Was für ein originelles, witziges, böses, intelligentes und absolut grandioses Buch. Was für ein Geniestreich, wenn eine Hautcreme die Apokalypse auslösen kann und der Leser dabei so richtig Spaß hat – und dennoch zum Nachdenken angeregt wird.
Zitat:
»Wir sind wie das Schiff des Theseus, wir
werden in einem unendlichen Zyklus zerstört und geheilt. Ist ihr Körper dauerhaft? Kein Molekül und…mehrWas für ein originelles, witziges, böses, intelligentes und absolut grandioses Buch. Was für ein Geniestreich, wenn eine Hautcreme die Apokalypse auslösen kann und der Leser dabei so richtig Spaß hat – und dennoch zum Nachdenken angeregt wird.
Zitat:
»Wir sind wie das Schiff des Theseus, wir werden in einem unendlichen Zyklus zerstört und geheilt. Ist ihr Körper dauerhaft? Kein Molekül und keine Zelle entsprechen mehr dem, was Sie bei der Geburt mitbekommen haben. (…) Die Erinnerungen branden hoch und schwinden wie Ebbe und Flut. Ihr Bewusstsein hat mehr verloren, als es je wiedergewinnen kann.«
Lasst euch diese tiefsinnige Passage eine Weile auf der Zunge zergehen. Kaum zu glauben, dass aus dem gleichen Buch Sätze wie diese stammen:
Zitat:
»Unsterbliche Supermodel-Lesben sind ein notwendiger Nebeneffekt, und… Meine Güte, klingt das schrecklich, wenn ich es so ausdrücke!«
»Sie sind widerlich«, stellte Lyle fest.
Dan Wells verrät im Nachwort, wie ungemein wichtig ihm “Die Formel” als Buchprojekt war bzw. ist, und das merkt man auch.
Mit seiner ‘Serienkiller’-Trilogie setzte er sich schon über Genre-Grenzen hinweg und beeindruckte mit einer überraschenden und innovativen Mischung aus Horror, Thriller, Urban Fantasy und Jugendbuch – und nun übertrifft er sich in meinen Augen selber mit einem Genre-Mix aus Science Fiction, Humor und Thriller.
Der Humor ist absurd und böse und sicher nicht jedermanns Sache. Der Autor erreicht damit jedoch eine großartige Balance zwischen Science Fiction, die sich mit Bravado selber parodiert (siehe ‘Unsterbliche Supermodel-Lesben’), und bestechend relevanter Sozialkritik. Was er dabei anprangert ist nicht nur die Gier der Pharmaindustrie, sondern auch unser verdrehtes Bild von Schönheit, das in den Medien propagiert wird und das wir viel zu unreflektiert als Maßstab für unseren eigenen Selbstwert nehmen.
Wie glaubhaft das Ganze von einem wissenschaftlichen Standpunkt ist, kann ich nicht beurteilen.
Im Grunde sieht es meines Erachtens so aus: entweder man beschließt nach den ersten Kapiteln, sich einfach darauf einzulassen, oder das Buch ‘funktioniert’ nicht. Aber was hat man dabei schon zu verlieren?
Spannend ist es auf jeden Fall.
Das fängt schon beim ersten Blick ins Inhaltsverzeichnis an, wenn man feststellt, dass die Kapitel einen Countdown bis zum Weltuntergang herunterzählen – man fragt sich die ganze Zeit, ob es wirklich dazu kommen wird oder nicht. Mit jedem Kapitel wird die Geschichte aberwitziger, bis es manchmal fast etwas von Slapstick hat, aber gleichzeitig legt der Autor die Daumenschrauben an. Es findet ein rasantes Wettrüsten statt, um das Ende der Welt abzuwenden und dabei möglichst noch Profil einzustreichen.
Es wird zunehmend schwieriger, die Charaktere auseinander zu halten, aber das ist sicher ein gewollter Effekt, immerhin geht es hier um eine Hautcreme, die Menschen klont. Und natürlich versucht absolut jeder, das zu seinem Vorteil einzusetzen…
Der Held der Geschichte ist jedenfalls überhaupt kein Held, in keiner Hinsicht.
Lyle Fontanelle hat oft die besten Absichten und sogar ein paar halbherzige Prinzipien – aber leider kein Rückgrat. Er hat der Welt die Katastrophe eingebrockt, aber nicht die Absicht, bei einem Rettungsversuch sein Leben zu riskieren (außer es geht um eine Frau, in die er verliebt ist). Für einen Großteil des Buches war er mir trotzdem irgendwie sympathisch, bis er sich mein Wohlwollen kurz vorm Ende dann doch noch verspielte. Dennoch ist er meiner Meinung nach ein wunderbarer Buchcharakter, weil man immer wissen will, wie es mit ihm weitergeht – egal, wie katastrophal ihm alles misslingt.
Der Schreibstil ist ein wenig durchwachsen.
Es gibt Passagen, in denen die Sätze holpern, sich verschachteln oder im Zusammenhang einen unklaren Sinn ergeben (was allerdings an der Übersetzung liegen könnte), aber dafür gibt es wirklich fantastische Passagen, wo der Autor über sich hinauswächst.