Studienarbeit aus dem Jahr 2018 im Fachbereich Philosophie - Praktische (Ethik, Ästhetik, Kultur, Natur, Recht, ...), Note: unbenotet, Hochschule für Philosophie München (Philosophische Fakultät SJ), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Nationalismus, so wird gemeinhin angenommen, hat keine Philosophie. Im Gegensatz zum Konservatismus, dem Sozialismus und dem Liberalismus – den drei großen gesellschaftlichen Entwürfen der Aufklärung – fehlt ihm die theoretische Fundierung. Diese Ansicht ist durchaus begründet. Denn das nationalistische Menschenbild bleibt in Debatten oft unscharf. Und die Ziele nationalistischer Parolen reichen über die mittelfristige Abwehr von als bedrohlich empfundenen Entwicklungen nicht hinaus. Auf diese Weise vermittelt der Nationalismus das Bild eines archaischen Überbleibsels, man rechnet mit ihm wie mit einem tierischen Reflex des Menschen, der sich politischen und wirtschaftlichen Krisenzeiten zeigt. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass wir mit solch einer Auffassung, angesichts des außerordentlichen Erfolges nationalistischer Bewegungen in den letzten Jahren, glauben müssten, fortwährend in Krisenzeiten zu leben. Nur die Tatsache, dass der Nationalismus gerade in wohlhabenden Ländern erfolgreich ist, und von Generationen getragen wird, die nie Krieg oder Hunger erleiden mussten, sollte diesen Glauben an den permanenten Ausnahmezustand relativieren. Es stimmt, dass sich, im Gegensatz zu zahlreichen liberalen oder sozialistischen Denkern, kaum „nationalistische“ Theoretiker finden lassen. Aber nationalistische Argumente lassen sich auf Grundannahmen zurückführen, die bei näherer Betrachtung eine beachtliche ideengeschichtliche Verbreitung und Tiefe haben. Wie Elie Kedourie anmerkt, kann es bereits als größter Erfolg der nationalistischen Doktrin gelten, den Begriff der „Nation“ als Kategorie der politischen Ordnung überhaupt etabliert zu haben. Im Folgenden werde ich anhand der ersten fünf Kapitel von Kedouries Essay Nationalism, herausgegeben in London 1960 von Hutchinson, untersuchen, wie das nationalstaatliche Denken die Kraft entwickelte, die es heute hat. Ich werde Kedouries Argumentation schrittweise rekonstruieren. Dann werde ich beurteilen, inwieweit sie ausreicht, um zeitgenössische politische Phänomene zu verstehen. Schlussendlich will ich zwei Ansätze skizzieren, die meiner Meinung nach die Kraft nationalstaatlichen Denkens weiter erklären.