Geschichten, die ineinandergreifen, und Geschichten in Geschichten erzählen: Mit Die fernen Orte des Versagens hat Frank Witzel ein grandioses literarisches Möbiusband geflochten. Ausgehend von Alltagssituationen bohrt sich der Erzähler gemeinsam mit seinen Figuren unerbittlich bis an den Grund der Bedingungen des Menschseins. Atemlos folgt der Leser den labyrinthischen Geschichten, die ihn in einen Irrgarten der Wirklichkeit führen. Ein bunter Strauß an Lebensentwürfen, Stereotypen und Pathologien enthüllen Wirklichkeiten hinter der Wirklichkeit: Ein Pilzsammler findet im Wald eine Leiche und versucht, mögliche Konsequenzen zu umgehen; ein Paar fährt zu einem Fotoshooting auf den Todtnauberg; eine Frau mit einem Pferdewunsch muss sich mit den noch ausgefalleneren Wünschen ihrer Partner auseinandersetzen; ein Anwalt entwickelt an einem freien Nachmittag die Theorie der unlogischen Sekunde; eine Frau gerät durch Zufall in ein abgelegenes Dorf, in dem sie verschiedenen Mechanismen des Begehrens ausgesetzt wird; eine andere Frau versucht sich durch ein Voodoo-Ritual vor einem drohenden Schicksalsschlag zu bewahren. Durch das Witzel'sche Prisma bricht sich das Licht des Alltags, offenbart eine andere Wirklichkeit und gibt einen Blick auf die unterschiedlichen Beweggründe menschlichen Handelns und die Rückseiten der Kulissen unserer Welt frei. Wie der Maler in jenem berühmten chinesischen Gleichnis, so verschwindet der Erzähler in den Geschichten, die zum Spiegelkabinett der Wirklichkeit werden und vom Geheimnis des Lebens erzählen.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Der "Unmöglichkeit des Erzählens" widmet sich Frank Witzel in seinem neuen Erzählungsband, bekundet Rezensent Jörg Magenau: Die erste Geschichte setzt mit einem Erzähler ein, der sich, anknüpfend an eine Bemerkung zu Thomas Bernhard, darüber echauffiert, dass seine eigenen Erzählungen nie so werden, wie er sie haben will - nie kann er darin alles erfassen, was wichtig ist. Und so sind auch die anderen Geschichten strukturiert, berichtet Magenau, immer erkennt er "Techniken, sich im Stoff zu verheddern." Das ist in der "möbiusbandhaften Verschlingung" des Erzählten sehr anspruchsvoll, aber doch von einer abenteuerlich-aufregenden Fabulierlust getragen, der sich der Kritiker gerne hingibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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