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"Und genauso sei es, sagte er. Ein Widerhaken sei widersinnig. Der Fisch habe eine faire Chance. Und fingen wir ihn doch, setzten wir ihn zurück. Nur das Erlebnis zähle, nicht das Ergebnis." In ein oberösterreichisches Provinzkaff hat es Mozarteumsabgänger Siegi Heehrmann verschlagen, wo er als Musikschullehrer für Saiteninstrumente arbeitet. Seine Leidenschaft steckt er dort aber vor allen Dingen in eine andere Kunst, die Kunst, einen perfekten Köder herzustellen. Von Ernstl Thalinger lässt er sich in die Geheimnisse des Fliegenfischens einweihen, wobei er zunächst lernen muss, Fliegen zu…mehr

Produktbeschreibung
"Und genauso sei es, sagte er. Ein Widerhaken sei widersinnig. Der Fisch habe eine faire Chance. Und fingen wir ihn doch, setzten wir ihn zurück. Nur das Erlebnis zähle, nicht das Ergebnis." In ein oberösterreichisches Provinzkaff hat es Mozarteumsabgänger Siegi Heehrmann verschlagen, wo er als Musikschullehrer für Saiteninstrumente arbeitet. Seine Leidenschaft steckt er dort aber vor allen Dingen in eine andere Kunst, die Kunst, einen perfekten Köder herzustellen. Von Ernstl Thalinger lässt er sich in die Geheimnisse des Fliegenfischens einweihen, wobei er zunächst lernen muss, Fliegen zu binden, die den Fischen als echte Lebewesen erscheinen sollen. Nicht nur in der Dorfwelt sind Siegi und seine Freunde dabei Außenseiter, auch der örtliche Fliegenfischerverein beobachtet ihr Treiben mit feindlicher Gesinnung. Und steht der vorsitzende Obmann Volki nicht Siegis Frau Lena verdächtig nahe? In seinem Debütroman entspinnt Leander Fischer aus dem Fliegenbinden eine ganze Welt, in der Themen wie Kunst und Nachahmung, Natur und Umwelt, Gesellschaft und Politik Österreichs in den 80er Jahren, aber auch die bis in die Gegenwart nachwirkende nationalsozialistische Vergangenheit eine wichtige Rolle spielen. Und dies in einem Stil, der den Leser sofort in seinen Sog zieht. Mittels Rhythmus und Sprachspielen fließen die verschiedenen Ebenen des Textes ineinander, die Sprache ist zugleich überquellend wie ein sprudelnder Gebirgsbach als auch präzise gebunden wie eine der Fliegen - ein außergewöhnlich starkes Debüt voller Sprachspiele und rhythmischer Elemente.
Autorenporträt
Leander Fischer, geb. 1992 in Vöcklabruck / Österreich, absolvierte ein Studium des Kreativen Schreibens und des Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Er veröffentlichte mehrfach in Zeitschriften und war Mitherausgeber der Jahresanthologie der Studierenden des Studienganges Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim (2018). 2019 nahm er am Ingeborg-Bachmann-Preis teil und wurde dort mit dem Deutschlandfunk-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Michael Braun begibt sich mit Leander Fischer ins Salzkammergut, wo sich gut Fliegenfischen lässt. Weiß jedenfalls der Autor, der laut Braun eine Schar besessener Fliegenfischer zu Protagonisten seines Romans macht, Episoden aus der Zeit zwischen Zweitem Weltkrieg und Heute erzählt, Migrantenschicksale, völkische Traditionen und die Waldheim-Ära Revue passieren lässt, um immer wieder auf seine "fischenden Maniacs" nebst allerhand kuriosem Nebenpersonal zurückzukommen. Der Leser benötigt Konzentration, um die assoziativ arrangierten Bausteine und Wendungen des Textes zu einem umfassenden Bild zusammenzudenken, wird aber von dem Detailreichtum und der Sprachgewalt des Roman reichlich belohnt, erklärt Braun.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2020

Am Fluss mit Ernstl, Siegi und Kurti
Das Erlebnis zählt mehr als das Ergebnis: Leander Fischer fischt mit Goldkopfnymphen in den trüben Gewässern der österreichischen Geschichte

