Porträt der großen europäischen Schriftstellerin und Intellektuellen im Spiegel des 20. Jahrhunderts.
Sie war eine der bedeutendsten Frauen der europäischen Kulturgeschichte: Natalia Ginzburg (1916-1991). Ihre Werke zählen zu den Klassikern der Weltliteratur. Sie schrieb Erzählungen, Romane, Gedichte, Theaterstücke. Als Literatur-, Theater-, und Filmkritikerin war sie wegweisend. Sie war Verlegerin und Abgeordnete im Parlament. Zu ihren Weggefährten zählen die wichtigsten italienischen Autoren der Nachkriegszeit wie Cesare Pavese, Italo Calvino, Alberto Moravia und Elsa Morante. Sandra Petrignani spürt dem abenteuerlichen und mutigen Leben Natalia Ginzburgs nach. Sie besucht ihr Geburtshaus in Sizilien, die Turiner Wohnung in der Via Pallamaglio, das Versteck in den Abruzzen während der Besatzung durch die Nationalsozialisten sowie die Wohnung am Campo Marzio in Rom. Sie trifft die noch lebenden Weggefährten und liest ihr großes Werk noch einmal. Ihr gelingt das spannende Porträt einer außergewöhnlichen Frau und Intellektuellen im 20. Jahrhundert.
Sie war eine der bedeutendsten Frauen der europäischen Kulturgeschichte: Natalia Ginzburg (1916-1991). Ihre Werke zählen zu den Klassikern der Weltliteratur. Sie schrieb Erzählungen, Romane, Gedichte, Theaterstücke. Als Literatur-, Theater-, und Filmkritikerin war sie wegweisend. Sie war Verlegerin und Abgeordnete im Parlament. Zu ihren Weggefährten zählen die wichtigsten italienischen Autoren der Nachkriegszeit wie Cesare Pavese, Italo Calvino, Alberto Moravia und Elsa Morante. Sandra Petrignani spürt dem abenteuerlichen und mutigen Leben Natalia Ginzburgs nach. Sie besucht ihr Geburtshaus in Sizilien, die Turiner Wohnung in der Via Pallamaglio, das Versteck in den Abruzzen während der Besatzung durch die Nationalsozialisten sowie die Wohnung am Campo Marzio in Rom. Sie trifft die noch lebenden Weggefährten und liest ihr großes Werk noch einmal. Ihr gelingt das spannende Porträt einer außergewöhnlichen Frau und Intellektuellen im 20. Jahrhundert.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2020Strenge und Melancholie
Sie war die große Autorität der italienischen Literatur: Sandra Petrignani forscht Natalia Ginzburg nach
Natalia Ginzburg war eine zurückhaltende Person. Schüchtern, nicht auf Äußerlichkeiten bedacht, selbst in ihrer Kleidung diskret, skrupulös in ihrer Arbeit und unbeirrbar in ihren Überzeugungen. Bei aller Zurückgezogenheit war sie eine prägende Gestalt der italienischen Literatur und entfaltete eine enorme Autorität – als Romanautorin, Dramatikerin und Essayistin, aber auch als Lektorin des Turiner Einaudi-Verlages, als Zeitungskolumnistin und schließlich als parteilose Abgeordnete.
Ihre Widersprüchlichkeit scheint besonders nach einer Biografie zu verlangen, außerdem ist ihr Werdegang von den Brüchen des 20. Jahrhunderts gezeichnet, und sie hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Von „Alle unsere Gestern“ über „Stimmen des Abends“ und „Die kleinen Tugenden“ bis zu „Familienlexikon“ zählen ihre Bücher auch in ihrer stilistischen Geschlossenheit zu den Höhepunkten der italienischen Prosa. Sandra Petrignani, 1952 geboren und geübt im Genre des erzählenden Sachbuchs, widmet also der älteren Kollegin, die sie als junge Frau noch kennenlernte, eine dickleibige Lebensgeschichte: „Die Freibeuterin“ lautet der Titel ihres Bandes und spielt damit auf Pier Paolo Pasolinis „Freibeuterschriften“ an. Mit ihm teilte Ginzburg die Unbestechlichkeit. Unbekümmerte Autonomie war eine ihrer hervorstechenden Eigenschaften.
