht sie die Verharmlosung des Holocausts, die Negierung österreichischer Schuld an diesem sowie die Darstellung faschistischer, rassistischer und xenophober Gedanken im Österreich der 1990er Jahre nachzuzeichnen. Sie führt in Stücken, die dem postdramatischen Theater zuzurechnen sind, Geschichte und Gegenwart zusammen, um dem Zuschauer Erfahrung von Wirklichkeit zu vermitteln. Anhand von Stecken, Stab und Stangl zeige ich, wie Jelinek das Stück anti-medial gestaltet und ihre Kunst von der Unterhaltungsindustrie absondert, um dem Rezipienten eine authentische Erfahrung zu vermitteln. Dabei betrachte ich am Rande auch, ob der Rezipient, die ihm im postdramatischen Theater zugedachte Rolle erfüllen kann.
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