»John Grisham in Höchstform.« The New York Times
Im Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses von Mississippi wartet Sam Cayhall auf seine Hinrichtung. Er ist wegen eines tödlichen Bombenanschlags verurteilt. Seine Lage ist hoffnungslos. Nur der Anwalt Adam Hall kann ihm noch eine Chance bieten. Es geht um Tage, Stunden, Minuten.
Im Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses von Mississippi wartet Sam Cayhall auf seine Hinrichtung. Er ist wegen eines tödlichen Bombenanschlags verurteilt. Seine Lage ist hoffnungslos. Nur der Anwalt Adam Hall kann ihm noch eine Chance bieten. Es geht um Tage, Stunden, Minuten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.1995Die Reue in Mississippi
Auch John Grisham findet die Todesstrafe moralisch fragwürdig
John Grisham ist einer der meistgelesenen Autoren der Welt, was nicht unbedingt bedeutet, daß er nicht schreiben kann. Grisham kann schreiben, obwohl er viel gelesen wird, und seine Bücher sind besser als ihr Ruf bei deutschen Intellektuellen. Der vorliegende Roman ist etwas weniger spannend und kinogerechter als seine Vorgänger. Dafür hat er mehr Substanz und eine echte Problematik. Er handelt von der Todesstrafe, ein Thema, das im heutigen Amerika, wo jährlich etwa vierzig Menschen hingerichtet werden, besondere Brisanz hat. In Grishams erstem Roman "A Time to Kill" ("Die Jury") wurden die Gegner der Todesstrafe ein wenig lächerlich gemacht. Hier, wo der ganze Prozeß einschließlich Verurteilung, Medienbeteiligung, politischer Beeinflussung, zahlreicher Revisionen bis hin zur Hinrichtung in allen Einzelheiten dargestellt wird, scheint dem Autor die Todesstrafe "moralisch fragwürdig", wie er selbst in der Vorbemerkung zugibt.
Es beginnt mit einer Rückblende. In Mississippi sterben bei einem vom Ku-Klux-Klan ausgeheckten Bombenanschlag während der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre zwei Kinder eines jüdischen Rechtsanwalts, der sich für die Rechte der Schwarzen eingesetzt hatte. Einer der Beteiligten wird festgenommen und vor Gericht gestellt. Zweimal entgeht er der Verurteilung, weil die erforderliche Einstimmigkeit der zwölf Geschworenen nicht erzielt wird. Fünfzehn Jahre lang ist er frei, allerdings nicht freigesprochen. Beim dritten Prozeß ereilt ihn das Todesurteil. Von da an lebt er im Todestrakt der genau und realistisch beschriebenen Strafanstalt Parchman in Mississippi. Dabei ist er ein Mann, der zwar Verbrechen gegangen hat, aber nicht den Kindesmord, der ihm zur Last gelegt wird.
Im Jahre 1990, kurz vor dem Hinrichtungstermin, taucht ein junger Anwalt aus Chicago auf und versucht den Verurteilten zu retten - aus Familiengründen, wie sich nach und nach herausstellt. Der Rest des Romans beschreibt die Versuche des Anwalts und des Verurteilten, mit ihrer Vergangenheit und ihrem Gewissen zu Rande zu kommen. Der Gefangene bereut seine früheren Untaten und faßt seinen bevorstehenden Tod in der Gaskammer (der "Kammer" des Titels) als Sühne auf für das, wovon die Justiz nichts weiß. Dadurch erscheint sein Ende nicht völlig trostlos, sondern auf höherer Ebene gerechtfertigt. Es ist etwa die Situation der Maria Stuart am Ende von Schillers Tragödie, die Grisham aber kaum gekannt haben wird.
Warum ist dieses gescheite Buch, mit seinen aktuellen Bezügen und seiner durchgehenden Skepsis, doch nur an der Grenze zwischen Trivial- und ernster Literatur angesiedelt? Gewiß nicht deshalb, weil es sich außerordentlich gut konsumieren läßt. Auch nicht deshalb, weil die Handlung sensationell ist. Es fehlt ihm das, was etwa William Faulkner, auch er ein erfolgreicher Autor aus dem reaktionären und verarmten Südstaat Mississippi, dem Leser durch nicht minder sensationelle Geschichten vermittelt, nämlich das Erschrecken der Erkenntnis: "So ist der Mensch", "So bin ich auch". Grisham, der sich in seiner Erzählenergie sehr wohl von Faulkner ableitet, geht hingegen nicht über den Einzelfall hinaus; es bleibt bei einer Fallstudie, die uns zwar einigermaßen überzeugt, doch nur mit Verwunderung erfüllt, daß es auch solche Leute und solche Situationen gibt.
