Wertvolle Analysen
Seit Robin Alexander „Die Getriebenen“ habe ich kein so spannendes Buch über den Berliner Politikbetrieb gelesen wie dieses. Die Fehlerkultur in der Politik wird ganz unterschiedlich gehandhabt.
Nicht so sehr die Bühne im Berliner Wedding ist spannend, mehr die große
Politik. Angela Merkel hat während der Corona-Zeit zugegeben, dass die geplante „Osterruhe“ ein Fehler…mehrWertvolle Analysen
Seit Robin Alexander „Die Getriebenen“ habe ich kein so spannendes Buch über den Berliner Politikbetrieb gelesen wie dieses. Die Fehlerkultur in der Politik wird ganz unterschiedlich gehandhabt.
Nicht so sehr die Bühne im Berliner Wedding ist spannend, mehr die große Politik. Angela Merkel hat während der Corona-Zeit zugegeben, dass die geplante „Osterruhe“ ein Fehler war, der einzige, den sie in ihrer Regierungszeit zugegeben hat. Für ihre Russlandpolitik muss sie sich nämlich nicht entschuldigen, auch wenn es ihr Außenminister Steinmeier als Bundespräsident getan hat. Er war aber der einzige.
Der Primus der Fehlerlosen ist Andreas Scheuer, dessen Mautdebakel – wie wir heute wissen – dem Steuerzahler 243.000.000 Euro kostet, aber der Minister hat keinen Fehler gemacht. Auch Christine Lambrecht war als Verteidigungsministerin – zumindest nach ihrer Selbsteinschätzung – perfekt.
Dagegen waren die Grünen ein Musterbeispiel der Fehlerkultur. Nur wer so viele Fehler macht wie Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin, der kann sich die Entschuldigung auch letztlich sparen. Armin Laschet hat sich dagegen für sein korrektes Buch zu früh entschuldigt. Und bei Wolfgang Kubicki ist die Entschuldigung Teil seiner politischen Inszenierung. Wenn sein Mundwerk zu locker war, entschuldigt er sich einen Tag später ohne wirklich Reue zu zeigen. So verfährt auch Friedrich Merz.
Eine andere Strategie ist nur einen Teil zuzugeben. Bodo Ramelow hat in einem Interview erzählt, dass er bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit „Merkelchen“ auf seinem Handy gespielt hat. Für „Merkelchen“ hat er sich entschuldigt, der Rest wurde vergessen.
Den Satz, dass wir einander viel verzeihen müssen, hat Spahn vor der Presse verstolpert. Er kam spontan, wurde von ihm aber im Gesundheitsausschuss vorher ausprobiert. Lauterbach war immer im Team Vorsicht. Aber dass er damit auch für die langen Schulschließungen mitverantwortlich war, glaubt er heute nicht. Und Spahn verzeiht heute in der Russlandkrise der Regierung auch keine Fehler.
Der Meister der Fehlerkultur ist Robert Habeck. Er will nicht reden wie alle anderen. Aber wer an Beliebtheit verliert, der hat auch weniger Lust sich etwas vorwerfen zu lassen. Der Hauptvorwurf: Viele schöne Worte, aber wenig Substanz.
Die Linke bestätigt den Satz: Freund, Feind, Parteifreund. Nach der Wahl von Wissler wird sie gleich von den eigenen Leuten beschädigt, nur damit eine offene Rechnung beglichen wird.
Und Anna Spiegel hat versucht, ohne professionellen Pressesprecher die Krise zu meistern und ist gescheitert.
Danach geht es um Beamten, die für die Firma Tesla die Verfahren beschleunigt haben, auch auf die Gefahr, dass dabei Fehler passieren, um Journalisten, die nicht locker lassen, um die Shitstorms bei Twitter und die Sucht, nicht davon wegzukommen. Mastodon wäre eine Alternative, aber vermutlich nur vorerst, weiter über die Fehlerkultur bei Start-ups, bei Gerichtsverfahren und bei der Kirche.
Zum Schluss wird das Comeback von Philipp Anthor behandelt, während Copy und Paste-König Guttenberg mit seiner Auszeit in den USA gescheitert ist.
Auch wenn der nichtpolitische Teil etwas abfällt, 5 Sterne sind vollauf verdient.