Studienarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Französische Philologie - Literatur, Note: sehr gut, Universität Hamburg (Französisches Seminar), Veranstaltung: Seminar Marcel Proust: A la recherche du temps perdu, Sprache: Deutsch, Abstract: Marcel Prousts Welt ist eine Welt der Gefühle und Sinneswahrnehmungen, die mit bestimmten Eindrücken, Personen und Landschaften zu einer ästhetischen Einheit verschmelzen. Diese Gefühle und Sinneswahrnehmungen sind es, die unser inneres Wesen ausmachen und unsere Existenz bestätigen. Denn die materielle Realität, wie wir sie wahrnehmen, ist nicht die reine Wirklichkeit des Lebens, sondern sie überlagert die individuelle Wahrheit, die ein jeder in sich trägt. Diese individuelle Wahrheit ist in der Vergangenheit verschlossen. Um sie zu erschließen, reicht es aber nicht, sich die Vergangenheit durch die mémoire de l’intelligence wieder ins Gedächtnis zu holen. Ihrer Erschließung liegt das poetische Konzept der mémoire involontaire zugrunde. Die mémoire involontaire ist durch keine metaphysischen Kategorien in der Lebenswelt verankert. Es hängt ganz vom Zufall ab, ob sie sich dem Individuum erschließt. Nur mit dieser unwillkürlichen Erinnerung ist es möglich, das damals Erlebte aus den Tiefen der Vergangenheit zu reißen. Um nun aber dieses Glücksmoment des Augenblicks gänzlich verstehen zu können, muss er in die Gegenwart integriert werden. Die Realität ist wie ein Spiegel: Sie scheint mit Leben erfüllt, ist aber nicht mehr als eine Reflektionsscheibe für unser inneres Wesen, unsere Persönlichkeit. Wir stehen vor diesem Spiegel und sehen die Reflexionen, erkennen die Dinge aber nicht in ihrer Essenz. Die Zeit ist wie das Licht, welches die Reflektion erst möglich macht. Da wir aber nur die Repräsentationen, die Bilder im Spiegel sehen, niemals aber das Objekt der Reflektion, müssen wir das Licht in seinem Weg erfassen, dass heißt die Zeit in ihrer Dauer erkennen. Ausgehend von den theoretischen Ausführungen Marcel Prousts zu seiner Erinnerungsästhetik wird in dieser Arbeit die Konzeption des Augenblicks untersucht, wie er im Motiv der deux côtés de Combray entwickelt wird. Im 1. Teil stelle ich die theoretischen Ausführungen Prousts zur mémoire involontaire vor, die er in Le tems retrouvé darlegt. Der Schwerpunkt liegt dabei darauf, wie die mémoire involontaire in der Lage ist, Oppositionen zu überwinden. Im 2. Teil untersuche ich, inwieweit Proust in den deux côtés in Du côté de chez Swann bestimmte Oppositionen entwickelt, um sie schließlich in Le temps retrouvé auf vielschichtige Weise wieder zusammenzubringen.