Ein scharfer, intelligenter, dazu gut übersetzter Roman, der sich vorzüglich zur Reiselektüre eignet, denn er ist Zeitvertreib und doch nicht Zeitverschwendung. Zum Einmallesen und Weiterschenken empfohlen. RUTH KLÜGER
John Grisham: "Die Kammer". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christel Wiemken. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1995. 608 S., geb., 48,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auch John Grisham findet die Todesstrafe moralisch fragwürdig
John Grisham ist einer der meistgelesenen Autoren der Welt, was nicht unbedingt bedeutet, daß er nicht schreiben kann. Grisham kann schreiben, obwohl er viel gelesen wird, und seine Bücher sind besser als ihr Ruf bei deutschen Intellektuellen. Der vorliegende Roman ist etwas weniger spannend und kinogerechter als seine Vorgänger. Dafür hat er mehr Substanz und eine echte Problematik. Er handelt von der Todesstrafe, ein Thema, das im heutigen Amerika, wo jährlich etwa vierzig Menschen hingerichtet werden, besondere Brisanz hat. In Grishams erstem Roman "A Time to Kill" ("Die Jury") wurden die Gegner der Todesstrafe ein wenig lächerlich gemacht. Hier, wo der ganze Prozeß einschließlich Verurteilung, Medienbeteiligung, politischer Beeinflussung, zahlreicher Revisionen bis hin zur Hinrichtung in allen Einzelheiten dargestellt wird, scheint dem Autor die Todesstrafe "moralisch fragwürdig", wie er selbst in der Vorbemerkung zugibt.
Es beginnt mit einer Rückblende. In Mississippi sterben bei einem vom Ku-Klux-Klan ausgeheckten Bombenanschlag während der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre zwei Kinder eines jüdischen Rechtsanwalts, der sich für die Rechte der Schwarzen eingesetzt hatte. Einer der Beteiligten wird festgenommen und vor Gericht gestellt. Zweimal entgeht er der Verurteilung, weil die erforderliche Einstimmigkeit der zwölf Geschworenen nicht erzielt wird. Fünfzehn Jahre lang ist er frei, allerdings nicht freigesprochen. Beim dritten Prozeß ereilt ihn das Todesurteil. Von da an lebt er im Todestrakt der genau und realistisch beschriebenen Strafanstalt Parchman in Mississippi. Dabei ist er ein Mann, der zwar Verbrechen gegangen hat, aber nicht den Kindesmord, der ihm zur Last gelegt wird.
Im Jahre 1990, kurz vor dem Hinrichtungstermin, taucht ein junger Anwalt aus Chicago auf und versucht den Verurteilten zu retten - aus Familiengründen, wie sich nach und nach herausstellt. Der Rest des Romans beschreibt die Versuche des Anwalts und des Verurteilten, mit ihrer Vergangenheit und ihrem Gewissen zu Rande zu kommen. Der Gefangene bereut seine früheren Untaten und faßt seinen bevorstehenden Tod in der Gaskammer (der "Kammer" des Titels) als Sühne auf für das, wovon die Justiz nichts weiß. Dadurch erscheint sein Ende nicht völlig trostlos, sondern auf höherer Ebene gerechtfertigt. Es ist etwa die Situation der Maria Stuart am Ende von Schillers Tragödie, die Grisham aber kaum gekannt haben wird.
Warum ist dieses gescheite Buch, mit seinen aktuellen Bezügen und seiner durchgehenden Skepsis, doch nur an der Grenze zwischen Trivial- und ernster Literatur angesiedelt? Gewiß nicht deshalb, weil es sich außerordentlich gut konsumieren läßt. Auch nicht deshalb, weil die Handlung sensationell ist. Es fehlt ihm das, was etwa William Faulkner, auch er ein erfolgreicher Autor aus dem reaktionären und verarmten Südstaat Mississippi, dem Leser durch nicht minder sensationelle Geschichten vermittelt, nämlich das Erschrecken der Erkenntnis: "So ist der Mensch", "So bin ich auch". Grisham, der sich in seiner Erzählenergie sehr wohl von Faulkner ableitet, geht hingegen nicht über den Einzelfall hinaus; es bleibt bei einer Fallstudie, die uns zwar einigermaßen überzeugt, doch nur mit Verwunderung erfüllt, daß es auch solche Leute und solche Situationen gibt.
Ein scharfer, intelligenter, dazu gut übersetzter Roman, der sich vorzüglich zur Reiselektüre eignet, denn er ist Zeitvertreib und doch nicht Zeitverschwendung. Zum Einmallesen und Weiterschenken empfohlen. RUTH KLÜGER
John Grisham: "Die Kammer". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christel Wiemken. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1995. 608 S., geb., 48,- DM.
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