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Von der New York Times zu einem der fünf besten Romane des Jahres 2022 gewählt Verloren gehen und verlieren sind zweierlei. Cassandra Williams ist zwölf, ihr kleiner Bruder Wayne sieben. Eines Tages gehen sie an den Strand, um zu schwimmen, doch heim kehrt Cassandra allein. Den Verlust überlebt die Familie nicht. Der Vater beginnt ein neues Leben mit einer anderen Frau, die Mutter klammert sich an die Möglichkeit, dass Wayne wieder auftauchen wird. Denn eine Leiche wird nie gefunden. Cassandra wird älter, aber ihr Bruder verfolgt sie. In unzählige Therapiesitzungen und bis in ihre Träume…mehr

Produktbeschreibung
Von der New York Times zu einem der fünf besten Romane des Jahres 2022 gewählt Verloren gehen und verlieren sind zweierlei. Cassandra Williams ist zwölf, ihr kleiner Bruder Wayne sieben. Eines Tages gehen sie an den Strand, um zu schwimmen, doch heim kehrt Cassandra allein. Den Verlust überlebt die Familie nicht. Der Vater beginnt ein neues Leben mit einer anderen Frau, die Mutter klammert sich an die Möglichkeit, dass Wayne wieder auftauchen wird. Denn eine Leiche wird nie gefunden. Cassandra wird älter, aber ihr Bruder verfolgt sie. In unzählige Therapiesitzungen und bis in ihre Träume hinein. In anderen Männern meint sie ihn wiederzuerkennen. Die Furchen ist ein Roman über die vielen Schichten von Trauer, hinter denen sich Zweifel, Leugnung und Wut verbergen und einem noch größerem Gefühl Bahn brechen: Dem Wunsch, trotz allem, weiterleben zu können.
Autorenporträt
Namwali Serpell, in Lusaka geboren, lebt in New York. Ihr Debütroman The Old Drift wurden vielfach ausgezeichnet. Die Furchen ist ihr zweiter Roman. New York Times, New Yorker und Guardian wählten ihn zu den besten Büchern des Jahres. Namwali Serpell lehrt als Professorin für Anglistik an der Harvard University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2023

Verschwinde nicht, du bist so schön

Namwali Serpell erzählt in ihrem grandiosen Roman "Die Furchen" vom Versuch der Korrektur eines Todes.

Von Melanie Mühl

Der Tod eines geliebten Menschen schnürt einem Herz und Kehle zu. Unwiederbringlich verloren - zwei Wörter, die rasenden Schmerz auslösen, die für Ohmacht stehen, für Nicht-Wahrhaben-Wollen und Verleugnen. Wie erträgt man das Unerträgliche?

Cee, die Protagonistin in Namwali Serpells zweitem Roman "Die Furchen", Tochter einer Weißen und eines Schwarzen, verliert ihren kleinen Bruder Wayne, als sie zwölf Jahre alt ist. Sie verliert ihn in ihrer Obhut, an einem Tag am Meer in Delaware. Sie versucht noch, den Siebenjährigen zu retten, aber obwohl sie all ihre Kräfte mobilisiert, verschwindet Wayne, dieses "nussbaumbraune, dürre Geschöpf", im Meer. Unwiederbringlich verloren. Oder doch nicht? Wo keine Leiche ist, da besteht noch Hoffnung.

Während Cees Vater den Tod des Sohnes akzeptiert und betrauert, klammert sich die Mutter an diesen Strohhalm und gründet eine Stiftung namens Vigil, die sich der Suche vermisster Kinder verschreibt. Darüber zerbricht die Ehe. Cee, selbst noch ein Kind, hat das Sterben des Bruders miterlebt, jenen Moment, als das Leben aus ihm weicht. Ein schlaffer Körper auf ihrem Rücken. Ihre Trauer ähnelt weder der väterlichen Verarbeitung noch der mütterlichen Verleugnung. Cee gerät in eine traumatische Endlosschleife, betritt einen mitreißend erzählten Trauerkosmos, in dem Wayne wieder und wieder auftaucht und sie dessen Tod stets aufs Neue durchlebt. Ein Klagelied, dessen Clou darin besteht, dass die Todesarten variieren. Einmal lässt Cee Waynes Hand auf dem Schulweg los, und er wird überfahren, ein anderes Mal fällt er auf einer Kirmes vom Karussell. So erschließen sich im Nachhinein auch die ersten Sätze des Romans als programmatisch: "Ich möchte nicht erzählen, was passiert ist. Ich möchte erzählen, wie es sich angefühlt hat."

