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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Joseph Croitoru über die Hamas
Bis zum 7. Oktober 2023 war das Interesse am Gazastreifen im Westen stetig gesunken. Das vierzig Kilometer lange und zwischen sechs und vierzehn Kilometer breite Gebiet stand seit Jahren unter der Herrschaft radikaler Islamisten, die Nachbarländer hatten es weitgehend abgeriegelt. Die Zustände waren nicht gut, aber auch nicht katastrophal, alarmierenden Berichten der Vereinten Nationen und von Nichtregierungsorganisationen zum Trotz. Ein- bis zweimal pro Jahr kam es zu einem mehrtägigen militärischen Schlagabtausch zwischen Milizen in Gaza und der israelischen Armee, den Letztere dominierte. Ansonsten, so schien es, tat sich dort nicht wirklich viel.
Diese gründliche Täuschung hat nicht nur zur größten Katastrophe in Israels Geschichte geführt, sondern die ganze Region an den Rand einer ungekannten Eskalation gebracht. Rückblickend gibt es einige Hinweise darauf, dass die Hamas sich eben nicht darauf beschränken wollte, ihre Herrschaft in Gaza zu sichern. Joseph Croitoru führt in seinem Buch "Die Hamas" einige davon auf, etwa die Militärübungen, die bewaffnete Gruppen seit 2020 gemeinsam abhielten und in denen immer weniger die Verteidigung geprobt wurde und immer mehr der Angriff. Oder der von einer Beobachtungssoldatin aufgezeichnete Funkspruch, in dem von der Ermordung von Kibbuzbewohnern die Rede war. Oder das Plakat, das gegenüber einem israelischen Landwirtschaftsdorf angebracht worden war und auf dem die nahende "Vernichtung der Besatzer" angekündigt wurde.
Ein Jahr später ist Yahya Sinwar, der als Planer des Terrorangriffs vom 7. Oktober gilt, zum Hamas-Chef aufgestiegen, nachdem Ismail Haniyeh getötet wurde, mutmaßlich von Israel. Zugleich geht im Gazastreifen ein unbarmherzig geführter Krieg weiter. Die Dinge sind also stark in Bewegung. Croitoru geht dennoch davon aus, dass die Alleinherrschaft der Hamas in Gaza nach eineinhalb Jahrzehnten zu Ende gegangen ist. Sie werde "in die Annalen der Region wohl als weiterer gewaltsam verhinderter Versuch eingehen, ein islamistisches Regime zu etablieren - ähnlich dem ihrer Mutterorganisation der Muslimbrüder in Ägypten".
Seit der gewaltsamen Machtübernahme 2007 waren Hamas und Gaza zwei Begriffe, die fast synonym verwendet wurden. Das spiegelt sich auch in dem Buch wider - mehr als die Hälfte der siebzehn Kapitel konzentrieren sich auf den Küstenstreifen. Croitoru, ein profunder Kenner des Nahostkonflikts, schreibt damit zugleich sein Buch "Hamas. Der islamische Kampf um Palästina" fort, das 2007 erschienen war.
In der Darstellung wird klar, dass die Hamas seit ihrer Gründung 1987 im doppelten Sinn eine "Widerstandsbewegung" war: gegen Israel, aber auch gegen die "Palästinensische Befreiungsorganisation" und deren Friedenskurs. Sie war "auch mit dem Ziel gegründet worden, jeglichen palästinensischen Dialog mit den israelischen Besatzern zu torpedieren". Es ist fast unheimlich nachzulesen, wie gut ihr das gelang. Anschläge auf Israelis - bald nicht mehr nur Soldaten, sondern auch Zivilisten - setzte sie zielgerichtet ein, nicht zuletzt, um die israelische Bevölkerung gegen den Oslo-Friedensprozess aufzubringen.
Zugleich verbreitete sie intensiv Propaganda, um die Führungsrolle im Widerstand zu erringen. Ihre Charta enthielt nationalistische ebenso wie islamische Motive (und antisemitische Mythen). Auch begann sie früh, mit einer "syrisch-iranischen Allianz der radikalen Israel-Gegner" zusammenzuarbeiten - ebenfalls ein roter Faden bis in die Gegenwart.
Die Hamas, die "zugleich politische Bewegung, Wohlfahrtsorganisation und Miliz" ist, hat sich immer wieder neu erfunden, zum Beispiel 2005 bei ihrem Gang in die Politik. Croitoru hätte einige strukturelle Fragen gründlicher behandeln können, etwa die, ob irgendwann womöglich die Chance auf eine Mäßigung der Hamas bestand. Seine ereignisgeschichtliche Darstellung besticht indessen durch ihren genauen, abgewogenen und nüchternen Charakter - ein Gewinn, gerade bei einem so aufgeladenen Thema. CHRISTIAN MEIER
Joseph Croitoru: "Die Hamas". Herrschaft über Gaza, Krieg gegen Israel.
C. H. Beck Verlag, München 2024. 223 S., br.,
18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Süddeutsche Zeitung, René Wildangel
"Der Historiker und Nahost-Experte erklärt, wie die Hamas seit 2007 ihre islamistische Herrschaft im Gazastreifen etabliert hat. Und er schildert die Fehler der Netanjahu-Regierung, die den Terror beförderten."
FOCUS
"Er erklärt, wie sie ihre Herrschaft im Gazastreifen etabliert hat und wie es ihr gelingen konnte, den Angriff am 7. Oktober durchzuführen."
Berliner Zeitung, Susanne Lenz
"Joseph Croitoru führt eindrücklich vor Augen wie gut es der Hamas durch ihren Terror über die Jahre gelang, vielversprechende Friedensbemühungen zu sabotieren, Hass zu sähen und die Gesellschaften Israels und der Palästinensergebiete zu radikalisieren."
Georg Renöckl
"Eine empfehlenswerte Fortsetzung zur Herrschaft der Hamas in Gaza von 2006 bis zu den Terrorangriffen am 7. Oktober 2023"
Das Parlament, Beilage zur LBM24, Aschot Manutscharjan
"Croitoru will als Chronist vor allem detaillierte Informationen liefern, analysieren, aber nicht unbedingt werten. Das gelingt ihm hervorragend."
republik.ch, René Wildangel
"Faktenreich, sachlich, klar und niemals ideologisch beschreibt er im Grunde den ganzen Nahostkonflikt. ... eine spannende Lektüre, um mitreden zu können."
General Anzeiger, Regina Krieger
"Croitoru kann auf seine früheren Hamas-Studien aufbauen und gleichermaßen schnell wie seriös eine Chronik der Verblendung und des Schreckens fortschreiben."
Publik Forum, Michael Kuderna
"Seine ereignisgeschichtliche Darstellung besticht indessen durch ihren genauen, abgewogenen und nüchternen Charakter - ein Gewinn, gerade bei einem so aufgeladenen Thema."
FAZ, Christian Meier
"Das bislang einzige deutsche Buch, das nach der brutalen Invasion vom 7. Oktober mit analytischem Blick von der Hamas berichtet ...der Autor gilt als kundiger Deuter von Kultur und Gesellschaft beider Konfliktparteien."
Spiegel, Dominik Peters