Die angelsächsische Literatur ist reich an hemingwayesken Fischermeditationen, Nature-Writing-Sachbüchern und Romanen über Ethik und Ästhetik des Fliegenfischens; man denke nur an Paul Tordays "Lachsfischen im Jemen" oder "Aus der Mitte entspringt ein Fluss", die von Robert Redford verfilmte erbauliche Geschichte ungleicher Brüder, die nur beim Fliegenfischen zusammenfinden. In deutschen Gewässern geht es traditionell mehr um Technik und Mechanik dieser Tätigkeit als um das Schöne, Gute und Wahre. Aber auch bei uns plaudern Autoren wie Paulus Hochgatterer, Christoph Schwennicke oder Max Scharnigg neuerdings angelsächsisch leicht über das "Glück am Haken" oder die "Stille vor dem Biss". Das Fischen mit Stange, Nass- und Trockenfliegen (nur Banausen sprechen von Angeln, Rute und Köder) ist eine Sache für Profis: Weltgleichnis und Obsession wie Käpt'n Ahabs Jagd auf Moby-Dick und eine machtvolle literarische Metapher.

Die Kunst, aus zartesten Naturprodukten "Muster" zu binden, gaukelt den Fischen und wohl auch den Fischern selbst naturgemäß Mimikry durch gesteigerte Künstlichkeit vor. Binden und Biss, Morgen- und Abendsprung der Forellen, die Hohe Schule des Wartens, Werfens und Scheiterns machen die Fliegenfischerei so zum Sinnbild jeder ernsthaften Kulturarbeit. "Eine Fliege, auf die garantiert kein Fisch beißt, an eine Stelle zu werfen, an der sich garantiert kein Fisch befindet: Das ist reine Kunst", schreibt Hochgatterer in seiner "Kurzen Geschichte vom Fliegenfischen".

Ein fängiger Fisch ködert selbst glitschige Leser, und so hatte der junge österreichische Autor Leander Fischer - kein Pseudonym! - schon etliche Fans an der Angel, bevor sein kultverdächtiger Roman "Die Forelle" erschien. Letztes Jahr in Klagenfurt gewann Fischer den Preis des Deutschlandfunks für sein fulminantes Eröffnungskapitel "Goldkopf". Jetzt liegt seine "Forelle" in ihrer ganzen glitzernden Pracht und schuppigen Schönheit vor: ein Monsterwerk über Fliegenfischen als Philosophie und Lebensform, Handwerk und Schriftstellerschicksal. Nicht umsonst hat Fischer in Hildesheim eine Arbeit über poetologische Selbstreflexion geschrieben: "Wie Tristram Shandy Fliegenfischen lernt".

Schauplatz seines Forellenromans ist ein Dorf im Salzkammergut, genauer: das Gasthaus "Zum lachenden Haberer" zu Beginn der achtziger Jahre. Historisch reicht Fischers Stange weit nach hinten bis in die NS-Zeit zurück; umgekehrt kündigt sich im Widerstand der Angler gegen Wasser- und Atomkraftwerke, Waldheim und Haider schon die grünalternative Gegenwart an. Am Anfang ist die Welt noch in Ordnung, am Ende zerfällt das Sommerfrische-Idyll im Salzkammergut mehr und mehr in Hader und Gewalt, Massentourismus und Massentierhaltung. Immer aber bindet ein Kreis leidenschaftlicher Fliegenfischer mit Anmut, Geduld und Sorgfalt aus feinstem Material - Reh- und Frauenhaar, Kupferdraht, Spinnfäden - prachtvolle Fliegen wie die Goldkopfnymphe oder Ritz-D.

Ihr Kopf und Herz ist Ernstl, ein grantiger Flüchtling aus Südtirol, den man nie ohne Zweiliterflasche Veltliner und mit Schuhen sieht. Sein Meisterschüler, der Erzähler Siegi Heehrmann, hat das Mozarteum absolviert, verschleudert sein beträchtliches Talent aber zum Ärger seiner Frau und seiner Buben als Musiklehrer und Aushilfsgeiger. Meister Ernstl und Siegi verstehen sich als vornehme Gentlemen und gnadenlose Sportsmänner. Das Böse, Hässliche und Dumme flussabwärts ist ihnen ein Graus: depperte Skifahrer, Gambsbarttrottel, Burschenschafter, also toxische Männlichkeit, faschistische Tiraden, dumpfes Bierdimpfeltum, gepaart mit Dilettantismus, Impotenz und Ignoranz. Der Anglerverein dieser Aufseher und Aufschneider wird geführt von Obmann Volki, einer Ausgeburt infamer Gemütlichkeit, die ihre fesche Rute überall hineinsteckt und selbst Siegis Lena nachstellt.