Der Auftakt des Buches gehört Petrignanis erster Begegnung mit Natalia Ginzburg. Irgendwann Mitte der Achtzigerjahre durfte sie bei ihr zu Hause an der Piazza Campo Marzio in Rom vorsprechen und sich ein Manuskript abholen, das sie der damals 66-Jährigen zur Begutachtung anvertraut hatte. Das Urteil Ginzburgs war vernichtend. Die verdatterte Jungautorin erstarrte, bemerkte Geräusche, die aus der oberen Etage ins Wohnzimmer drangen, aber von Ginzburg nicht weiter erklärt wurden und spürte, wie die Schriftstellerin sie neugierig und mit Sympathie für ihre Jugend musterte. Petrignani verabschiedete sich und brach im Treppenhaus in Tränen aus. Das Ganze schien ihr surreal.
Die Laute, so reimte sie sich später zusammen, stammten von Ginzburgs schwerbehinderter Tochter Susanna, die Zeit ihres Lebens bei ihr wohnte, aber nie in Erscheinung trat. Im Frühjahr 1987 schrieb Natalia Ginzburg Petrignani einen Brief und lobte eine ihrer Erzählungen, die in einer Zeitung abgedruckt worden war. Der Kontakt wurde dann sehr herzlich, es kam sogar zu einer gemeinsamen Veranstaltung.
Sandra Petrignani, die bei uns den wenigsten bekannt sein dürfte, fängt also bei sich selbst an, was einen Moment lang irritierend wirkt. Sie markiert auf diese Weise ihren Ansatz: Grundiert von tiefer Wertschätzung nähert sie sich der Schriftstellerin als Schriftstellerin und macht auch ihre Recherche, die Gespräche mit Zeitzeugen, die Reisen zu den Orten, an denen Natalia lebte, die Nachforschungen in Archiven und die wiederholten Lektüren von Ginzburgs Texten zum Gegenstand.
Der Einstieg hat etwas für sich, weil sich sofort ihre bisweilen brutale Ehrlichkeit vermittelt. Nicht mehr lügen zu wollen, gehörte zum Credo der Einaudianer, als der Faschismus überstanden war und sich die Gruppe junger Intellektueller in Turin zusammenfand, um den Verlag weiterzuführen, den Natalias Mann Leone Ginzburg dort 1933 gemeinsam mit seinem Schulfreund Giulio Einaudi begründet hatte.
Leone, genau wie Natalia aus einer jüdischen Familie gebürtig, war wegen seiner mutigen oppositionellen Haltung bereits 1940 von Mussolini in die Verbannung nach Pizzoli in die Abruzzen geschickt worden, wohin ihm seine Frau mit den kleinen Söhnen Carlo und Andrea folgte. Im März 1943 kam ihre Tochter Alessandra zur Welt, wenige Monate später kapitulierte Italien, und Leone setzt sich nach Rom in den Untergrund ab. Natalia reiste ihm mit den Kindern nach, aber ihr Mann landete kurz nach ihrer Ankunft im Gefängnis Regina Coeli, wo er nach Misshandlungen durch die Deutschen an einer Herzschwäche starb. Sie musste fliehen, ließ ihre Kinder schließlich bei ihren Eltern zurück, kehrte tief verstört nach Rom zurück, wo sie sich beinahe aufgegeben hätte. Es waren Freundschaften, die Anbindung an den Verlag, eine kurze Psychoanalyse bei dem Jungianer Ernst Bernhard und ihr Schreiben, die ihr über die quälende Leere hinweghalfen.
Geschichten wie diese machen die Lektüre lohnend. Auch dem Alltag bei Einaudi, der Bedeutung des Verlages und Natalias Rolle unter der ausschließlich männlichen Kollegenschaft sind aufschlussreiche Kapitel gewidmet, ebenso dem dichten Beziehungsnetz zwischen den Schriftstellerfreunden Cesare Pavese, der ebenfalls zu den Gründern Einaudis gehörte, Italo Calvino und Elsa Morante. Es gibt viele gelungene Miniaturen, Sandra Petrignani hat gründlich recherchiert und fördert Briefe und Zeugnisse zutage, die dem Bild Natalias Tiefenschärfe verleihen.