Bei der Tragödie am Strand schleicht sich indes während des Lesens nicht der geringste Zweifel ein, die Ich-Erzählerin könnte ein Spiel spielen. Man ist sich lange sicher, dass Wayne ertrunken ist. Bis die Irritationen angesichts der alternativen Wahrheiten und zersplitterten Erinnerungen derart nagen, dass man sich fragt: Wie ist er denn jetzt tatsächlich gestorben? Aber darum geht es gar nicht, es geht um die Macht des Verlustes und den Versuch der Bewältigung. "Trauer", heißt es in Roland Barthes' "Tagebuch der Trauer", "verzehrt sich nicht, unterliegt nicht dem Vergehen, der Zeit. Chaotisch, erratisch. Momente heute so frisch wie am ersten Tag."

Nachts besucht Wayne seine Schwester in deren Träumen. Einmal sind die beiden in einer Mall und stehen auf einer Bühne. Im Roman heißt es: "Du trägst einen Anzug und einen Zylinder, ein adretter Siebenjähriger. Ich stecke in einem Pappkarton [...]. Das fühlt sich normal an, erlaubt, eine Zaubershow. Du machst eine Ansage und kneifst mich heimlich in den Oberschenkel, damit ich weiß, dass du da bist, und du weißt, dass ich da bin. Es wird geklatscht. Du beugst dich vor und flüsterst mir ins Ohr: 'Bereit?' Ich nicke. 'Warte. Wann bist du zurückgekommen?' 'Ich war nie weg!'" Umso brutaler ist das Aufwachen.

Doch auch tagsüber verfolgt Wayne Cee. Sie glaubt, den erwachsenen Wayne in Fremden zu erkennen, in Männern, die mit ihr flirten, in der U-Bahn, während der Führung durch ein Filmstudio, und irgendwann schläft Cee mit einem dieser Männer, der nicht Wayne ist, und trotzdem liegt über der intimen Begegnung der Tabubruch des Inzests.

In der zweiten Hälfte des Romans wechselt Namwali Serpell die Erzählperspektive. Der Mann, mit dem Cee schläft und der ebenfalls nach Wayne sucht, gibt nun den Ton an. Obwohl dieser Teil schwächer als der erste ist, nimmt er dem Roman kaum etwas von seiner Kraft. Die eigene Verunsicherung verlangt nach einer literarischen Auflösung. Aber die bietet Serpell nicht. In die titelgebenden Furchen, in die großen Rillen des Wassers, in denen Wayne verschwunden ist, taucht auch der Leser ein - und nicht gänzlich wieder auf.

Namwali Serpell: "Die Furchen". Roman.

Aus dem Englischen von Asal Dardan. Claassen Verlag, Berlin 2023. 352 S., geb., 26,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Nicht "was passiert ist", sondern "wie es sich anfühlt" liest Rezensentin Miriam Zeh in diesem Roman der sambisch-amerikanischen Autorin Namwali Serpell, der um die Protagonistin Cee kreist, deren Bruder gestorben ist. Dieser Tod, so Zeh, wird von mysteriösen Umständen geprägt und immer wieder anders erzählt, die Mutter kann den Tod ihres Sohnes nicht glauben. Fragmentarisch und surreal, auch durch die minutiöse Übersetzung von Asal Dardan, lernt die Kritikerin zwar nicht, was mit dem jungen Wayne passiert ist, kann sich aber gut in diesen "Kern menschlicher Empfindungen" versetzen, wie sie erklärt.

© Perlentaucher Medien GmbH