"Die Forelle" erinnert streckenweise an die ausufernden Satiren von Thomas Pynchon oder David Foster Wallace: Eine Rasselbande von gutmütigen Hippies und durchgeknallten Hipstern, befeuert von Lachgas und anderen Drogen, verteidigt ihr bedrohtes Revier und ihre Werte gegen die Mächte der Finsternis: Dynamit- und Zuchtlachsfischer, Piefkes und "Sauproleten", Kapital und Establishment. Die Guten lieben Heimat und Natur, haben aber auch nichts gegen Pariser Charme und britische Coolness. Sie hassen Wien, rauchen Joints in Kette und flechten um die Wette Zitate aus Popkultur und Weltliteratur in ihre Suaden ein. Sie malen die österreichische Barbarei in grellen Farben, aber sie können auch Aquarelle von Tautropfen im Gegenlicht zart hintupfen.

Fischer knüpft an die großen Traditionen des österreichischen Sprachspiels von Wittgenstein bis Franzobel und Jelinek an. Sein Debütroman bindet nicht die Enden einer pynchonesken Weltverschwörungsparabel zusammen und ist auch kein langer, ruhiger Fluss aus der Mitte eines Pfarrhauses in Montana. Es ist ein hochkomischer, übermütig sprudelnder, strudelnder, gurgelnder Bergbach, der sein Erzählwasser kaum zu halten vermag. Wortspiele und Neologismen wie "lobpudelig" oder "vertschüssen" schwimmen "bier und hetzt" ebenso vorbei wie launige Stilparodien, alberne Kalauer, Abschweifungen über Cézanne oder den Wiener Aktionismus und das terminologische Einmaleins des Fliegenfischens. Und natürlich auch ein paar Bauerntrottel und Dialektbrocken aus dem österreichischen Antiheimatroman; schließlich kam Fischer 1992 in Vöcklabruck zur Welt und besuchte in Thomas Bernhards Gmunden das Gymnasium.

Seine Fliegen-Geschichten sind bunt und federleicht gefiedert, aber nur lose gebunden. Manchmal verrauscht Fischers Wasserfall in plätscherndem Gleichmaß, Nonsens oder joyceanischen Delirien; auf die Distanz von fast achthundert Seiten kann dieses zum Anbeißen bestimmte Blendwerk jedenfalls schon ermüden. "So wartete das Ding auf die baldige Vermählung, den Zug kundiger Hand, die gerade den drallen Körper schlang, den Bobbin erneut aufnahm, den Flachs niederband, die Hahnenfeder am Hals applizierte und den Bobbin während des Hechelwickelns wieder links hängen ließ. Ich justierte den Biss an den Seitenflächen der Spule ..." Mit Verlaub, da fehlen Zug wie Biss.

Fischer kann Kunst und Technik des Fliegenbindens oder auch einen Tropfen auf einem Sektglas in atemraubenden Endlossätzen beschreiben. Aber als Autor fischt er fast noch lieber im Trüben entlegener Fachgebiete nach neuen und seltenen Wörtern. Motorentechnik, Medizin, Musik, die Biologie von Giraffe, Dschungelhahn und Rattenschwanz: Ein Muster ist im Gewimmel der Themen und Sphären nicht immer zu erkennen; schließlich hat Siegi Ernstls Musterköchelverzeichnis schon im Prolog verbrannt.

Man kann in diesem Fluss voller Geschichte und Geschichten leicht ertrinken. Die Strömung ist jedenfalls wichtiger als der Strom, der virtuose Flow wichtiger als der Fang. Beim Fischen wie beim Schreiben gilt Ernstls reine Gentleman-Lehre: "Ein Widerhaken sei widersinnig. Der Fisch habe eine faire Chance. Und fingen wir ihn doch, so setzten wir ihn zurück. Nur das Erlebnis zähle, nicht das Ergebnis."

MARTIN HALTER

Leander Fischer: "Die Forelle".

Roman.

Wallstein Verlag, Göttingen 2020. 784 S., geb., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Leander Fischers - mit dem österreichischen Debütpreis ausgezeichneter - Roman ist ein formales Meisterwerk, das auf fast 800 Seiten die Zerwürfnisse einer kleinen Gemeinde erzählt, die dem Fliegenfischen verfallen ist. Ein Erzählen um des Erzählens willen, bei dem allerhand politische Skandale und die Kunst verhandelt werden, einen Fisch an der Angel zu haben, ohne ihn dem Zweck zuzuführen, einfach verdaut zu werden. All jenen, die Sprachspiele reizen, die den Modernismus als Entwicklungsschritt auf dem Weg ins Zeitgenössische schätzen und gerne Klassiker lesen, kann man das Buch wärmstens empfehlen.« Alexander Rudolfi, Blog "We read Indie" »Ganz großer Spaß.« (Bücherstube am Fleth, Glückstadt)