Die Kindheit, im „Familienlexikon“ eher in ironischer Verzerrung vermittelt, war bei weitem nicht so witzig, wie von Ginzburg suggeriert. Zugleich kommt eine wilde, ungezügelte Seite der Schriftstellerin zum Vorschein, als sie sich 1948 in eine aussichtslose Affäre mit dem für seine Eroberungslust bekannten Nobelpreisträger Salvatore Quasimodo stürzte. Das schamhafte Schweigen über die Krankheit ihrer Tochter und den Tod ihres jüngsten Sohnes, ebenfalls schwer behindert, werden thematisiert, ebenso wie ihre nicht unkomplizierte zweite Ehe mit Gabriele Baldini, der zu viel trank.
Was die formale Gestaltung ihrer Biografie angeht, ist Petrignani eher konventionell – sie folgt der Chronologie von Ginzburgs Leben, bläht manche Stationen allzu sehr auf, verfällt ins Geschwätzige und erliegt bisweilen dem Wahn der Vollständigkeit; nicht jeder Roman hätte einer Interpretation bedurft. Etliche Zusammenhänge sind für deutsche Leser zu speziell, an anderen Stellen hätte man sich eine gesellschaftsgeschichtliche Einbettung gewünscht, ausführlichere Bezüge auf die politische und soziale Situation. Und auf einigen wenigen Seiten gibt es Ausreißer: Dass Petrignani ihrer Protagonistin mit einem Horoskop auf den Leib rückt, empfindet man geradezu als Körperverletzung, etwa die Bemerkung, ihre „mönchische Kleidung, Männerschuhe und brüskes Verhalten“ seien auf „den Widdermond in Opposition zur Venus“ zurückzuführen. Auch wenn die Autorin nur zwei, drei Mal eine derartige Übergriffigkeit an den Tag legt, disqualifiziert sie sich dadurch.
Wer die Romane und Erzählungen von Natalia Ginzburg schätzt und mehr über ihr wechselvolles Leben wissen möchte, wird von Sandra Petrignano gut bedient, aber der Gesamteindruck bleibt ambivalent. Petrignani bemüht sich, so ehrlich und gradlinig mit ihrer Protagonistin umzugehen, wie dies Ginzburg selbst mit ihren Figuren tat. Natalia Ginzburgs literarisches Werk ist das geheime Modell der Biografie. Darin liegt auch das Problem, und es zeigt sich, wie wenig einer Schriftstellerin mit journalistischen Mitteln beizukommen ist. Also ist es doch am besten, Natalia Ginzburg selbst wieder zu lesen. Sie enttäuscht einen nie.
MAIKE ALBATH
Sandra Petrignani: Die Freibeuterin. Das Leben der Natalia Ginzburg. Aus dem Italienischen v. Stefanie Römer. btb, München 2020, 638 S., 24 Euro.
Petrignani fördert Briefe und
Zeugnisse zutage, die dem Bild
Tiefenschärfe verleihen
Natalia Ginzburg bei einer Friedensdemo in Rom 1984.
Foto: imago/Leemage
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Sie war die große Autorität der italienischen Literatur: Sandra Petrignani forscht Natalia Ginzburg nach
Natalia Ginzburg war eine zurückhaltende Person. Schüchtern, nicht auf Äußerlichkeiten bedacht, selbst in ihrer Kleidung diskret, skrupulös in ihrer Arbeit und unbeirrbar in ihren Überzeugungen. Bei aller Zurückgezogenheit war sie eine prägende Gestalt der italienischen Literatur und entfaltete eine enorme Autorität – als Romanautorin, Dramatikerin und Essayistin, aber auch als Lektorin des Turiner Einaudi-Verlages, als Zeitungskolumnistin und schließlich als parteilose Abgeordnete.
