Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Ethik, Note: 1,0, Friedrich-Schiller-Universität Jena (Institut für Politikwissenschaft), Veranstaltung: Politik des Mitleids, Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung Wie kaum ein anderer Philosoph hat Arnold Gehlen die deutsche Nachkriegskontroverse vom Standpunkt des Institutionalismus geprägt und es gebührt ihm der Verdienst einer detaillierten, sozio- anthropologisch fundierten Kritik der Zeitgesinnung. Er ist jedoch ebenfalls für die Humanitarismusdebatte des 20. Jahrhunderts, innerhalb derer er der Ausbreitung einer globalen, menschenfreundlichen Massenmoral zutiefst kritisch gegenüberstand, von Bedeutung. In seinen Augen steht der Humanitarismus in einem destruktiven Verhältnis zu Institutionen, allen voran dem Staat. Da es sich gemäß Gehlen bei diesen Institutionen für den instinktreduzierten, mängelbehafteten und effektgeladenen Menschen um lebensnotwendige Regelmuster handelte, hätte eine umgreifende „Moralhypertrophie“ fatale Auswirkungen. Sie ließe politische Tugenden verkümmern, sprenge die Grenzen der nationalen Identifikation, und zerstöre den Staat sowohl als ideologisches als auch institutionelles Konstrukt. Ohne aber das ausführliche ethische Programm, das hinter dieser umstrittenen und vieldiskutierten Ansicht steht zu kennen, wird man dem Philosophen Arnold Gehlen nicht gerecht. Die Monographie „Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik“ muss als wesentliche Ergänzung zu seinem Hauptwerk „Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt“ verstanden werden. Es soll im Folgenden untersucht werden, wie die Humanitarismuskritik in diesem Buch darzustellen und kritisch zu durchleuchten ist. Zudem wird der Versuch unternommen, die Argumentationsstruktur des Autors zu verdeutlichen und die verschiedenen Ebenen seiner Beweisführung aufzuzeigen. Dafür muss ebenso die Gehlensche Genealogie einer pluralistischen Ethik und deren Aufteilung in verschiedene Verhaltensregulationen skizziert werden, denn dies muss als seine gedankliche Voraussetzung für die Kritik am humanitaristischen Ethos verstanden werden. Am Schluss steht eine kritische Zusammenfassung, welche die Kernelemente der Gehlenschen Humanitarismuskritik herausstellen und von einem ethischen als auch politikphilosophischen Standpunkt auf ihre Schlüssigkeit und ihren Gehalt überprüfen soll. [...]