Alles war still. Dunkel zog sich der Wall des Laufgrabens, der wie ein langgestreckter Hügelrücken aussah, in die Nacht und verschwand darin. Der niedrigstehende, dunstigrote Neumond warf schwache Helligkeit auf die im Graben schlafenden Soldaten; einige Gewehrläufe blinkten. Marks lag mit dem Rücken gegen den Wall, blinzelte in den mächtigen Lichtkreis und mühte sich dann, die ferne Bergkette der Vogesen zu erkennen; je länger er hinsah, desto mehr flimmerte es vor seinen Augen; und glaubte er, etwas zu unterscheiden, so zerfloß es schon wieder, und die Nacht stand wie eine grenzenlose schwarze Wand vor ihm. Er lag so seit neun Uhr und konnte nicht schlafen; die Gewißheit, daß es um zwei Uhr nachts zum Hauptangriff gehen sollte, hatte ihn, der sonst immer gleichmütig war, doch etwas unruhig gemacht. Er hatte ja auch außer einigen unbedeutenden Plänkeleien nichts mitgemacht – aber diesmal galt es den ersten großen Kampf im Kriege. Ungerufen bohrte Nachdenken in seinem Hirn, und es sauste vor seinen Ohren. Er hatte erst vor einem halben Jahre seine einjährige Dienstpflicht abgeleistet und hatte dann gleich wieder sein Medizin-Studium in Göttingen aufgenommen. Da brach der Krieg aus. Um nicht vorläufig untätig bei seinem Truppenteil stehen zu müssen, hatte er sich mit einigen anderen Studenten sofort als Freiwilliger an die Grenze gemeldet. Man hatte sie in diese Kompanie gesteckt, um den Mannschaftsbestand, der bei dem ersten, blutig zurückgeschlagenen Ansturm auf die Südforts der Festung sehr gelichtet war, zu ergänzen. Die Infanterie hatte sich nach dem verfehlten Angriff rings um die Festung eingegraben, schweres Haubitzenmaterial war herbeigeschafft worden, und seit fünf Tagen hatte ununterbrochen das Bombardement gedröhnt. Die Belagerungstruppen waren durch das unaufhörliche Donnern schon apathisch geworden; verwundert hatten alle aufgehorcht, als in den letzten zwei Nächten die rauchen Eisenmäuler verstummten und auch der eingeschlossene Feind nichts erwiderte. Das Nordfort hatte seit vorgestern lange Pausen geschwiegen und zwischendurch unregelmäßig und schwach gefeuert. Man vermutete hier den wunden Punkt und hatte daher, nachdem noch bayrische Verstärkung eingetroffen war, heute, den ganzen Tag über, fast sämtliche Kräfte vor dies Fort konzentriert. In den verlassenen Verschanzungen waren nur Reservetrupps und die Artillerie zurückgelassen, die durch fleißiges Schießen den Feind zu täuschen hatten. Die Pioniere mußten nachmittags, trotz unangenehmen Kleingeschützfeuers des Forts, neue Schanzrillen vorgraben, um den gefährlichen, dem schlimmsten Kugelgeprassel ausgesetzten Weg in der aufsteigenden Ebene für den nächtlichen Sturmmarsch abzukürzen. Alle Truppen wurden nach und nach in die neuen Stellungen vorgeschoben. Dann wurde um neun Uhr abends zum Schlafen geblasen, und endlich trat Ruhe ein. Dort, in den ersten Verschanzungen, schliefen nur die Pioniere, die müden Burschen, ihre paar Stunden. Dahinter lag die Infanterie. Plötzlich fährt Marks erschrocken zusammen und faßt krampfhaft nach dem Gewehr – ein dumpfes Rutschen und Metallklingen hört er nicht weit von sich – er sieht scharf hin – es war nur ein Soldat, der sich zu hoch an den Wall gelegt hatte und in unruhigem Schlaf heruntergesunken war. Der Helm war über Seitenkoppel und Gewehr gekollert – der Mann.