Ihre Widersprüchlichkeit scheint besonders nach einer Biografie zu verlangen, außerdem ist ihr Werdegang von den Brüchen des 20. Jahrhunderts gezeichnet, und sie hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Von „Alle unsere Gestern“ über „Stimmen des Abends“ und „Die kleinen Tugenden“ bis zu „Familienlexikon“ zählen ihre Bücher auch in ihrer stilistischen Geschlossenheit zu den Höhepunkten der italienischen Prosa. Sandra Petrignani, 1952 geboren und geübt im Genre des erzählenden Sachbuchs, widmet also der älteren Kollegin, die sie als junge Frau noch kennenlernte, eine dickleibige Lebensgeschichte: „Die Freibeuterin“ lautet der Titel ihres Bandes und spielt damit auf Pier Paolo Pasolinis „Freibeuterschriften“ an. Mit ihm teilte Ginzburg die Unbestechlichkeit. Unbekümmerte Autonomie war eine ihrer hervorstechenden Eigenschaften.
Der Auftakt des Buches gehört Petrignanis erster Begegnung mit Natalia Ginzburg. Irgendwann Mitte der Achtzigerjahre durfte sie bei ihr zu Hause an der Piazza Campo Marzio in Rom vorsprechen und sich ein Manuskript abholen, das sie der damals 66-Jährigen zur Begutachtung anvertraut hatte. Das Urteil Ginzburgs war vernichtend. Die verdatterte Jungautorin erstarrte, bemerkte Geräusche, die aus der oberen Etage ins Wohnzimmer drangen, aber von Ginzburg nicht weiter erklärt wurden und spürte, wie die Schriftstellerin sie neugierig und mit Sympathie für ihre Jugend musterte. Petrignani verabschiedete sich und brach im Treppenhaus in Tränen aus. Das Ganze schien ihr surreal.
Die Laute, so reimte sie sich später zusammen, stammten von Ginzburgs schwerbehinderter Tochter Susanna, die Zeit ihres Lebens bei ihr wohnte, aber nie in Erscheinung trat. Im Frühjahr 1987 schrieb Natalia Ginzburg Petrignani einen Brief und lobte eine ihrer Erzählungen, die in einer Zeitung abgedruckt worden war. Der Kontakt wurde dann sehr herzlich, es kam sogar zu einer gemeinsamen Veranstaltung.
Sandra Petrignani, die bei uns den wenigsten bekannt sein dürfte, fängt also bei sich selbst an, was einen Moment lang irritierend wirkt. Sie markiert auf diese Weise ihren Ansatz: Grundiert von tiefer Wertschätzung nähert sie sich der Schriftstellerin als Schriftstellerin und macht auch ihre Recherche, die Gespräche mit Zeitzeugen, die Reisen zu den Orten, an denen Natalia lebte, die Nachforschungen in Archiven und die wiederholten Lektüren von Ginzburgs Texten zum Gegenstand.
Der Einstieg hat etwas für sich, weil sich sofort ihre bisweilen brutale Ehrlichkeit vermittelt. Nicht mehr lügen zu wollen, gehörte zum Credo der Einaudianer, als der Faschismus überstanden war und sich die Gruppe junger Intellektueller in Turin zusammenfand, um den Verlag weiterzuführen, den Natalias Mann Leone Ginzburg dort 1933 gemeinsam mit seinem Schulfreund Giulio Einaudi begründet hatte.
Leone, genau wie Natalia aus einer jüdischen Familie gebürtig, war wegen seiner mutigen oppositionellen Haltung bereits 1940 von Mussolini in die Verbannung nach Pizzoli in die Abruzzen geschickt worden, wohin ihm seine Frau mit den kleinen Söhnen Carlo und Andrea folgte. Im März 1943 kam ihre Tochter Alessandra zur Welt, wenige Monate später kapitulierte Italien, und Leone setzt sich nach Rom in den Untergrund ab. Natalia reiste ihm mit den Kindern nach, aber ihr Mann landete kurz nach ihrer Ankunft im Gefängnis Regina Coeli, wo er nach Misshandlungen durch die Deutschen an einer Herzschwäche starb. Sie musste fliehen, ließ ihre Kinder schließlich bei ihren Eltern zurück, kehrte tief verstört nach Rom zurück, wo sie sich beinahe aufgegeben hätte. Es waren Freundschaften, die Anbindung an den Verlag, eine kurze Psychoanalyse bei dem Jungianer Ernst Bernhard und ihr Schreiben, die ihr über die quälende Leere hinweghalfen.
Geschichten wie diese machen die Lektüre lohnend. Auch dem Alltag bei Einaudi, der Bedeutung des Verlages und Natalias Rolle unter der ausschließlich männlichen Kollegenschaft sind aufschlussreiche Kapitel gewidmet, ebenso dem dichten Beziehungsnetz zwischen den Schriftstellerfreunden Cesare Pavese, der ebenfalls zu den Gründern Einaudis gehörte, Italo Calvino und Elsa Morante. Es gibt viele gelungene Miniaturen, Sandra Petrignani hat gründlich recherchiert und fördert Briefe und Zeugnisse zutage, die dem Bild Natalias Tiefenschärfe verleihen.
Die Kindheit, im „Familienlexikon“ eher in ironischer Verzerrung vermittelt, war bei weitem nicht so witzig, wie von Ginzburg suggeriert. Zugleich kommt eine wilde, ungezügelte Seite der Schriftstellerin zum Vorschein, als sie sich 1948 in eine aussichtslose Affäre mit dem für seine Eroberungslust bekannten Nobelpreisträger Salvatore Quasimodo stürzte. Das schamhafte Schweigen über die Krankheit ihrer Tochter und den Tod ihres jüngsten Sohnes, ebenfalls schwer behindert, werden thematisiert, ebenso wie ihre nicht unkomplizierte zweite Ehe mit Gabriele Baldini, der zu viel trank.
Was die formale Gestaltung ihrer Biografie angeht, ist Petrignani eher konventionell – sie folgt der Chronologie von Ginzburgs Leben, bläht manche Stationen allzu sehr auf, verfällt ins Geschwätzige und erliegt bisweilen dem Wahn der Vollständigkeit; nicht jeder Roman hätte einer Interpretation bedurft. Etliche Zusammenhänge sind für deutsche Leser zu speziell, an anderen Stellen hätte man sich eine gesellschaftsgeschichtliche Einbettung gewünscht, ausführlichere Bezüge auf die politische und soziale Situation. Und auf einigen wenigen Seiten gibt es Ausreißer: Dass Petrignani ihrer Protagonistin mit einem Horoskop auf den Leib rückt, empfindet man geradezu als Körperverletzung, etwa die Bemerkung, ihre „mönchische Kleidung, Männerschuhe und brüskes Verhalten“ seien auf „den Widdermond in Opposition zur Venus“ zurückzuführen. Auch wenn die Autorin nur zwei, drei Mal eine derartige Übergriffigkeit an den Tag legt, disqualifiziert sie sich dadurch.
Wer die Romane und Erzählungen von Natalia Ginzburg schätzt und mehr über ihr wechselvolles Leben wissen möchte, wird von Sandra Petrignano gut bedient, aber der Gesamteindruck bleibt ambivalent. Petrignani bemüht sich, so ehrlich und gradlinig mit ihrer Protagonistin umzugehen, wie dies Ginzburg selbst mit ihren Figuren tat. Natalia Ginzburgs literarisches Werk ist das geheime Modell der Biografie. Darin liegt auch das Problem, und es zeigt sich, wie wenig einer Schriftstellerin mit journalistischen Mitteln beizukommen ist. Also ist es doch am besten, Natalia Ginzburg selbst wieder zu lesen. Sie enttäuscht einen nie.
MAIKE ALBATH
Sandra Petrignani: Die Freibeuterin. Das Leben der Natalia Ginzburg. Aus dem Italienischen v. Stefanie Römer. btb, München 2020, 638 S., 24 Euro.
Petrignani fördert Briefe und
Zeugnisse zutage, die dem Bild
Tiefenschärfe verleihen
Natalia Ginzburg bei einer Friedensdemo in Rom 1984.
Foto: imago/Leemage
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